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#fwk15 - Tag 2

01. Dezember 2015

  • Erstellt von Nicolas Wöhrl
  • 0
  • A Wissenschaftskommunikation
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Science Communication – The Good, the Bad and the Ugly
Speaker: Dr. Simon Singh

Dr. Simon Singh treibt die Müdigkeit am Dienstagmorgen gleich mit ein paar unbequemen Thesen aus den Knochen. Mir, als kommunizierenden Wissenschaftler, spricht er dabei aus der Seele. Wissenschaft ist teuer, Wissenschaftskommunikation ebenso. Genauso wie ich als Wissenschaftler Rechenschaft ablegen muss über das Geld, welches ich ausgebe, über jedes Experiment, über jeden Tag, den ich im Labor arbeite, muss man auch die Frage stellen, wie effizient das Geld für die Wissenschaftskommunikation eingesetzt wird. Wie hoch ist der Ertrag? Worin liegt überhaupt der Ertrag? Was wird damit geleistet?

"Big money means big responsibility" sagt Singh und scheut sich auch nicht mit dem Finger auf Projekte zu zeigen, die in seinen Augen besonders kritisch betrachtet werden sollten. Abstruse Beispiele wie "Faces of Mathematics" aber auch extrem kostenintensive Projekte wie "Lab in a lorry".

Wie sehen für Singh erfolgreiche Projekte im Vergleich aus?

Largely dirt cheap
Largely grassroots
Largely profitable

Günstig, Graswurzelbewegung, profitabel. Intrinsisch motivierte Enthusiasten sollten Wissenschaftskommunikation betreiben, weil diese Art authentisch und echt ist.

Dr. Singh formuliert scharf, vereinfacht natürlich stark und wird deshalb sicher nicht nur auf Begeisterung stoßen – insbesondere nicht auf dem #fwk. Dennoch muss sich Wissenschaftskommunikation diese Fragen gefallen lassen. Und ich als kommunizierender Wissenschaftler aus Überzeugung bin sehr froh, dass diese kritische Stimme auf die Bühne des #fwk15 geholt wird. Wissenschaftskommunikation braucht nicht viel um zu funktionieren, außer Enthusiasmus! Wir sprechen in unserem Podcast über Wissenschaft und erreichen mit jeder Folge 25.000 Menschen. In unserer Freizeit neben der eigentlichen Arbeit im Labor. Nahezu ohne Produktionskosten. Grassroots. Weil wir Spaß an Wissenschaft haben.

Vermutlich die gemütlichste Konferenzatmosphäre in Deutschland. (Photo von Marc Scheloske @werkstatt)
Vermutlich die gemütlichste Konferenzatmosphäre in Deutschland. (Photo von Marc Scheloske @werkstatt)
Vermutlich die gemütlichste Konferenzatmosphäre in Deutschland. (Photo von Marc Scheloske @werkstatt)

 

Die internationale Session "National Science Communication Organisations: What Is Their Role?" startete zunächst klassisch. Dr. Philipp Burkard (Stiftung Science et Cité, Schweiz),  Dr. Maria Lindholm (Vetenskap & Allmänhet, Schweden) und Markus Weißkopf (Wissenschaft im Dialog) stellten ihre Ideen und ausgewählte Projekte vor. Dann wurde es interaktiv und die Teilnehmer der Session sollten in Kleingruppen zwei Fragen für die anschließende Diskussion beantworten:

"Was wünschen Sie sich von einer nationalen Wissenschaftskommunikationsorganisation?" und "Geben Sie eine Empfehlung an eine nationale Wissenschaftskommunikationsorganisation".

Die Ideen waren divers: Lobbyarbeit für die Wissenschaft, Transfer von Forschung in Startups, spielerische Vermittlung von Wissen, mehr Unterstützung für kleine Universitäten mit kleinen Budgets für die Wissenschaftskommunikation, Wissenschaft in strukturschwächere Regionen bringen ... Aber auch kritische Fragen wurden gestellt: Wie sind die internationalen Organisationen eigentlich vernetzt? Wie arbeiten sie zusammen und wie demokratisch sind die Strukturen?

Eine Teilnehmerin fasste die gesamte Diskussion sehr gut zusammen als sie sagte, dass Organisationen der Wissenschaftskommunikation sich als eine Art Consultant/Berater sehen sollten: Welche Methoden funktionieren? Welche Kommunikationswege sind nicht effektiv? 

Für mich zeigte sich, dass diese Art der Diskussion wichtig ist. Was erwarten die unterschiedlichen Mitspieler in der Wissenschaftswelt von den Organisationen der Wissenschaftskommunikation? Was erwarten Wissenschaftler? Was erwarten Kommunikatoren? Was erwartet die Öffentlichkeit? Der Dialog muss über das #fwk15 hinaus weiter gehen.

Fishbowl Diskussion
Fishbowl Diskussion zum Thema Ungewissheit
Fishbowl Diskussion zum Thema Ungewissheit

 

Keine Angst vor Ungewissheit – warum Wissenschaftskommunikatoren mehr Nichtwissen kommunizieren sollten

Moderation: Kristin Raabe, Nationales Institut für Wissenschaftskommunikation (NaWik) gGmbH)

Prof. Dr. Nina Janich (Technische Universität Darmstadt) und Prof. Dr. Michaela Maier (Universität Koblenz-Landau) stellten ihre Forschung vor. Was passiert, wenn Unsicherheiten in wissenschaftlichen Studien kommuniziert werden? Wie wird die Wissenschaft dann wahr genommen? Experimentelle Daten belegen, dass die Kommunikation von Ungewissheit tatsächlich beim Verständnis von wissenschaftlichen Sachverhalten hilft. Zudem erklärt es ehrlich den wissenschaftlichen Prozess zum Erkenntnisgewinn und schärft den Sinn dafür, dass Ungewissheit also integraler Bestandteil der Wissenschaft selbst ist. Gleichzeitig zeigte sich kein negativer Einfluss für das Vertrauen in bzw. Interesse an der Wissenschaft. 

Diese Erkenntnis entspricht meiner persönlichen Erfahrung. Das ehrliche Darstellen des wissenschaftlichen Prozesses – und dazu gehören auch misslungene Experimente und Ungewissheit – hilft mir, das Interesse der Öffentlichkeit in Vorträgen zu gewinnen. Ich habe das Gefühl, ehrlicher, authentischer, ja letztlich glaubwürdiger wahrgenommen zu werden.

Josef Zens, mein Kollege als Gastblogger auf dem #fwk15, gab berechtigter Weise zu bedenken, dass in der Kommunikation von Ungewissheit auch eine Gefahr liegen kann. Die Lücke, die wir Wissenschaftler kommunizieren, wird sofort von falschen Propheten eingenommen, die glauben, die Welt vollständig, oder zumindest völlig anders verstanden zu haben. Sie nutzen die ehrlich kommunizierte Ungewissheit, um das Vertrauen an der Wissenschaft in der Diskussion zu erodieren. So ein Verhalten schwächt die Position der Wissenschaftler beispielsweise gegen Homöopathen und Impfgegner. Diese Bedenken sind berechtigt und müssen auf jeden Fall mitgedacht werden, jedoch überwiegen aus meiner Sicht die Vorteile einer ehrlich kommunizierten Forschung, die nicht das Prädikat „unfehlbar“ für sich beansprucht.

Ich finde, dass in der Ungewissheit gerade der Reiz der Wissenschaft liegt. Die Ungewissheit, das Nichtwissen ist es, was mich als Wissenschaftler treibt. Die Neugierde, diese Grenzen des Nichtwissens weiter zu schieben. Auch das sollte man kommunizieren. Nichtwissen nicht als Eingeständnis des Scheiterns, sondern als spannender Spielplatz der (Forschungs)möglichkeiten.

Über die Ungewissheit hinausgehend wünschte ich mir sogar einen größeren Respekt für das Scheitern in unserer Kultur – vor allem in der Wissenschaftswelt. Durch nichts lernt man so viel wie durch misslungene Versuche. "The burned hand teaches best". Diese Fehlversuche zu dokumentieren, zu kommentieren ist wichtig, damit diese Fehler nicht noch mal gemacht werden. Scheitern ist der Weg zum Erkenntnisgewinn. Wir sollten das Scheitern in unserer Kommunikation umarmen und nicht verheimlichen.

Es war wieder ein lehrreicher Tag für mich mit einem Einblick in ein für mich unbekanntes Feld. Allerdings habe ich heute wieder die Stimme der kommunizierenden Wissenschaftler vermisst. Die Wissenschaftler, die heute zu Wort kamen, waren leider eher (Zitat eines anderen Teilnehmers:) „traditionelle“ Wissenschaftler, die der Kommunikation immer noch kritisch gegenüber stehen. Diese wichtige und interessante Veranstaltung verträgt deutlich mehr kommunizierende wissenschaftliche Vorbilder. Die gibt es da draußen, glauben Sie mir.

Darum freue ich mich morgen früh um 9:00 Uhr in unserer Session „Der kommunizierende Wissenschaftler – das (un)bekannte Wesen“ unsere Begeisterung für die Wissenschaftskommunikation als Wissenschaftler darstellen zu können.


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