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Der Physiker Mikhail D. Lukin soll Licht zum Stehen gebracht haben. Wie hat man sich stehendes Licht vorzustellen?

29. Februar 2008

  • D Naturwissenschaften und Mathematik

Der Physiker Mikhail D. Lukin soll Licht zum Stehen gebracht haben. Wie hat man sich stehendes Licht vorzustellen?

Tatsächlich haben Mikhail Lukin und sein Forscherteam an der US-amerikanischen Harvard University in Cambridge einen roten Laserpuls in einem Gas aus Rubidium-Atomen eingefangen und gestoppt.

Durch zwei Kontrollstrahlen erzeugten sie in dem Gas Schichten, die den Laserstrahl mal passieren ließen und mal reflektierten. Das Licht sprang zwischen diesen Schichten hin und her. Nach dem Abschalten der Kontrollstrahlen erreichte das Licht wieder normale Geschwindigkeit.Im Vakuum hat Licht eine Geschwindigkeit von etwa 300.000 Kilometern pro Sekunde. Mithilfe von Materie können die Strahlen jedoch gebremst werden. Seit einigen Jahren können Physiker die Lichtgeschwindigkeit bereits auf wenige Meter pro Sekunde drosseln. Die Gruppe um Lukin ist allerdings die erste, die das Licht anhalten konnte, ohne dass dabei Photonen verloren gingen. Ein Photon ist die kleinste Einheit der Energie von Licht.Michal Bajcsy, Mitarbeiter im Team von Mikhail D. Lukin und Graduate student am Physics Department der Harvard University, beantwortete die Frage sehr detailliert und stellt das gesamte Experiment vor:

Wir führen unsere Experimente in einer so genannten Rubidium Dampfzelle durch. Dies ist ein abgedichteter, entleerter Glaszylinder mit einem kleinen Rubidium-Tropfen an der Seitenwand. Rubidium ist ein Alkali-Metall, ähnlich wie Sodium oder Potassium. Das Rubidium-Tröpfchen gibt frei schwebende Rubidium-Atome ab, die unseren Glaszylinder füllen. Wir benutzen zwei starke Laserstrahlen (die wir „drives“ nennen), um die optischen Eigenschaften des Rubidium-Dampfes zu beeinflussen, sowie einen schwachen Laserstrahl (von etwas anderer Frequenz als die „drives“), um diese Eigenschaften zu überprüfen. Unsere Laser haben eine Wellenlänge von 795nm, d.h. ein kaum sichtbares Rot.

Im Kontext unseres Experiments beziehen sich Begriffe wie “gestopptes Licht”, “eingefrorenes Licht” oder “fixiertes Licht” auf den Lichtimpuls, der gestoppt, eingefroren bzw. fixiert wird. Ein Lichtimpuls wird geschaffen, wenn eine Lichtquelle an- oder abgeschaltet wird – wie bei einer Taschenlampe. Dies verursacht einen „Klumpen“ (engl.: „chunk“) Licht, der dann durch den Raum wandert. In unserem Fall beträgt die Zeit zwischen „an“ und „aus“ nur wenige Mikrosekunden (Millionstel einer Sekunde), was den „Klumpen“ etwa einen Kilometer lang werden lässt. Die Frequenz unseres Lichtimpulses (des Laserpulses) ist so, dass das Licht, wenn wir es durch die Dampfzelle schicken, nach dem Zufallsprinzip durch Rubidium-Atome absorbiert wird. Für den äußeren Betrachter ist die Zelle lichtundurchlässig.

Wenn wir die Atome mit einem starken „Drive“-Laser bestrahlen, während wir den Versuchs-Laserpuls senden, geschehen zwei Dinge: Erstens wird die Dampfzelle durchlässig für den Versuchs-Impuls; und zweitens wird dieser mit einer Geschwindigkeit von weniger als 100 Meter/Sekunde durch die Zelle gestreut. (Die Kombination von Rubidium-Atomen und Laserstrahl verringert die Geschwindigkeit der Probe in der Zelle sehr stark. Man bedenke, dass die Geschwindigkeit im freien Raum 300.000 Kilometer/Sekunde beträgt.)

Wenn nun der Impuls in die Zelle eintritt, wird er von ein Kilometer Länge auf nur noch wenige Zentimeter komprimiert. Dies resultiert aus der enorm großen Differenz zwischen der Geschwindigkeit im freien Raum und der in der Dampfzelle. So können wir einen Lichtimpuls lokalisieren, der mit einer Länge von ca. einem Kilometer gestartet ist und nun ziemlich genau in unsere wenige Zentimeter lange Zelle passt. Freilich vergrößert sich der Impuls beim Austritt aus der Zelle wieder auf seine ursprüngliche Länge.

Während der Impuls sich durch die Zelle verbreitet, werden Teile seiner Energie (Photonen) vom Rubidium-Atom „kontrolliert absorbiert“. Ich betone „kontrolliert“, weil das Atom die Energie an den Impuls „zurückgibt“, sobald dieses die Zelle verlässt. (Dies passiert nicht, wenn der Impuls „zufällig absorbiert“ wird). Sobald sich der Impuls also langsam durch die Zelle verbreitet, rückt es zusammen mit seinem Abbild, das in die Atome eingeschrieben ist.

Wenn der Lichtimpuls sich langsam in der Zelle verbreitet, können wir seine Geschwindigkeit außerdem reduzieren, indem wir die Intensität des „Drive“-Strahls senken. Je schwächer der „Drive“, desto mehr des Versuchs-Impulses wird in sein Abbild absorbiert. An der Grenze, d. h. wenn der Laserstrahl abgeschaltet ist, geht die Verbreitungsgeschwindigkeit gegen Null und damit auch die Zahl der Photonen im Impuls. Was bleibt, ist das Abbild des Lichtimpulses, das nun stationär ist. Damit haben einen fixierten Lichtimpuls geschaffen, der freilich kein Licht in sich hat. Die gute Nachricht dabei ist, dass der Signal-Impuls wieder belebt wird und sich weiter verbreitet, sobald wir den „Drive“- Strahl wieder anschalten.

Um das Experiment abschließend beschreiben zu können, muss ich Sie noch mit ein paar weiteren Details belasten:

Um sich stehendes Licht vorstellen zu können, bedarf es einer kurzen Bemerkung zu Spiegeln.  Ein üblicher Spiegel, wie wir ihn von zu Hause kennen, besteht aus einem Glasband vor einer metallfarbenen Platte. Die Reflektion durch eine glänzend polierte Metalloberfläche kann bei einem guten Spiegel um die 90 Prozent betragen. Manche in optischen Labors benutzten Spiegel funktionieren ein wenig anders.

Wenn wir auf ein gewöhnliches Fensterglas schauen, können wir auch in ihm eine leichte Reflektion wahrnehmen. Ein bisschen wird immer reflektiert, sobald Licht zwischen zwei Materialien mit unterschiedlichem Brechungsindex gerät. Nun stelle man sich eine Struktur mit alternierend dünnen Schichten zweier Arten von Glas vor, beide mit unterschiedlichem Brechungsindex. Wenn die Periodizität der Struktur der halben Wellenlänge des Lichts entspricht, an dem wir interessiert sind (oder zumindest fast), dann wird die Struktur wie ein Spiegel funktionieren (von beiden Seiten). Und wenn die Anzahl der Schichten groß genug ist, kann die Reflektion der Wellenlängen, für die der Spiegel hergestellt wurde, 99,999 % betragen. (Das führt dazu, dass einige Spiegel in unserer Einrichtung für das Auge transparent aussehen, auch wenn sie Laserstrahlen perfekt reflektieren.) Diese Spiegel werden dielektrische (nicht-leitende) Spiegel oder beschichtete Spiegel genannt.

Nachdem wir in unserem Experiment ein stationäres Bild des Versuchs-Lichtimpulses hergestellt haben, schalten wir zwei „Drives“ an, die die Verbreitung verhindern. Das führt zu zweierlei: Zum einen wird der Versuchs-Impuls aus dem stationären Abbild wieder belebt, er nimmt wieder Photonen auf und versucht sich auszubreiten. Gleichzeitig stellen die beiden die Ausbreitung verhindernden Laserstrahlen eine stehende Welle dar – ein Streifenmuster von hellen und dunklen Regionen im Raum. Dies macht den Rubidium-Dampf für den Versuchs-Impuls zu einer Art beschichtetem Spiegel. (Die Rubidium-Atome haben in den hellen Regionen einen anderen Brechungsindex als in den dunklen).

So wird der Versuchs-Impuls „innerhalb“ einer beschichteten Spiegelstruktur wieder belebt. Von da an werden die Photonen, wenn sie versuchen sich vor- oder rückwärts zu bewegen, immer und immer wieder reflektiert. Obgleich die Photonen die Bewegung (oder: das Aufprallen) fortsetzen, wird der gesamte Impuls (der Umschlag) stationär bleiben – er wird sich weder vorwärts noch rückwärts bewegen.  Nun haben wir einen „gestoppten“ oder „stehenden“ Lichtimpuls.

Wir können diesen Impuls ein paar Mikrosekunden in diesem Zustand halten. Sobald eines der „Drives“ abgeschaltet wird, wird die Spiegel-Struktur zerstört und der Impuls wird sich in die Richtung des verbleibenden „Drives“ ausbreiten.