Logo Wissenschaft im Dialog Wissenschaft im Dialog

Zurück zu „Blog“ Qrss

Für die Tonne?

06. Dezember 2016

  • Erstellt von Jens Kube
  • 0
  • A Wissenschaftskommunikation
Array

Ein Cliffhanger zu Beginn: In diesem Beitrag geht es noch nicht um das Postfaktische. Nicht etwa, weil das Wort – so die Meinungen an verschiedenen Stellen – nicht wirklich gut ist. Sondern weil heute früh noch eine Keynote von Melanie Smallman ansteht, die Wissenschaftskommunikation im postfaktischen Europa zum Titel hat.

Hier geht es zunächst darum, wie in vergleichsweise kurzen Projekten wie etwa den DFG-geförderten Sonderforschungsbereichen Wissenschaftskommunikation betrieben wird und werden soll.

Den wissenschaftlichen Kern der Diskussion stellte die Dissertation der frisch promovierten Julia Gantenberg (herzlichen Glückwunsch!) dar. Sie analysierte, wie an verschiedenen SFBs der Universität Bremen Wissenschaftskommunikation betrieben wurde. Diese Arbeit fiel verständlicherweise auf großes Interesse der DFG als Förderinstitution, wie auch Jutta Rateike von der DFG klar zu verstehen gab.

Wissenschaftler sollen selbst in der Wissenschaftskommunikation aktiv sein, so wünscht sich die DFG die Konstellation im SFB. Wie gut das funktioniert, illustriert Julia Gantenberg beispielsweise dadurch, dass sie die Wissenschaftler in sechs Typen einteilt (hier zitiert aus ihrer Dissertation):

  • Der Abtaucher – Fester Platz im Elfenbeinturm
  • Der (kritische) Beobachter – Zweifel am Konzept
  • Der Pflichterfüller – Büro vor Bühne
  • Der Nutznießer – Im gemachten Nest
  • Der Missionar – Aufklärung für das Volk
  • Der Stratege – Volle Kraft voraus

Bei allen Typen sind Ressourcenkonflikte und die Abwägung von Aufwand und Nutzen der Wissenschaftskommunikation vorhanden. Je nach Einstellung und Position im Gesamtsystem werden dabei die eigene Beteiligung an Kommunikationsmaßnahmen breiter oder schmaler angelegt. Eine Grundüberzeugung, dass Wissenschaftskommunikation zum Wissenschaftsbetrieb dazugehört – so interpretiere ich die Typenbeschreibung – ist dabei nur beim den „Strategen“ und teilweise bei den „Missionaren“ vorhanden.

Ob SFB, Helmholtz-Graduiertenschule oder ähnliche Konstellation. Es ist durchaus üblich, dass Doktorand_innen in Aspekten der Wissenschaftskommunikation geschult werden. Zu Kommunikationsexperten werden diese dadurch jedoch noch nicht.

Wie schon so oft (#fwk16bingo) mündete dies in der Feststellung, dass es noch immer kein Anreizsystem für die Bewertung von Wissenschaftler_innen gibt, in dem die Aktivitäten in der Wissenschaftskommunikation angemessen (oder gar systematisch) berücksichtigt werden. Julia Gantenberg: „Es gibt ganz viele interessierte Doktoranden, die aber spätestens zu Promotion und nächstem Karriereschritt keine Zeit mehr haben. Es gibt keinen messbaren Nutzen der WissKomm für die Karriere, jedenfalls wenn die Kommunikation nicht innerhalb der Wissenschaft stattfindet.“

Das motivierte Antonia Rötger @antorot dazu, Jungwissenschaftler_innen zu empfehlen, sich primär auf ihre Forschung zu konzentrieren und sich dazu (nur) punktuell in der Öffentlichkeitsarbeit zu engagieren. Ihre Hauptaufgabe ist und bleibt die Forschung!

Warum betreiben einige Nachwuchsforscher_innen dann doch aktiv zeitaufwändige Outreach-Aktivitäten wie etwa Science Slams? Einen wichtigen Beitrag dazu lieferte Christian Stern @chris2stern, der selbst den Weg vom Wissenschaftler zum Wissenschaftskommunikator hinter sich hat: Science Slams und andere Kommunikationsformate lassen die Wissenschaftler_innen Wertschätzung erfahren, die im Forschungsalltag sonst sehr rar ist.

Wolfgang Reichel, Mathematik-Professor am KIT zeigte das Spektrum der Aktivitäten des SFB „Wave Phenomena“: Ein Blog, ein Facebook-Account und ein Twitter-Feed, dazu einige „Realwelt-Aktivitäten“, etwa gemeinsam mit Designern. Zu Beginn des SFB führte für ihn die große Freiheit (oder: der Mangel an Vorgaben) durch die DFG zu einer gewissen Orientierungslosigkeit, die allerdings in Kreativität mündete. Die Folgerung von Wolfgang Reichel: „Wir [im SFB] sind alle Amateure!“.

Einen weiteren Aspekt zur Fragestellung der Session, wie man also das Kommunizieren für die Tonne vermeidet (sind 10 Interaktionen auf einen Facebook-Post eigentlich „für die Tonne“?), ergab sich in einer Kurzbefragung unter den Anwesenden: Etwa die Hälfte der anwesenden Wissenschaftskommunikator_innen in SFBs und vergleichbaren Einheiten identifizierten sich als „Einzelkämpfer“. Sie arbeiten zwar mit den zentralen Kommunikationsstellen der Einrichtungen zusammen, doch innerhalb des SFBs haben sie zugleich ein eher schwaches Standing und erleben gleichzeitig das Anspruchsdenken, dass sie schon die Kommunikationsdinge erledigen werden. Der Vorschlag, die Kommunikationsmittel zu bündeln und etwa der Kommunikationsabteilung der jeweiligen Universität Stellen aus dem SFB zuzuordnen und so von Beginn an effizient arbeiten zu können, stieß nach meinem Eindruck auf Gegenliebe – nur nicht bei Jutta Rateike. Sie konkretisierte noch: Die DFG fördere kein Konzept, in dem es heißt, die Kommunikation wird von Anfang an etwa durch eine Agentur durchgeführt.

Stattdessen – so könnte man folgern – zahlt die DFG lieber Amateurtum in der Wissenschaftskommunikation.


0 Kommentare

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben