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Wo im menschlichen Gehirn ist das Bewusstsein lokalisiert?

06. März 2015

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Computertomografie eines Schädels Array

Das Gehirn macht bei Erwachsenen Menschen zwar nur ca. 2% der Körpermasse aus, schlägt aber mit 20% beim Energiegrundumsatz zu Buche, bei Neugeborenen sogar 50%. Bild: Mikael Häggström/Wikimedia

Pauschal lässt sich diese Frage nicht beantworten. Denn ganz genau weiß niemand, welche Teile des Gehirns in welcher Situation zum Bewusstsein beitragen. Außerdem unterscheidet sich dies von Mensch zu Mensch. Trotzdem können Wissenschaftler bewusste Aktivitäten im Hirn erkennen, auslesen und manche davon sogar in Steuerungssignale für Computer oder Prothesen umsetzen.

Das Gehirn ist, zusammen mit dem Rückenmark, die Schaltzentrale des Menschen. Es steuert und koordiniert die Prozesse im Körper und verarbeitet von außen kommende Reize – teils unbewusst, teils bewusst. Dazu verfügt das menschliche Hirn über gut 100 Milliarden Nervenzellen. Was immer unser Hirn tut – jede Bewegung, jede Wahrnehmung der Außenwelt, jeder Gedanke – alles beruht auf der Aktivität seiner Nervenzellen. Jede einzelne Aktion wird dabei durch das Zusammenspiel vieler Zellen ausgelöst.

Und die stehen im wahrsten Sinne des Wortes unter Strom. Die Aktivität einer Nervenzelle ist durch den Transport von elektrisch geladenen Teilchen bestimmt. Wenn im Hirn tausende benachbarte Zellen gleichzeitig aktiv werden – um einen Reiz zu verarbeiten oder eine Aktion zu veranlassen – fließt ein Strom, klein, aber messbar. Diesen Strom können Ärzte im EEG, dem Elektroenzephalogramm, an der Kopfhaut des Menschen messen und daraus Rückschlüsse über die Aktivität einzelner Bereiche des Gehirns ziehen.

Die Aktivität der Nervenzellen ist auch mit einer stärkeren Durchblutung der jeweiligen Hirnareale verknüpft. Dies kann mit Hilfe einer anderen Untersuchungsmethode verfolgt werden, der funktionellen Magnetresonanztomographie, kurz fMRT. Die Methode erstellt dreidimensionale Bilder des menschlichen Gehirns und zeigt, welche Areale besonders stark durchblutet – also besonders aktiv – sind.

Es sind vor allem diese beiden Methoden, die den Wissenschaftlern Einblick in das Leben im Kopf des Menschen geben. Auch über das Bewusstsein, über bewusstes Wahrnehmen und Handeln, können EEG und MRT Auskunft geben. So spiegelt sich das Erkennen eines Bildes ebenso wie das Planen und Durchführen einer Handlung in einem ganz bestimmten Muster der Hirnaktivität wider.

Grob lässt sich sagen, dass für das Bewusstsein, also das Erleben, Denken, Fühlen, gezieltes Handeln, Farb- und Klangempfinden des Menschen, die Hirnrinde eine wichtige Rolle spielt. Sie ist der außen liegende Teil des Großhirns, Mediziner sprechen vom Neocortex. Aber auch andere Teile des Hirns können an bewussten Aktionen beteiligt sein.

Eine exakte Zuordnung von Gedanken, Wahrnehmungen oder Aktivitäten zu einem einzigen, genau festgelegten Hirnareal gibt es aber nicht. Es gibt im Gehirn also keine „Bewusstseinszellen“. Sehr wohl hat aber jeder einzelne Gedanke ein unverwechselbares Muster in der Aktivität des gesamten Hirns. Dieses Muster unterscheidet sich von Mensch zu Mensch. Das liegt daran, dass jeder Mensch mit einer bestimmten Wahrnehmung etwas anderes in Verbindung bringt. Wer beispielsweise von einem Hund gebissen wurde, wird das Tier ganz anders wahrnehmen als jemand, der als Kind oft mit einem Hund gespielt hat. All das spiegelt sich im Aktivitätsmuster des Hirns wieder.

Wenn man aber das Aktivitätsmuster eines Gedanken identifiziert hat und im EEG zuverlässig wiedererkennen kann, dann lässt sich dieses Wissen nutzen, etwa im Bereich der Medizin. Man weiß heute, dass nicht nur eine Aktion, sondern bereits der Gedanke an diese Aktion, ein bestimmtes Muster der Hirnaktivität hervorruft. Dieses Wissen nutzt man in so genannten Mensch-Maschine-Schnittstellen, auch Brain-Computer-Interfaces genannt. Mit Hilfe eines EEG lesen sie die Hirnaktivität eines Menschen aus und setzen bestimmte Muster in ein Steuersignal um. So können beispielsweise bewegungsunfähige Menschen in die Lage versetzt werden, Computer zu bedienen oder Prothesen zu steuern.

Die Frage wurde beantwortet von Prof. John-Dylan Haynes vom Bernstein Center for Computational Neuroscience Berlin.

Redaktion WiD: urs

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