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Warum muss Grünkohl vor der Ernte dem Frost ausgesetzt sein?

14. April 2015

  • D Naturwissenschaften und Mathematik
Braucht der Grünkohl wirklich den Frost? (Foto: Karl-Heinz Liebisch/pixelio.de) Array

Braucht der Grünkohl wirklich den Frost? (Foto: Karl-Heinz Liebisch/pixelio.de)

Wer so viele Namen hat, der muss was ganz Besonderes sein. In Ostwestfalen nennt man ihn Lippische Palme, in Braunschweig sagt man Hochkohl, ganz im Norden heißt er Oldenburger, Krauskohl oder Friesische Palme. Der Grünkohl ist einfach ein deutsches Traditionsgemüse. Mit dem Grüne-Smoothies-Hype erlebt er sogar seit einiger Zeit sein großes Comeback: vom Kinderschreck zum Superfood! Und das zu Recht: Kein anderes Gemüse hat so viel Vitamin C wie Grünkohl, sein Eisengehalt übertrifft sogar Rindfleisch. Das grüne Gewächs steckt voller Nährstoffe und Vitamine. 

In Deutschland isst man Grünkohl schon seit dem 16. Jahrhundert. Im Volksmund sagt man bis heute, dass er vor der Ernte dem Frost ausgesetzt sein muss, um sein volles Aroma entfalten zu können. Aber braucht der Kohl die eisigen Temperaturen wirklich? 

Der Geschmack des Kohls hängt von seinem Zuckergehalt ab: Bei einem niedrigen Zuckergehalt schmeckt der Kohl bitter. Wenn der Zuckergehalt steigt, erhält das Gemüse seinen typischen herb-süßen Geschmack. Je kälter das Klima, desto geringer ist der Stoffwechsel der Pflanze. Das bedeutet, dass Enzyme außer Gefecht gesetzt werden, die den Zucker ansonsten wieder abbauen würden. Der Zuckergehalt des Kohls steigt also in dieser Zeit. Frost kann demzufolge durchaus den Geschmack der traditionellen Kohlsorten verändern, weil der hohe Zuckeranteil die Bitterstoffe mildert. ABER: Der Grünkohl baut gleichzeitig Zucker über die Photosynthese auf. Und dafür reichen kühle Temperaturen und etwas Sonnenschein aus. Es braucht demzufolge nicht zwingend frostige Temperaturen, um den geschmacklich optimalen Grünkohl zu ernten.

Der Grund, weshalb man in unseren Supermärkten oft fast das ganze Jahr über Grünkohl kaufen kann, ist folgender: Die industrielle Landwirtschaft züchtet Grünkohlsorten, die von Vorneherein einen hohen Zuckeranteil haben und die deshalb ganzjährig geerntet werden können. 

Das Gerücht, dass Grünkohl ohne Frost nicht schmeckt, hält sich hierzulande vielleicht deshalb so hartnäckig, weil das Gemüse mit seiner langen Tradition ein eindeutiges Zeichen für seine Widerstandsfähigkeit gesetzt hat. Unendlich belastbar ist es aber nicht: Ab einer Temperatur von minus 12 Grad überlebt auch keine Friesische Palme mehr. 

Redaktion WiD: lz

Die Frage wurde beantwortet von Prof. Dr. Günter Schumann, Leiter des Instituts für Züchtungsforschung an gartenbaulichen Kulturen am Julius Kühn-Institut (JKI) Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen.

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