Logo Wissenschaft im Dialog Wissenschaft im Dialog

Zurück zu „Blog“ Qrss

Kommunizierende Wissenschaftler – (nicht) von Gestern

05. Juli 2018

  • Erstellt von Susanne Kiewitz
  • 0
  • z Meinungen
1663 erstaunte Otto von Guericke das Publikum mit einem Experiment zum Luftdruck. Bild: Illustration von Caspar Schott, CC0 Array

1663 erstaunte Otto von Guericke das Publikum mit einem Experiment zum Luftdruck. Bild: Caspar Schott/Wikimedia Commons

„Forscherinnen und Forscher im Fokus der Wissenschaftskommunikation“, lautet der thematische Schwerpunkt des 11. Forum Wissenschaftskommunikation in Bonn. Festgelegt hat ihn der Programmbeirat, der aus den eingereichten Vorschlägen die Beiträge für das Tagungsprogramm auswählt.

Warum ist dieses Thema relevant? Welche Fragen ergeben sich daraus für die Diskussion beim Forum? In den nächsten Wochen kommen Mitglieder des Programmbeirats in Gastbeiträgen zu Wort. Sie erläutern ihre Perspektiven zum Schwerpunkt und erzählen von ihren persönlichen Erfahrungen aus dem Arbeitsalltag in der Wissenschaftskommunikation.

Wir starten mit dem Gastbeitrag von Susanne Kiewitz. Sie arbeitet in der Abteilung Kommunikation der Max-Planck-Gesellschaft am Standort Berlin. Im Beitrag blickt Susanne Kiewitz auf die Geschichte der Wissenschaftskommunikation zurück und folgt den Spuren von Otto von Guericke, Alexander von Humboldt und Albert Einstein – wie sie neue Formate der Wissensvermittlung erfanden und damit Pionierarbeit für die Wissenschaftskommunikation leisteten.

Kommunizierende Wissenschaftler – (nicht) von Gestern 

1663 demonstrierte Otto von Guericke die Wirkung des Vakuums in einem öffentlichen Spektaktel, das die Zeitgenossen derart beeindruckte, dass sie es in zahllosen Bildern festhielten. 16 stämmige Pferde waren nicht in der Lage, eine aus zwei eisernen Halbkugelschalen zusammengesetzte Kapsel auseinanderzureißen. Guericke hatte sie mit Teer abgedichtet und ihr mithilfe seiner neuartigen Kolben-Pumpe die Luft entzogen. Das Live-Spektakel überzeugte, ganz wie von Guericke geplant. Ihm ging es darum, den langen Gelehrtendisput, ob es in der Natur leeren Raum geben könne, durch eine praktische Demonstration mit einem Schlag zu beenden.

Ein neues Kommunikationsformat erfand auch Alexander von Humboldt. 1827/28 hielt er nicht nur an der Berliner Universität Vorlesungen über seine große Amerika-Forschungsreise, sondern bereitete das Thema auch für die breite Öffentlichkeit auf. Mit den 16 Kosmos-Vorträgen war der Wissenschaftlervortrag für interessierte Bürger geboren. Sie fanden in der neu erbauten Sing-Akademie im Zentrum Berlins statt und dauerten ähnlich wie heutige Veranstaltungen dieser Art zwei Stunden. Zielgruppe waren Berliner, die die 800 Plätze tatsächlich bis auf den letzten Platz besetzten. „Nie sah man ein so gemischtes Publikum“, lobte Wilhelm von Humboldt seinen Bruder, dessen neue Wissenschaftsreihe Stadtgespräch war.

Warum dieser Erfolg? In einer Zeit, da das Reisen gefährlich und teuer war und sich nur Abenteurer interkontinentale Fahrten in unbekanntes Terrain wagten, zählten Berichte von fremden Ländern und Menschen zu den beliebtesten Genres. Dass Humboldt persönlich aus erster Hand berichtete und sogar den Normalbürger teilhaben ließ, war eine Sensation. „Wie gern möchte ich nur einmal Humboldt erzählen hören,“ lässt Goethe eine Figur seines Romans „Die Wahlverwandtschaften“ sehnsuchtsvoll sagen. Das breite öffentliche Interesse mag umgekehrt ein Effekt der seit 1815 durchgeführten Bildungs- und Universitätsreform in Preußen gewesen sein: Immer mehr Menschen drängten nach Teilhabe am allgemeinen Wissen und den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Ein Trend mit Zukunft: 1835 wurde die Berliner Sternwarte für das Publikum geöffnet, 1888 die Berliner Urania als erstes Science Center. Orte, an denen auch Wissenschaftler auftraten, die bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts die wichtigsten Kommunikatoren blieben. Der Pressechef der 1911 gegründete Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (Vorläuferin der Max-Planck-Gesellschaft) erfand in den 1920er Jahren die Reihe „Wintervorträge“, in der Forscher - nicht nur der Kaiser-Wilhelm-Institute – neueste Erkenntnisse aus Quantenphysik, Kunstgeschichte, Genetik oder Radiochemie referierten. Das bildungsbürgerliche Publikum riss sich um die kostenfreien Eintrittskarten und pilgerte an den Berliner Stadtrand ins Dahlemer Clubhaus der KWG.

Unter den Rednern war auch Albert Einstein, Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physik. Ihm selbst waren allerdings Vorträge wichtig, die er für Menschen fern der Universitäten hielt. 1931 sprach er im Harnack-Haus für Kinder. Begeistert berichtete die Presse über die verständliche Sprache, mit der Einstein den Jugendlichen die Grundlagen der klassischen Physik nahebrachte, keine Formeln gebrauchte, aber viele Geschichten und Alltagsvergleiche. In ähnlicher Weise sprach er für den Hilfsbund für gebildete Frauen und Mädchen. Und unter dem Titel „Was der Arbeiter über die Relativitätstheorie wissen muss“, brachte Einstein sein Hauptwerk Schülern der Marxistischen Arbeiterschule nahe. Ebenso wenig wie Menschen mit geringerem Bildungsniveau scheute Einstein die neuen Medien, wie sein Radioauftritt auf der siebten deutschen Funkausstellung 1930 in Berlin bis heute dokumentiert.

Ähnlich wie bei Humboldt dürfte auch Einstein die Menschen angezogen haben. Indem der Zuhörer den Forscher hautnah erlebte, und seinen Gedanken und Taten, die die tiefsten Geheimnisse der Natur aufzuschließen vermochten, folgte, erhielt auch der Hörer Zugang zu diesen.

Dabei präsentierten Humboldt und Einstein ihre Wissenschaft, wie vor ihnen Otto von Guericke, nah am Publikum. Während Guericke komplexe physikalische Phänomene im Bild der aller äußeren Kräfte widerstehenden Vakuumkugel symbolhaft vereinfacht hatte, simplifizierte Einstein, indem er eine allgemein verständliche Sprache benutzte. Sich auf das Niveau von Laien zu begeben, speiste sich sowohl bei Einstein als auch bei Humboldt aus einem tiefen Aufklärungsinteresse und einem gelebten Humanismus. Humboldt agierte dabei ganz im Sinne des neuen Bildungsideals seines Bruders Wilhelm. Dieser verlieh der akademischen Bildung einen nie gekannten Wert als Mittel zur individuellen Persönlichkeitsentwicklung und wurde Grundlage des deutschen Universitätssystems.

 


0 Kommentare

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben