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Responsible … what???

23. November 2016

  • Erstellt von Ricarda Ziegler
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Bei der NUCLEUS-Konferenz 2016 wurden in Lyon die Jahresergebnisse zusammengetragen.

 

… Research and Innovation (RRI) – auf deutsch: Verantwortungsvolle Forschung und Innovation. Unter diesem Label fordert und fördert die Europäische Kommission in ihren Forschungsrahmenprogrammen (aktuell: Horizon 2020), dass gesellschaftliche Bedarfe und Interessen in Wissenschaft einfließen und sich Forschung und Innovation an den Werten und Erwartungen der Gesellschaft ausrichtet.

Dabei geht es nicht nur darum, dass ein neues, innovatives Produkt oder die Ergebnisse eines Forschungsprojekts vor dem Hintergrund ihrer Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt betrachtet werden, sondern dass der wissenschaftliche Prozess an sich mit gesellschaftlichen Akteuren (z. B. Bürgern, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Vertretern aus der Industrie etc.) gestaltet wird bzw. offen für diese ist.

Auch wenn die generelle Idee von RRI wohl von eher wenigen im Wissenschaftssystem abgelehnt wird, findet man unterschiedliche Ansichten, wenn es um das Ziel von RRI und um die ‘Operationalisierung’ des Konzepts geht - also um die Frage, wie RRI eigentlich in der Praxis aussehen soll. Während teils argumentiert wird, dass RRI sozusagen ein an sich normativ wünschenswerter Prozess ist, begründen andere die Notwendigkeit der Umsetzung von RRI damit, dass nur so gute wissenschaftliche Ergebnisse erzielt werden und damit letztendlich Antworten auf die großen gesellschaftlichen Herausforderungen gefunden werden können.

Die sechs Dimensionen von RRI

Damit verbunden ist oftmals auch die Beurteilung der sogenannten six keys von RRI, die folgende sechs Bereiche/Dimensionen umfassen: public engagement, open access, gender, ethics, science education, governance. Während Teile der Community diese six keys als hilfreiche ‘Operationalisierung’ des eher abstrakten Konzepts RRI betrachten – gerade vor dem Hintergrund der gewollten Durchsetzung von RRI als Querschnittsthema im gesamten Forschungsrahmenprogramm — , argumentieren andere, dass damit RRI auf ein ticking the boxes bei der Antragstellung reduziert wird, in dem zwar die verschiedenen Dimensionen (einzeln) adressiert werden, aber der Forschungsprozess damit nicht automatisch als RRI stattfindet.Projektbeispiele, best practice, aber sicherlich auch einige worst examples wurden dabei in den letzten Jahren in verschiedenen (EU-geförderten) Projekten zuhauf produziert und gesammelt (zum Beispiel im Projekt RRI tools unter www.rri-tools.eu). Viele der Projekte, die im letzten Jahr im “Science with and for Society”-Teil des aktuellen Forschungsrahmenprogramms Horizon 2020 gestartet sind, beschäftigen sich daher nun schon mit den Fragen eines institutionellen Wandels im Wissenschaftssystem hin zu RRI.

Wie lässt sich RRI in der Praxis anwenden? 

Eines dieser Projekte, in welchem auch WiD Partner ist, ist das Projekt NUCLEUS. Gemeinsam mit 23 weiteren Partnern aus vierzehn Ländern und von drei Kontinenten widmen wir uns seit Herbst 2015 der Frage, inwiefern sich die Governance-Strukturen von Universitäten und Forschungseinrichtungen ändern können und müssen, um RRI in der Praxis zu ermöglichen. In den ersten beiden Projektjahren arbeiten wir daran, in Field trips und auf Basis einer wissenschaftlichen Studie, für die über hundert Interviews mit führenden Wissenschaftlern und hochrangigen Vertretern von Wissenschaftseinrichtungen geführt werden, herauszufinden, welche Hürden, aber auch welche Anknüpfungspunkte es für die Implementierung von RRI im Wissenschaftssystem gibt. Diese Ergebnisse sollen dann Eingang finden in die Entwicklung einer road map für RRI, die dann in den folgenden zwei Projektjahren in unterschiedlichen Umfeldern erprobt wird.

 

Responsible Research and Innovation - unübersetzbar beim Expertenvortrag in China.

RRI von China bis Südafrika 

Besonders spannend finde ich im Projekt NUCLEUS die interkulturelle Perspektive, welche vor allem durch die Konsortiumspartner aus China (CRISP - China Research Institute for Science Popularization; BAST - Beijing Association for Science And Technology) und Südafrika (SAASTA - South African Agency For Science And Technology Advancement) eingebracht wird. Exkursionen zu den Partnern machten unter anderem deutlich, dass der Begriff Responsible Research and Innovation, der schon bei deutschen oder europäischen Wissenschaftlern oft die Frage nach sich zieht, ob sie denn bisher unverantwortliche oder verantwortungslose Wissenschaft gemacht hätten, dort eher Stirnrunzeln auslöst und kaum bekannt ist. In Gesprächen und Diskussionsrunden mit Kollegen vor Ort wurde von diesen stattdessen eher der Begriff der social responsibility von Wissenschaft und Forschung genutzt. Wobei die Frage, wem gegenüber man denn dann verantwortlich sei, unterschiedlich beantwortet werden kann: der ganzen Bevölkerung, der lokalen Community oder den Betroffenen gegenüber oder gegenüber dem Geldgeber oder der Regierung?

Auch wenn man sich ganz konkret anschaut, wie RRI dann in der Praxis aussehen könnten, wurde deutlich, dass viele Formate des public engagement oder der science education, die wir in Deutschland und Europa nutzen, auch auf anderen Kontinenten Bedeutung haben und dort doch in ganz anderen Umfeldern stattfinden: In China beispielsweise im Rahmen eines Gesetzes für science popularization oder in Südafrika vor dem Hintergrund einer sehr starken Fokussierung auf technische Innovationen und die ökonomischen Aspekte von Forschung.

Das NUCLEUS-Team im Gespräch mit Nachwuchswissenschaftlern im Zoo von Pretoria.

Open Innovation, Open Science, Open to the World

Um nicht zuletzt die Frage der richtigen und geeigneten Begrifflichkeiten zu vereinfachen oder vielleicht doch noch mehr zu verkomplizieren, wurde nun seitens der Europäischen Kommission mit den 3Os ein neues Konzept zur Beschreibung des Verhältnisses von Wissenschaft und Gesellschaft vorgelegt. EU-Kommissar Carlos Moedas präsentierte erstmals im Juni 2015 in einer Rede seine 3 Os: Open Innovation, Open Science, Open to the World. In diesem Jahr kam nun die entsprechende Publikation und beschreibt, wie Forschung - nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Digitalisierung - in Zukunft offener gestaltet werden soll und muss, sei es im internationalen Austausch zwischen Wissenschaftlern, durch Auseinandersetzungen mit Öffentlichkeit und Politik sowie nicht zuletzt durch die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. Bleibt abzuwarten, ob sich Open Science als Begriff gegen RRI durchsetzt. Und ob es uns gelingt, mit diesem Ansatz zu einem veränderten Verhältnis von Wissenschaft in der Gesellschaft - also zu einer Forschung mit der und für die Gesellschaft - beizutragen.


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