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Mehr von der AAAS 2017: Prozesse kommunizieren, bildungsferne Gruppen nicht vergessen und (wieder) der Science March

23. Februar 2017

  • Erstellt von Markus Weißkopf
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AAAS 2017 in Boston. Foto: Markus Weißkopf Array

AAAS 2017 in Boston. Foto: Markus Weißkopf

Nach einer eindrucksvollen Kavli-Preisverleihung am Freitagabend im Fenway Park, dem Stadion der Boston Red Socks (mit einem Preis für Christoph Schrader für einen Bericht über die Forschung der WiD-Lenkungsausschussvorsitzenden Antje Boetius), ging es am Samstag mit spannenden Sessions weiter.

Die Kavli-Preisverleihung am Freitagabend fand im Fenway Park, dem Stadion der Boston Red Socks statt. Foto: Markus Weißkopf
Die Kavli-Preisverleihung am Freitagabend fand im Fenway Park, dem Stadion der Boston Red Socks statt. Foto: Markus Weißkopf

Die Kavli-Preisverleihung am Freitagabend fand im Fenway Park, dem Stadion der Boston Red Socks statt. Foto: Markus Weißkopf

Dabei zog sich vor allem das Thema „Prozesse und die soziale Dimension von Wissenschaft kommunizieren“ wie ein roter Faden durch mein Programm. So betonte schon morgens um 10 Uhr in der Session „Science Communication for the Public Good“ die Wissenschaftsredakteurin Heather Goldstone (WCAI), dass wir gerade Kindern und Jugendlichen mehr darüber erzählen müssen, wie Wissenschaft eigentlich funktioniert und auch wer dahintersteckt. „We need to tell stories about the process of the science and the people behind the science” In dem Zuge nannte sie Citizen Science als eine gute Möglichkeit, dies zu tun. 

Nicht nur Ergebnisse, auch Prozesse vermitteln

Dass die Kommunikation der „Prozessdimension“ von Wissenschaft auch empirisch nachweisbar einen Effekt hat, zeigen erste Ergebnisse von Joanna Huxster (Bucknell University, Lewisburg, PA).

Es wurde immer wieder gezeigt, dass mehr Scientific Literacy oft einen eher negativen Effekt auf Vertrauen in die Wissenschaft, gerade bei kontroversen Themen, hat. Daher untersuchte Joanna, ob sich dies ändert, wenn man sich weniger auf die Vermittlung von Ergebnissen, sondern eher auf die von Prozessen konzentriert. Und ja, bisher noch an relativ kleinen Stichproben (n=287) konnte sie einen positiven Effekt nachweisen. Dieser gilt anscheinend wohl eher für Demokraten als für Republikaner, aber immerhin sank bei denen das Vertrauen durch die Maßnahmen nicht... Als „Discussant“ in derselben Session kam dann noch Dietram Scheufele zu Wort, der zunächst darauf verwies, dass trotz all der Erkenntnisse das Defizitmodell immer wieder wie ein Zombie um die Ecke komme und damit nochmal unterstütze, dass die bisherige Fokussierung auf scientific literacy zu kurz greife. 

Also, erste Take-Home-Message: Nicht nur auf die Ergebnisse konzentrieren, sondern auch auf die Wege, Geschichten und Personen, die zu den Ergebnissen führen!

Bildungsferne Gruppen ansprechen

Ein weiteres Thema, das aus meiner Sicht wichtig ist, sprach Dietram Scheufele ebenfalls an: Die bisher weitgehende Missachtung der „underprivileged groups“ in der Wissenschaftskommunikation. Nicht mal 10 % derjenigen, die weniger als einen High-School-Abschluss haben, gehen laut NSF-Report 2010 einmal im Jahr in ein „Science and Technology Museum“. Dagegen sind es bei College-Absolventen über 35 %. Eine Tendenz, die in Deutschland ebenfalls zu beobachten ist. Hier haben z. B. 55 % derjenigen mit Abitur im letzten Jahr ein Wissenschaftsmuseum besucht und nur 27 % derjenigen mit Haupt- und Volksschulabschluss (Wissenschaftsbarometer, Seite 58).

Zweite Take-Home-Message ist somit: Nicht nur nach den „low-hanging-fruits“ greifen – es ist wichtig, auch diejenigen, die schwer zu erreichen sind, mitzunehmen.

Für Wissenschaft auf die Straße gehen

Stand up for science – die Rally auf dem Copley Square in Boston. Foto: Markus Weißkopf
Stand up for science – die Rally auf dem Copley Square in Boston. Foto: Markus Weißkopf

Stand up for science – die Rallye auf dem Copley Square in Boston. Foto: Markus Weißkopf

Und natürlich ging es auch im weiteren Verlauf immer wieder um den Science March. Der Wissenschaftsjournalist Miles O´Brien hatte dazu eine klare Botschaft: “It's time to get out on the streets and start shouting for what is right” sagte er in der Session “Science Communication for the Public Good”.

Dem folgten dann gleich ein paar Hundert – ich hatte den Eindruck, es waren deutlich mehr als tausend - Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Sonntag bei der #standupforscience – Rally auf dem Copley Square in Boston. Dort sprach dann nochmal Naomi Oreskes und ging zunächst auf den Vorwurf ein, der March for Science würde Wissenschaft unnötig politisieren: "It is not political to defend the integrity of facts" erklärte sie und erntete viel Beifall der Anwesenden. 

Für mich wurde auf der Rallye noch einmal deutlich: Egal, ob das nun politisch klug ist oder nicht: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich mehr und mehr Gedanken darüber machen, warum das, was sie tun, wichtig für die Gesellschaft ist, und das dann auch nach außen tragen, sind ein absoluter Gewinn.


1 Kommentare

  1. Wolfgang Chr. Goede am 23.02.2017

    Danke, Markus, für diesen dichten Bericht. Gut dass Wissenschaft bei AAAS/Boston auf die Straße geht und ein Zeichen setzt!

     

    Ich bin immer wieder erstaunt, dass dort, wo Wissenschaft zusammenkommt, so viele Binsen produziert werden. Ist es seit Jahren nicht akzeptiert, dass besonders auch die Prozesse um die Entstehung neuen Wissens und seiner Verwertung thematisiert werden müssen? Und das dies besonders auch unter sozialen Gesichtspunkten gilt, wer wovon Nutzen hat, wie mehr Menschen an Wissenschaft teilhaben können, auch mit ihrer Kritik daran.

     

    Wissenschaft kommt immer noch häufig daher wie der alte Obrigkeitsstaat. Der glaubte auch, es gebe nur seine Wahrheit. Die Angst vor der Politisierung von Wissenschaft ist Ausdruck davon. Forschung, die Zuteilung von Geldern und Auswahl der Projekte sowie die Interpretation der Ergebnisse, auch im Lichte der ökonomischen Interessen dahinter, ist hochpolitisch -- siehe die jahrzehntelange Auseinandersetzung über den Treibhauseffekt, von Trump neu entfacht.

     

    schöne Grüße nach Boston aus Medellín in Kolumbien

    Wolfgang

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