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"Freie Bürger, freie Forschung"

17. Juni 2015

  • Erstellt von Wiebke Volkmann
  • 1
  • A Wissenschaftskommunikation
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Peter Finke (Hrsg.): Freie Bürger, freie Forschung, oekom verlag München, 2015.

Peter Finke stellte sein neues Buch vor

Anfang Juni stellte Peter Finke (Hrsg.) seinen Sammelband "Freie Bürger, freie Forschung. Die Wissenschaft verlässt den Elfenbeinturm" (Oekom, 2015) im Projektzentrum Berlin der Stiftung Mercator vor. Unser Bürger schaffen Wissen-Team war dabei und berichtet von der Präsentation des Buches.

Finke war Professor für Wissenschaftsgeschichte, bevor er dem akademischen Wissenschaftssystem den Rücken kehrte und ist Autor von Büchern wie "Die Ökologie des Wissens" (2005) und "Citizen Science" (2014). Für seinen neuen Band hat er 36 Autorinnen und Autoren gebeten, unterschiedliche Aspekte der Bürgerwissenschaft, wie Citizen Science auch genannt wird, zu beschreiben. Der Leser findet darin zahlreiche Perspektiven und Aktivitäten jenseits etablierter akademischer Wissenschaft, die einen guten Überblick über ehrenamtliche Forschung und ihre Akteure versprechen und dabei angenehm kurz gehalten sind.

Ein ambitioniertes Ziel verfolgt das Buch: Es soll einen neuen Blick auf das "espritbefreite" Wissenschaftsystem werfen und neue Impulse einbringen. So jedenfalls kündigt es Uwe Schneidewind in seiner Eröffnung der Buchvorstellung an. Finke bekräftigt das Potential ehrenamtlicher, wissenschaftlicher Arbeit für die Demokratie sowie für die Freiheit und die Transdisziplinarität in der Wissenschaft. Er möchte verhindern, dass "das Thema sich erschöpft in der Ausbeutung von Bürgern als Datensammler". Zu diesem Zweck betont Finke den Nutzen und die Stärke des forschenden Bürgers und präsentiert die Bürgerwissenschaft als Hauptakteur eines grundlegenden Wandels: der Forschungswende, die das Ende des "disziplinären Zeitalters" mit seinen "isoliert forschenden Wissenschaftlern" und "immer kleinteiligeren Perspektiven" anzeigt. Von der Berufswissenschaft vernachlässigte Zusammenhänge kämen dagegen in der Citizen Science zur Geltung. "Wir leben in einem transdisziplinären Zeitalter", hält Finke fest, "aber viele haben es noch nicht gemerkt."

Ein sauberer Schnitt?

Finke trennt in seiner Präsentation prinzipiell zwischen demokratischer und gesellschaftlich relevanter Bürgerwissenschaft auf der einen und dünkelbehafteter, ihrer nutzbringenden Wirkung meist beraubten akademischen Wissenschaft auf der anderen Seite. Und so teilt er dann auch das Buch in zwei Teile. Der erste ist übertitelt mit "Die lebendige Bürgerwissenschaft", der zweite zurückhaltender mit "Die akademische Wissenschaft". Im ersten geht es um die Entwicklung und Bedeutung von Citizen Science und ihre Verortung im, bzw. außerhalb des heutigen Wissenschaftssystems. Der zweite Teil wirft einen Blick von außen auf den "Elfenbeinturm". Die diagnostizierten Problemfelder etablierter Wissenschaft werden herausgestellt: Mangel an Eigenverantwortlichkeit und Zivilcourage, Finanzierungsmöglichkeiten und dem Streben nach Macht statt Wahrheit - oder ist es gar das Fehlen von ihnen? In den knappen Sätzen, die von Finke zu diesen Themen kommen, klingt die Kritik meist absolut. Dagegen werden anhand der Beiträge die Chancen und Stärken der Citizen Science gegenüber dem Elfenbeinturm akademischer Wissenschaft ausgeleuchtet, das Wissen und Können des sogenannten Laien gegenüber dem Expertentum gestärkt.

Die kurzen Beitragsbeschreibungen Finkes und anwesender Mitautoren lassen keinen so sauberen Schnitt vermuten, wie es die Teilüberschriften und Finkes Ankündigung tun. Im zweiten Teil scheint weniger "Die akademische Wissenschaft" das Thema, als bürgerwissenschaftliche Projekte mit beabsichtigter Vorbildfunktion und Best-Practice-Beispiele für die wissenschaftliche Emanzipation des Bürgers. Nach 1½ Stunden endet die Buchvorstellung schließlich mit der grundlegenden Forderung, dass die akademische Wissenschaft "ihre Hausaufgaben mit der Demokratie" machen müsse. "Freie Bürger, freie Forschung" dürfte eine Anregung dafür bieten.

Von der Stärke des einen und der Schwäche des anderen

So könnte man es stehen lassen, wenn es in dem Buch "nur" um den Entwurf eines Ideals ginge. Doch verhandelt wird hier zulasten wissenschaftlicher Institutionen, denen grundlegende Umstrukturierungen ans Herz gelegt werden sollen. Das starke Promoting Finkes zugunsten der demokratischen Bürgerwissenschaft wirkt zu glatt, die geäußerte Kritik an der akademischen Forschung bleibt dagegen in Verallgemeinerungen stecken. Das zeigt auch die Publikumsdiskussion, die sich vielstimmig gegen die Pauschalisierungen gegenüber akademischer Strukturen verwehrt. Eine Diskussion, die leider keinen Raum erhält und zu einzelnen Statements verkürzt wurde.

Raum bekam dagegen das Buch, präsentiert von Finke und einzelnen anwesenden Autoren. Offen bleibt wie viele der übrigen Autoren in das gleiche Horn blasen wie Finke. In der großen Mehrzahl sind sie Akademiker, teilweise in der Lehre, teilweise im Journalismus und teilweise in Bürgerinitiativen tätig. Das verspricht Abwechslung und hoffentlich einen detaillierteren Blick auf das Thema, wie es die Bürgerwissenschaft und ebenso die akademische Wissenschaft verdienen. Ohne eine Podiumsdiskussion zum Buchthema und ohne einen wirklichen Austausch zwischen Publikum und Herausgeber blieb die Darstellung am Ende des Abends leider einseitig.

Wer sich selbst einen Eindruck über bürgerwissenschaftliche Projekte verschaffen möchte, kann das unter www.buergerschaffenwissen.de tun. 

 


1 Kommentare

  1. Manfred Ronzheimer am 26.06.2015

    Endlich mal was Kritisches! Danke.

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