Logo Wissenschaft im Dialog Wissenschaft im Dialog

Zurück zu „Wie?So!“

Haben Tiere ein Bewusstsein und inwieweit unterscheidet es sich von dem des Menschen?

22. März 2017

  • D Naturwissenschaften und Mathematik
Eule im Spiegel (Foto: Flickr, CC) Array

Eule im Spiegel (Foto: Flickr, CC)

Die Frage nach dem Bewusstsein eines Tieres ist sehr schwer zu beantworten, denn der Begriff ist noch nicht einmal für den Menschen eindeutig definiert. „Ich denke, also bin ich.“ lautet der berühmte Ausspruch des französischen Philosophen René Descartes, welcher gewissermaßen der Grundstein der Bewusstseinsforschung ist und bereits auf die Mehrdeutigkeit des Begriffs hinweist: Sich „bewusst zu sein“ bedeutet ursprünglich, etwas über seine Umwelt zu wissen, mitzufühlen und weitere emotionale Vorgänge. Menschen sind sich darüber bewusst, dass es sie selbst in einer Umwelt gibt. Sie können also nicht nur ihre eigenen Handlungen reflektieren, sondern auch Handlungen und Emotionen anderer Menschen – und auch, wie diese Handlungen wiederum auf sie selbst zurückwirken. 

Zum Bewusstsein bei Tieren gibt es bisher so gut wie keinerlei Forschung und das hat mehrere Gründe: Zum einen stellt die Bewusstseinsforschung bei Tieren für Wissenschaftler eine echte Herausforderung dar, denn anders als beim Menschen können sie nicht direkt mit den Tieren über deren Wahrnehmung kommunizieren. Daher müssen sie auf die Messung und Beobachtung neurologischer oder physiologischer Vorgänge und auf die Beschreibung des Verhaltens zurückgreifen. Und die Tests müssen dann so explizit gestaltet werden, dass dabei eindeutig zu interpretierende Ergebnisse herauskommen. Zum anderen wurden Tiere bis vor 20 oder 30 Jahren gar nicht auf ihr Bewusstsein untersucht, man hat bis zu diesem Zeitpunkt darüber schlicht und ergreifend noch nicht nachgedacht. Erst seit relativ kurzer Zeit ist bekannt, dass Tiere Individuen sind und sich, ähnlich wie Menschen, in ihrer Persönlichkeit unterscheiden. Die Vorstellung davon, dass sie überhaupt fühlen und Emotionen haben können, entwickelte sich dann in den letzten Jahrzehnten.

Es gibt ein paar Studien, die unter anderem bei Menschenaffen, Delfinen, Elefanten und Raben gezeigt haben, dass sich Individuen dieser Arten selbst im Spiegel erkennen können. Dazu versahen Wissenschaftler die Tiere unbemerkt mit einem kleinen Farbklecks. Einige dieser Tiere erkannten diesen Farbklecks im Spiegel und fingen an, sich selbst und nicht ihr Spiegelbild zu reinigen. Sie hatten also eine bestimmte Vorstellung davon, dass sie das im Spiegel selbst sind und nicht ein x-beliebiges Tier der gleichen Spezies. Das beweist eine bestimmte Ebene des Bewusstseins.

Inwiefern das darauf hindeutet, dass sie sich selbst bewusst sind, dass sie in einer Umwelt existieren, in der auch andere existieren und in der Interaktionen in beide Richtungen gehen und Auswirkungen haben, das weiß man noch nicht genau. Dieses Bewusstsein haben aber auch Menschen nicht von Anfang an, das entwickelt sich erst im Kleinkindalter. Säuglinge können sich beispielsweise im Spiegel noch gar nicht selbst erkennen, das geschieht erst bei Kindern im Alter von eineinhalb bis zweieinhalb Jahren (unterschiedliche Studien geben hier unterschiedliche Altersstufen an). Das ist dann auch die Zeit, in der sie z.B. anfangen zu reflektieren, wie wohl ein Elternteil auf eine bestimmte Aktion reagieren würde. Vorher sind Kinder vornehmlich an der unmittelbaren Befriedigung ihrer aktuellen Bedürfnisse interessiert. 

Es gibt vor allem auf der Ebene der Emotionen noch einige andere Indikationen für ein Bewusstsein bei Tieren. Bei vielen Tieren, die sozial in Familienverbänden oder als Paare leben (z.B. Menschenaffen oder Wolfsrudel), konnte nachgewiesen werden, dass sie so etwas wie Traurigkeit empfinden, wenn ein Mitglied dieser Gruppe oder der Partner stirbt. Ähnlich wie beim Menschen werden auf neuronaler Ebene bestimmte Stoffe im Körper ausgeschüttet und sie zeigen eine Trauerreaktion. Weiterhin versorgen manche Tiere kranke Partner, Jungtiere oder Gruppenmitglieder mit. Das heißt, sie müssen darüber nachdenken, dass dieses Tier mit zum sozialen Verband gehört, krank ist und mitversorgt werden muss. Es geht nicht nur um die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse, sondern auch darum, dass auch die anderen überleben und man zusammen Aufgaben löst. Es gibt also einige Hinweis darauf, dass auch Tiere ein Bewusstsein haben. Man weiß nur einfach noch nicht genau, inwiefern sich dieses vom Menschen unterscheidet – es gibt noch einiges zu erforschen!

Bei der Beantwortung der Frage hat uns Dr. Anja Günther vom Institut für Verhaltensforschung an der Fakultät für Biologie der Universität Bielefeld geholfen.

Redaktion WiD: OK

Sie haben auch eine Frage an die Wissenschaft? Die Online-Redaktion von WiD sucht Experten, die sich mit diesem Thema auskennen, und beantwortet Ihre Frage.

Zum Frageformular

Zur Übersicht