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Der Journal Club als Wisskomm-Format

28. März 2022

  • Erstellt von Anna Henschel
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  • WiD-Labor
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Illustration: manfredsteger / 99 images

Handys die dumm machen, Wein, der angeblich die Lebensspanne verlängert oder unser Gehirn, was nur zu 10% ausgelastet ist – immer wieder wird man mit fragwürdigen Aussagen konfrontiert, die wissenschaftliche Studien zu Clickbait reduzieren. Wissenschaftler*innen runzeln darüber häufig die Stirn, schließlich haben sie im Laufe ihrer Ausbildung gelernt, Forschungsergebnisse kritisch zu hinterfragen. Besonders im Laufe der Corona-Pandemie wurde klar, dass auch Personen ohne solch eine Fachausbildung diese kritische Urteilskraft benötigen, um der aktuellen Berichterstattung zu folgen. Um die Qualität einer Studie beurteilen zu können, braucht es ein Grundverständnis davon, an welchen Kriterien Wissenschaftler*innen diese festmachen. Eine Möglichkeit, kritische Urteilskraft zu vermitteln, ist das Journal Club-Format in das Repertoire der Wissenschaftskommunikation aufzunehmen. 

Bei einem Journal Club kommen junge und erfahrene Forscher*innen regelmäßig in kleinen Gruppen zusammen, um einen wissenschaftlichen Artikel zu diskutieren. Alle lesen vorher den thematisierten Artikel und ein*e Teilnehmer*in fasst den Inhalt eingangs kurz zusammen. Anschließend werden die Beobachtungen und Fragen der Teilnehmenden besprochen (siehe Infografik). 

Das Format ist knapp 150 Jahre alt und ein bewährtes Mittel, sich über neue Entwicklungen zu informieren und diese mit Kolleg*innen zu besprechen. Eine systematische Review zeigt, dass der Journal Club dazu beiträgt, dass Lesegewohnheiten und Fähigkeiten, Artikel kritisch zu bewerten, verbessert werden (Deenadayalan et al., 2008). Erfolgreiche Journal Clubs haben ein klar definiertes Thema und Moderator*innen, die die Diskussion vorbereiten, leiten und auch Hintergrundinformationen geben. Ein weiterer Erfolgsfaktor, berichten Deenadayalan und Kollegen, war auch das Angebot von Snacks.


Trotz Pandemie hat sich das Format als weiterhin beliebt erwiesen, ungeachtet der Ungenießbarkeit von virtuellen Cookies. So gibt es Journal Clubs bei Twitter (zu  Nierenkrankheiten oder zur Verbreitung von Epidemien), die auch Twitter Spaces für ihre Treffen nutzen. Die Themen variieren von der Medizin bis hin zu transparenter und replizierbarer Forschung (der ReproducibiliTea wird mittlerweile in über 25 Ländern organisiert). 

Um das Format für Menschen außerhalb der Fachcommunity zu öffnen, muss man zunächst ein paar Hürden überwinden: wissenschaftliche Artikel sind oftmals aufgrund von Sprachbarrieren oder Paywalls unzugänglich und benutzen komplexe Fachtermini. Man muss das Format also zielgruppengerecht aufbereiten.

Eine konkrete Zielgruppe können Jugendliche sein, die Interesse haben, sich tiefergehend mit MINT-Themen zu beschäftigen. Hier bietet sich das Journal Frontiers for Young Minds besonders an. Bei Frontiers for Young Minds schlüpfen Kinder in die Rollen der Gutachter*innen und geben zur Verständlichkeit Feedback. In einem Artikel von Nobelpreisträger Michael Levitt wird zum Beispiel Computersimulation in der Biologie anhand einer Analogie erklärt, die für viele Kinder nachvollziehbar ist: Computerspiele.

Die Artikel bei Frontiers for Young Minds werden mit einer Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht und können verbreitet und modifiziert werden, also auch für eine deutschsprachige Zielgruppe übersetzt werden. Der ausgewählte Artikel wird zirkuliert, von einer*m Jugendlichen vorgestellt und weiterführende Fragen diskutiert. 

Aber auch andere Ansätze bieten sich an. Journal Clubs könnten Bestandteil von Citizen-Science-Projekten werden, auf Graphic Novels, Videos, Podcasts, oder Blogposts basieren oder auf ein beliebtes Thema wie künstliche Intelligenz Bezug nehmen.

Wir haben das Format letztes Jahr im Rahmen der Onlinekonsultation des Weißbuch Citizen Science bei WiD ausprobiert. Hier wurden einzelne Kapitel des Weißbuchs von den Mitgliedern des Journal Clubs bei WiD vorgestellt und anschließend kritisch im Plenum diskutiert. Der Journal Club trug zum einen dazu bei, dass die Inhalte des Weißbuchs besser bekannt gemacht wurden und zum anderen konnten die Kommentare der Diskussion direkt in die öffentliche Onlinekonsultation einfließen. 

Im Fazit: Das Journal-Club-Format eignet sich, um das Verständnis über die Prozesshaftigkeit von Wissenschaft zu stärken und Gütekriterien aus der Forschung zu vermitteln. Im besten Fall wird das (meta)wissenschaftliche Verständnis der Teilnehmenden gestärkt, Mythen und Missverständnisse über Wissenschaft abgebaut und gleichzeitig über aktuelle Forschungsergebnisse informiert. 

Quellen

  • Deenadayalan, Y., Grimmer‐Somers, K., Prior, M., & Kumar, S. (2008). How to run an effective journal club: a systematic review. Journal of evaluation in clinical practice, 14(5), 898-911.

  • Topf, J. M., Sparks, M. A., Phelan, P. J., Shah, N., Lerma, E. V., Graham-Brown, M. P., ... & Hiremath, S. (2017). The evolution of the journal club: from Osler to Twitter. American Journal of Kidney Diseases, 69(6), 827-836.


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