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Design Thinking

08. Dezember 2014

  • Erstellt von Elisabeth Hoffmann
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  • A Wissenschaftskommunikation
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Methodenwissen ist in unserem Job unentbehrlich. Oft habe ich in der letzten Zeit den Begriff Design Thinking gehört. Mein Gesprächspartner hat dann nicht selten dieses bestimmte Glänzen in den Augen. Was hat es also auf sich mit diesem Ansatz? Kann er unsere Köpfe frei machen für komplexe Fragestellungen und Aufgaben in einer komplexen, wissensbasierten Welt? Hype oder Handlungsfeld? Mal schauen, immerhin ist das Hasso Plattner Institut in Potsdam die perfekte Adresse, um das herauszufinden. Auf geht’s also zum DT Workshop im Satellitenprogramm des fwk14.

Kollaborativ statt kompetitiv

Das Hauptgebäude und seine lichtdurchflutete Infrastruktur können neidisch machen. Alles hier ist hell, teils verspielt, und offen. Barhocker statt Konferenzsessel, jede Menge Stellwände und Flächen für Graphic Recording-Charts, Bilder und Skizzen. Prof. Ulrich Weinberg begrüßt uns. Er erklärt das Konzept der HPI School of Design Thinking. Studierende seien heute kompetetiv unterwegs, weniger kollaborativ. Hier soll das anders aussehen. „Wir haben uns bewusst aus dem akademischen Bereich herausbewegt. Was wir hier tun ist akademisch komplett wertlos.“ Wer also Credits jagen will, hat hier wenig verloren. „Aber die meisten bleiben“, sagt Weinberg. Heute ziehen Studierende aus der ganzen Welt nach Potsdam, ohne hier für ihre Leistungen Noten zu erhalten.

Die Themen kommen von großen Unternehmen, die gefragt werden, was sie gerade umtreibt. Der Prozess startet immer beim Menschen, weniger bei der Technologie und Wirtschaftlichkeit. Das heißt bei der Wünschbarkeit mehr als der Machbarkeit und Vermarktbarkeit.

Design Thinking (DT) setzt auf die Leistungsfähigkeit von gemischt zusammengesetzten Teams, die optimalen Weisen aus fünf bis sechs Personen bestehen. Gearbeitet wird an speziell dafür entworfenen Stehtischen. Gut, wir lernen, dass divers und fächerübergreifend zusammengesetzte Teams gemeinsam sehr erfolgreich sind. So neu ist das nicht, aber vielleicht hat es hier eine andere Dimension?

Der iterative Prozess hat die Arbeitsweisen von Designern und Architekten zum Vorbild. „Wenn ich ein Haus für eine Familie entwickle, versuche ich erst mal, mich in die Familie hineinzuversetzen.“ Dazu muss man erst einmal den „Lösungsaparat“ im Kopf ausschalten. Erst im übernächsten Schritt wird diese Lösungsmaschine wieder eingeschaltet, wenn es über die Entwicklung von Ideen, dann Prototypen geht und diese dann in mehreren Prozessschritten getestet werden.

Nicht nur Buchstaben und Zahlen

Durch die Visualisierung werden die beiden Hirnhälften miteinander in Verbindung gebracht. Dafür braucht es entsprechende Räume.“ Im ganzen Gebäude gibt es solche Räume, für Studierende und für Professionals. („Sie sind jetzt hier im Profibereich“. Verstehe.) Wie dem auch sei: Nach Vorstellung von Prof. Weinberg sollten sich alle Universitäten in diese Richtung bewegen, weg vom konventionellen akademischen Unterricht. Dies komme auf die Hochschullandschaft auf jeden Fall zu. „In 10 Jahren werden sich die Hochschulen fragen, was sie mit diesen alten, tollen Hörsälen machen, außer Feste zu feiern“. Es gebe ja die Moocs, Vorlesungen brauche man dann nicht mehr.

Ideen klauen ist ein Muss

„Wenn jemand eine Idee hat, klau sie Dir, mach was Besseres draus.“ Ist eines der Motti des DT. Man dürfe auch scheitern, und zwar möglichst früh. Beides seien Ansätze, die in Deutschland besonders schwer durchsetzbar seien.

Das alles klingt wirklich traumhaft. Ich bin mal gespannt, wie lang es tatsächlich dauern wird, die deutschen Hochschulen auf das DT-Ideal einzuschwören, und ob dies wirklich der Königsweg sein wird. Von Faktenwissen, dem Büffeln, der Selbstdisziplin ist hier eben nicht die Rede. Noch habe ich die Antwort auf die Ausgangsfrage –Hype oder Handlungsfeld - nicht gefunden. Aber noch geht es ja an dieser Stelle hier immer noch um das Wünschbare. Und eine Welt, in der sich DT als Arbeitsweise selbstverständlich etabliert, wäre tatsächlich wünschbar. Ob sie auch in der Breite machbar ist oder doch nur ein Phänomen, das in Zukunft die Nischen für die Exoten-Kreativen der Großkonzerne füllen wird, die es sich leisten können, steht noch dahin.

Wie sieht die Arbeit im Workshop aus?

„Wir duzen uns in der D-School, ist das o.k. für Euch?“ Mit diesen Worten werden wir von unserer Teamleiterin und den vier studentischen Coachs begrüßt. Es ist o.k. Zunächst einmal praktizieren wir ein „Empathy excercise“: Wir arbeiten in Zweiergruppen und stellen jeweils den anderen der Gruppe vor. DT stellt die Menschen in den Mittelpunkt, also widmen wir die nächste Zeit der Aufgabe, uns anhand von Fotosets in eine unbekannte Person hineinzuversetzen. Meine Gruppe befasst sich mit Annette, etwa 50. Sie hat eine Katze, arbeitet halbtags in einer Berliner Behörde und engagiert sich ehrenamtlich für den BUND. Annette hat wenig Selbstbewusstsein. Das haben wir allein anhand von etwa 12 Fotos aus ihrem Umfeld herausgefunden. Nun geht es daran, eine perfekte Lernerfahrung für sie zu gestalten.

In unserer Kleingruppe Annette auf die Spur zu kommen macht Spaß. Wir haben das Gefühl, immer mehr von ihr zu verstehen. Jede von uns (fünf Frauen!) kann sich ganz gut in Annette hineinversetzen. Nun wollen wir sie mit der nächsten Aufgabe aus ihrer inneren Blockade befreien, indem wir ihr eine „perfekte Lernerfahrung“ gestalten.

Mein Fazit:

Design Thinking schafft die Köpfe frei und macht Spaß. Die Arbeit würde so mancher verhärteten Sitzung guttun und viele Prozesse weiterbringen. Unsere Ergebnisse sind ideenreich und könnten, wenn wir viel länger daran arbeiten würden, vielleicht eines Tages wirklich in Produkte oder Dienstleistungen münden.

Viele der Ansätze und Techniken, die wir hier kennengelernt haben, sind nicht so neu wie es vielleicht auf Anhieb scheint. Heute Morgen habe ich zufällig im Zug hierher einen Emeritus getroffen, der mir von seiner jahrelangen Arbeit mit Fallanalysen berichtet hat – ganz ähnlich wie bei unserer Studie über Annette. Aber die Kombination der Techniken in der offenen Umgebung setzt viel Energie frei.

Allerdings erfordern wohl nur einige unserer Aufgaben tatsächlich so viel Kreativität. Ein großer Teil meiner Arbeit jedenfalls ist auf diese Weise nicht zu schaffen. Jemand muss die E-Mails beantworten, muss nicht nur ein tolles Konzept für einen Antrag entwickeln, sondern diesen auch runterschreiben, muss die Abrechnungen machen, schnell auf Presseanfragen antworten oder in Gremien Rede und Antwort stehen. Unsere Arbeit und unsere Unis, egal wie sie sich entwickeln, werden nie ein einziger großer Design-Think-Tank werden, auch wenn es noch so schön wäre. Es ist eine Kombination von Kreativitätstools und Ansätzen zur Lösung konkreter Aufgaben wie in der Produktentwicklung. Es ersetzt aber weder Fachwissen noch Erfahrung noch Projektmanagement. Aber das hat ja hier auch niemand behauptet.

 


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