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„Man muss ja nicht immer von getrennten Sphären ausgehen.“

27. März 2019

  • Erstellt von Ursula Resch-Esser
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  • B Wissenschaft im Dialog
  • A Wissenschaftskommunikation
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Foto: privat

 

„Wissenschaft trifft Kunst“ lautet der thematische Schwerpunkt des 12. Forum Wissenschaftskommunikation in Essen. Festgelegt hat ihn der Programmbeirat. Was steckt dahinter und welche Erwartungen haben die Mitglieder an das Forum? Wir haben bei Ann-Christin Bolay, Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, nachgefragt. Ein Gespräch über unterschiedliche Freiheiten in Kunst und Wissenschaft, über ein Virtual Reality-Projekt und 360°-Panoramen à la Yadegar Asisi.

Frau Bolay, warum ist es wichtig, in der Wissenschaftskommunikation über das Thema „Wissenschaft trifft Kunst“ zu reden?

Wissenschaft und Kunst werden oft in einem Atemzug genannt, aber man verständigt sich zu wenig darüber, welche Verbindungen es gibt. Es gibt erste Ansätze, aber ich habe den Eindruck, dass es in der Wissenschaftskommunikation nicht verbreitet ist, sich auch mit künstlerischen Positionen auseinanderzusetzen und zu schauen, in welchen Bereichen sich Wissenschaft und Kunst überschneiden, welche Initiativen es dort gibt und welche Projekte.

Warum sollte Wissenschaftskommunikation das tun?

Weil es relativ viele Gemeinsamkeiten gibt. Der schöpferische Prozess, in neue Gebiete vorzudringen, Neues zu entdecken und Neues zu schaffen, ist für die Forschung zentral und drückt sich auch in allen Bereichen der Kunst aus. Aber es gibt auch Unterschiede, etwa beim Begriff der Freiheit, die ja Wissenschaft und Kunst laut Artikel 5 des Grundgesetzes miteinander teilen. Ich glaube, dass man in Kunst und Wissenschaft von ganz unterschiedlichen „Freiheiten“ spricht. Die Kunst kann viel subjektiver sein und offener in ihren Deutungen. Die Wissenschaft orientiert sich dagegen an belegbaren Ergebnissen und an Überprüfbarkeit. Die Gemeinsamkeiten und auch die Unterschiede fruchtbar zu machen, könnte für die Wissenschaftskommunikation attraktiv sein.

Welche Projekte, die Kunst und Wissenschaft verbinden, haben Sie in letzter Zeit besonders beeindruckt?

Sehr beeindruckt hat mich ein Projekt der kanadischen Filmkünstlerin Kalina Bertin. Sie hat die manisch-depressive Erkrankung ihrer Geschwister zum Anlass genommen, eine VR-Umgebung zu schaffen, durch die Zuschauer in die Erlebniswelt der Erkrankten eintauchen können. Natürlich ist damit die Erkrankung nicht vollständig abgebildet. Aber das Projekt schafft für Außenstehende einen ganz neuen Zugang. Und es sind neueste Technologien, die das überhaupt erst ermöglichen. Ein anderes Beispiel ist das Pergamon-Panorama von Yadegar Asisi, das auf Basis akribischer Recherchen in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern entstanden ist. Man kann in dieses „Wimmelbild“ eintauchen und wissenschaftliche Erkenntnisse auf eine ganz emotionale, fast unmittelbare Art erfahren.

Welche Rolle spielt Kunst bei der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften?

Am wichtigsten ist sicher unser Salon Sophie Charlotte, in dem wir Wissenschaftler und Kunstschaffende zusammen und miteinander ins Gespräch bringen. In diesem Jahr lautete das Thema „Maß und messen“. Studierende der Beuth Hochschule für Technik haben dazu einen „Infinity Spiegel“ gebaut, um so das Nicht-Messbare, das Unendliche künstlerisch darzustellen. Gleichzeitig sprach im Leibniz-Saal der Astrophysiker Matthias Steinmetz über die Unendlichkeit des Universums. Das sind zwei Beispiele für Positionen ganz unterschiedlicher Art, die sich aber mit demselben Thema befassen. Außerdem waren Musiker und Autoren dabei, die sich mit dem Messbaren und Nicht-Messbaren des Menschen auseinandergesetzt haben. Auch unser Jahresthema arbeitet mit künstlerischen Ansätzen und Positionen. Ganz besonders in diesem – und dem nächsten Jahr – in dem wir, ausgehend von Alexander von Humboldts „Naturgemälde“, über die enge Beziehung von Repräsentation und Interpretation von Naturphänomenen in Wissenschaft und Kunst nachdenken.

Welche Wünsche haben Sie an das Forum Wissenschaftskommunikation?

Es wäre schön, wenn es dem Forum gelänge, Menschen aus Kunst, Wissenschaft und Wissenschaftskommunikation miteinander ins Gespräch zu bringen. Vielleicht sollten wir dabei nicht nur nach dem Gemeinsamen suchen und danach, wie beide Bereiche voneinander profitieren können. Vielleicht sollten wir auch danach fragen, wo sind die Punkte, an denen beide Bereiche aufeinanderprallen und wo durch die Kollision vielleicht etwas Neues entsteht. Spannend wäre auch, Personen ausfindig zu machen, die gleichzeitig in Kunst und Wissenschaft arbeiten. Man muss ja nicht immer von getrennten Sphären ausgehen.

Dr. Ann-Christin Bolay

Ann-Christin Bolay leitet seit August 2018 die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Zuvor war sie beim Verlag Matthes & Seitz Berlin und im Literaturbüro Freiburg tätig. Ann-Christin Bolay hat Germanistik, Geschichte und Kunstgeschichte an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg studiert und promovierte im Sonderforschungsbereich 948 „Helden – Heroisierungen – Heroismen".

Das 12. Forum Wissenschaftskommunikation findet vom 10. bis 12. Dezember 2019 in Essen statt. Auf www.forum-wissenschaftskommunikation.de finden Sie die Informationen zum Schwerpunktthema „Wissenschaft trifft Kunst“ und zum themenoffenen Call for Proposals. Der Call for Proposals ist bis einschließlich 10. April 2019 offen.


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