Logo Wissenschaft im Dialog Wissenschaft im Dialog

Zurück zu „Blog“ Qrss

20 Jahre WiD - Unser Ausstellungsschiff MS Wissenschaft

20. April 2020

  • Erstellt von Yannick Brenz
  • 0
  • B Wissenschaft im Dialog
Die Taufe der MS Wissenschaft: Jedes Jahr eines der Highlights von Gerold Wefer (ganz links). Foto: Wissenschaft im Dialog Array

Die Taufe der MS Wissenschaft: Jedes Jahr eines der Highlights von Gerold Wefer (ganz links). Foto: Wissenschaft im Dialog

WiD feiert Geburtstag. Vor 20 Jahren, am 12. Mai 2000, unterzeichneten Vertreter von acht Organisationen die Urkunde zur Gründung der Wissenschaft im Dialog gGmbH. Zum Jubiläum wollen wir im Gespräch mit Partnern und Wegbegleitern zurück aber auch nach vorne blicken und fragen: Wie haben sich Wissenschaft im Dialog und die Wissenschaftskommunikation weiterentwickelt, welche Themen waren damals wichtig, welche werden heute und in Zukunft im Mittelpunkt stehen. Im zweiten Beitrag spricht Yannick Brenz mit Gerold Wefer, ehemaliger Lenkungsausschussvorsitzender von WiD und einer der Väter der MS Wissenschaft.

Die MS Wissenschaft - Vom Kohletransporter zur erfolgreichen Mitmach-Ausstellung

Sie ist fast so alt wie Wissenschaft im Dialog – und bis heute eines unserer gefragtesten Angebote. Die Rede ist von der MS Wissenschaft: Ein Binnenfrachtschiff, das nicht mit Kohle, Kies oder Containern, sondern mit einer Ausstellung im Frachtraum über Flüsse und Kanäle fährt. Es bringt Wissenschaft zum Ausprobieren und Mitmachen zu den Menschen in den Städten entlang seiner Route. Seit 2002 ist das Schiff in dieser Mission unterwegs, hat in 123 verschiedenen Städten festgemacht und dabei rund 65.000 Kilometer zurückgelegt. Weit mehr als 1.5 Millionen Besucherinnen und Besucher haben die Ausstellungen, die sich jedes Jahr am Thema des Wissenschaftsjahres orientierten, gesehen. Einer der Väter des Ausstellungsschiffs ist Gerold Wefer. Yannick Brenz sprach mit dem Meeresgeologen, der von 2006 bis 2015 auch Vorsitzender des Lenkungsausschusses von Wissenschaft im Dialog war.

Herr Wefer, Sie sind einer der Väter der MS Wissenschaft. Wie entstand die Idee für das Ausstellungsschiff?

Es begann im Jahr 2002 als wir zusammen mit WiD den Wissenschaftssommer hier in Bremen veranstaltet haben. Dieses Science Festival war Teil des Wissenschaftsjahres und die Geowissenschaften im Jahr 2002 das Thema. Als einen Programmpunkt haben wir 16 Container mit unterschiedlichen wissenschaftlichen Themen gestaltet und in einzelnen Stadtteilen aufgestellt. So wollten wir die Wissenschaft zu den Bürgerinnen und Bürgern bringen. Der nächste Gedanke war: Wie können wir die Geowissenschaften auch überregional sichtbar und bekannter machen? Da ich Meeresforscher bin, kam mir die Idee ein Schiff dafür zu chartern und eine Ausstellung auf die Reise zu schicken.

Und wie findet man ein Schiff für eine solche Ausstellung?

Albert Gerdes, damals in der Öffentlichkeitsarbeit des MARUM tätig, hatte gelesen, dass die Familie Scheubner ein Binnenschiff betreibt: die MS Jenny. Wir sind nach Bingen an den Rhein gefahren und mit Karin und Albrecht Scheubner auf Probefahrt gegangen. Wir hatten schnell den Eindruck, dass die Scheubners Lust auf das Projekt hatten und die MS Jenny unsere Anforderungen erfüllen könnte. Natürlich stand auch die Frage im Raum, ob die Nutzung als Ausstellungsschiff genehmigt würde. Die Scheubners fuhren damals ja alles Mögliche – Kohle, Kies, Container – und die Jenny war nicht als Ausstellungsschiff gebaut worden. Albrecht Scheubner hatte sofort viele Ideen, etwa wo man einen zweiten Fluchtweg einbauen und den Eingang sowie die sanitären Anlagen dem Besuchsverkehr anpassen müsste. Ich habe sofort gemerkt, dass die „Chemie“ zwischen uns stimmt.

Die Eröffnung der MS Wissenschaft 2009 in Bonn. Von links: Gerold Wefer (WiD), Hans-Georg Joost (Deutsches Zentrum für Diabetisforschung), Matthias Kleiner (Leibniz-Gemeinschaft), Martin Thomé (BMBF). Foto: Lichtenscheidt / DFG
Die Eröffnung der MS Wissenschaft 2009 in Bonn. Von links: Gerold Wefer (WiD), Hans-Georg Joost (Deutsches Zentrum für Diabetisforschung), Matthias Kleiner (Leibniz-Gemeinschaft), Martin Thomé (BMBF). Foto: Lichtenscheidt / DFG

Wie ging es dann weiter?

Wir haben die Jenny dann unter dem Namen „Geo-Schiff Abenteuer Meeresforschung“ über die Flüsse und Kanäle geschickt, ausgestattet mit vielen Exponaten aus unserem Forschungsbereich. Aufgebaut wurde die Ausstellung in Hannover, mit Beteiligung und großem Engagement vieler Leute aus unserem Institut. Noch heute finden sich Teile der ersten Ausstellung auf dem Schiff, z.B. die Kabelschächte der Elektroinstallation. Insgesamt waren wir auf dieser ersten Tour in 37 Städten und hatten 117.000 Besucher an Bord. Die Leute waren begeistert.

Im zweiten Jahr hat Wissenschaft im Dialog das Konzept des Ausstellungsschiffs übernommen und zur MS Wissenschaft umgetauft. Wie gelang der Übergang?

Wissenschaft im Dialog fand das Format so attraktiv, dass der damalige Geschäftsführer Herbert Münder bei uns anfragte, ob man das Projekt weiterführen könnte und wie hoch der Aufwand wäre. Wir waren natürlich begeistert und haben einige Jahre die Fahrten auch unterstützt, u.a. bei der Fahrtplanung. Ich bin beeindruckt, dass die MS Wissenschaft immer noch fährt – trotz all der Schwierigkeiten, die in so großen Projekten über fast 20 Jahre auftreten.

Hat ihre Erfahrung auf Forschungsschiffen ihnen bei der MS Wissenschaft weitergeholfen?

Die Idee ein Binnenschiff zu chartern, kam mir als ich mir sagte: „Du bist doch Meeresforscher. Warum denkst du eigentlich immer an Container und verfrachtest die Ausstellung nicht auf ein Schiff?“ Man hätte die Exponate ja auch mit einem Lastwagen oder einem Zug auf die Reise schicken können. Tatsächlich hat die Max-Planck-Gesellschaft in einem Wissenschaftsjahr einen Zug mit Exponaten ausgestattet und durch Deutschland geschickt. Mit einem Zug ist es aber ziemlich schwierig, denn man kommt in einem Bahnhof meistens nicht auf Gleis 1.

Warum ist besonders ein Schiff für diese Form von Ausstellung geeignet?

Der Vorteil des Schiffes ist sein großer Laderaum mit etwa 600 Quadratmetern. Das ermöglicht die Gestaltung einer geschlossenen Ausstellung. Wenn sie stattdessen nur 20 Container mit jeweils 15 Quadratmetern zur Verfügung haben, entsteht schnell ein unzusammenhängendes Sammelsurium. Gleichzeitig bietet der Laderaum noch genug Platz, dass sich die Leute mal hinsetzen und bei einem Kaffee ein bisschen schnacken können. Bei einem Schiff treten aber auch Probleme auf. Ein Hafenbecken ist meistens nicht so gut angebunden wie ein Bahnhof oder ein Platz im Stadtzentrum. Und die besten Anlegeplätze sind, zum Beispiel am Rhein, bereits durch die lokale Schifffahrt belegt. Aber die Scheubners haben viel Erfahrung eingebracht, bei der Fahrtplanung und im Finden von guten Anlegern. Manchmal musste man einfach ein bisschen improvisieren. In Braunschweig wurde zum Beispiel ein Bus-Shuttle vom Stadtzentrum zum Hafen eingerichtet. Neben dem großen Raum ist sicher die Faszination eines Schiffes ein großer Vorteil. Wer war schon mal auf einem Binnenschiff? Das macht neugierig.

Gerold Wefer besucht zusammen mit Johanna Wanka, damalige Bundesministerin für Bildung und Forschung, die Ausstellung auf der MS Wissenschaft. Foto: Ilja Hendel / WiD
Gerold Wefer besucht zusammen mit Johanna Wanka, damalige Bundesministerin für Bildung und Forschung, die Ausstellung auf der MS Wissenschaft. Foto: Ilja Hendel / WiD

Was waren Ihre Highlights auf den Touren?

Ein Highlight war für mich auf jeden Fall immer die alljährliche Taufe des Schiffes, zusammen mit der Bildungs- und Forschungsministerin oder mit einer Staatssekretärin oder einem Staatssekretär. Die Politiker*innen gingen anschließend durch die Ausstellung und man hatte die Möglichkeit, politischen Entscheidungsträgern neue Forschungsthemen und -ergebnisse zu zeigen. Das Begleitprogramm war für mich auch ein persönliches Highlight. Albert Scheubner hatte an Deck ein Zelt aufgebaut, das man hoch und runter fahren konnte – um unter den Brücken durchzukommen. Dort fanden besondere Diskussionsveranstaltungen statt, ein Format das sich immer weiter entwickelt hat.

Früher richteten sich die Themen der Ausstellung nach wissenschaftlichen Disziplinen: Physik, Mathematik, Chemie und so weiter. Heute sind die Themen disziplinübergreifend. Was halten sie von dieser Änderung?

Die Wissenschaft ist komplexer geworden, das spiegeln die Themen wieder. Nehmen wir zum Beispiel das Thema Meere und Ozeane aus den Jahren 2016/2017. Meeresphysik und Meereschemie sind beteiligt mit Klimawandel und Verschmutzung der Meeres, die Geowissenschaften mit Plattentektonik und Erdbeben. Das Thema schließt auch Meeresbiologie und Fischerei sowie Sozial- und Geisteswissenschaften mit ein. Es ist wichtig, dass nicht nur naturwissenschaftliche Themen sondern auch geisteswissenschaftliche Themen und Forschungsergebnisse in die Öffentlichkeit getragen werden. Das ist bei der MS Wissenschaft auch geschehen, etwa mit den Themen „Sprache ist mehr als Worte“, „Alle Generationen in einem Boot“ über den demografischen Wandel oder „Zukunftsstadt“ und „Arbeitswelten der Zukunft“.

Die MS Wissenschaft ist nun seit fast 20 Jahren unterwegs. Ist das Format des Ausstellungsschiffs überhaupt noch zeitgemäß?

Es ist so lange zeitgemäß, wie die Leute auf das Schiff kommen. Man muss heutzutage natürlich die Online-Formaten weiterentwickeln. Aber ich bin davon überzeugt, dass etwas zum Anfassen einen großen Vorteil hat. Es liegt an uns, ob und wie wir attraktive Exponate gestalten und die Leute so für Wissenschaft begeistern können. Bei der MS Wissenschaft bin ich selbst überrascht, dass sie so lange fährt. Damit hatten wir am Anfang natürlich nicht gerechnet. Ich bin sehr zufrieden, wie sich die Ausstellungen seit der ersten Reise vor fast 20 Jahren bis heute entwickelt haben. Wir haben viel dabei gelernt.

Weitere Informationen zur MS Wissenschaft finden sich hier.

Informationen zur diesjährigen Tour gibt es auf der Website der MS Wissenschaft.


0 Kommentare

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben