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Nachgefragt – bei André Lampe

16. September 2015

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Der Science Slammer André Lampe während eines Auftritts. Array

André Lampe ist Science Slammer, Moderator und Forscher im Bereich der Hochauflösungsmikroskopie. Foto: brain@sports foundation

Herzlich willkommen zur fünften Ausgabe von „Nachgefragt”. In dieser Reihe wollen wir in loser Folge Menschen vorstellen, die in der Wissenschaftskommunikation arbeiten. Dazu haben wir einen Fragebogen entwickelt – und unsere Interviewpartner gebeten, uns Rede und Antwort zu stehen: mal ernsthaft, mal mit einem Augenzwinkern.

Heute im Gespräch: der Science Slammer, Moderator und Wissenschaftler André Lampe.

Nachgefragt – bei André Lampe

Ein guter Kommunikator braucht…?

… Spaß. Ohne Freude an der Sache geht es nicht. Ansonsten eigentlich nichts –  ein bisschen Rampensau sein ist ein Plus, aber definitiv keine Voraussetzung.

Was hat Sie dazu bewogen, in der Wissenschaftskommunikation zu arbeiten?

Ich habe sehr lange gebraucht um festzustellen, dass ich in der Wissenschaftskommunikation arbeite. Weil ich Lust drauf hatte, habe ich angefangen als Student populärwissenschaftliche Vorträge zu halten. Ich fuhr zu Science Slams, weil das spannend klang; ich habe Menschen beigebracht wie Science Slam geht, weil das eine gute Idee war. Ich fing an zu bloggen, weil mich jemand nett gefragt hat; und ich habe eine Wissenschaftssendung im Fernsehen moderiert, weil – ganz im Ernst, wenn jemand dich anruft und fragt, ob er eine Sendung mit dir machen kann, sagst du nicht „nein”. Irgendwann habe ich festgestellt, dass das auch alles Arbeit ist und dass man das wohl als Wissenschaftskommunikation bezeichnet. Irgendwo dazwischen habe ich mir gedacht, dass es sich doch wohl für die Wissenschaft gehört nach außen zu tragen, was sie den ganzen Tag so treibt, schließlich ist Wissenschaft zum großen Teil steuerfinanziert.

Ihr Arbeitsalltag in drei Schlagworten?

Doktorarbeit-schreiben-und-mit-Hilfe-von-Bindestrichen-ein-zusammengesetztes-Wort-schaffen-welches-darauf-hinweisen-soll-dass-man-mich-buchen-kann-schließlich-bin-ich-nicht-bei-irgendwem-als-Kommunikator-angestellt-ich-mache-das-halt-und-würde-dafür-auch-Geld-nehmen-wenn-jemand-was-übrig-hat-dafür, schwimmen, lesen.

Was war Ihr schönstes Erlebnis als Kommunikator?

Das ist sehr schwer zu sagen, mir fallen da wirklich viele schöne Momente ein. Bei unserer Sendung TM Wissen hat sich zum Beispiel einmal ein pensionierter Physiker gemeldet. Er meinte, dass er schon jahrelang kein Buch angefasst habe und unsere Sendung ihn jetzt dazu gebracht hat sich mit alten Kollegen zu treffen, gemeinsam zu rechnen und eine Exkursion ans CERN in Angriff zu nehmen. Das hat mich sehr bewegt.

Was war Ihr größtes Kommunikationsdesaster?

Geteilter erster Platz: Der Schriftwechsel 2014 mit meiner Krankenkasse und ein Interview vor der Kamera mit einem Wissenschaftler, den ich mit „Bernd“ angesprochen habe, obwohl er „Peter“ hieß (Namen geändert, weil es dem Autor immer noch sehr peinlich ist).

Welche Ihrer Eigenschaften stört Sie im Arbeitsalltag am meisten?

Ich kann mich nicht zwischen Starrköpfigkeit, meinem Hang zu kreativer Zeichensetzung und eichhörnchengleicher Ablenkbarkeit entscheiden – aber all diese Dinge sorgen dafür, dass ich kaum zu einem Arbeitsalltag komme.

Mit welcher (historischen) Person würden Sie gerne essen gehen?

Karl Ranseier

Ihre Lieblingswissenschaft?

Gibt es nicht. Ich hätte noch vor nicht allzu langer Zeit die Physik genannt, aber das nur, weil ich Physik studiert habe. Mittlerweile ärgere ich mich über die Gräben zwischen den Disziplinen. Ich würde mir eine Welt wünschen, in der eine Physikerin, ein Biologe, ein Soziologe und eine Philosophin an einem Tisch sitzen und auf Augenhöhe miteinander sprechen können, ohne die oder den Anderen als blöd oder die entsprechende Disziplin als weniger wert als die eigene anzusehen. Das ist zurzeit eher die Ausnahme als die Regel, und das betrübt mich.

Welches Forschungsthema würden Sie äußert ungern kommunizieren?

Ich würde niemals sagen, dass ich über ein Thema nicht kommunizieren wollen würde. Wenn man gut vorbereitet ist, kann man auch alles kommunizieren. Ich bin froh darüber, dass die Frage nicht „zeitnah“ oder etwas Ähnliches beinhaltet. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob ich genauso auf diese Frage antworten würde, wenn ich bei einem Institut oder einer Einrichtung für die Kommunikation verantwortlich wäre. Das ist dann wohl die positive Seite von „Hey, ich erzähle euch mal was aus der Wissenschaft“ im Gegensatz zu „Hey, ich erzähle euch mal was aus der Wissenschaft bei XY“. Das liegt nah an dem Themenbereich, über den Markus Weißkopf hier vor nicht all zu langer Zeit mal gebloggt hat.

Ohne Hindernisse wie Geld oder Zeit: Welches Projekt würden Sie gerne umsetzen?

Als Kommunikator: Eine imposante Bühnenshow über Wissenschaft mit Experimenten, eingängigen Erklärungen und interessanten Diskussionen, zusammen mit einigen lieben Kolleginnen und Kollegen aus der Wissenschaft.
Als Wissenschaftler: Bemannte Raumfahrt zu Asteroiden, den inneren Planeten unseres Sonnensystems und zu den Monden von Jupiter und Saturn, wobei ein Mikroskop verpflichtend zu jeder Mission dazu gehört.
Einfach nur so: Einen Roman über einen fast vergessenen Orden von farbenblinden Kreuzworträtselkästchenschwärzern schreiben.

In welchem Bereich würden Sie gerne arbeiten, wenn nicht in der Wissenschaftskommunikation?

Eigentlich bin ich ja Wissenschaftler, der eben auch kommuniziert. Das fühlt sich für mich gerade nach einer unschlagbaren Mischung an. Ansonsten haben Bühne, Kamera oder die schreibende Zunft für mich schon einen großen Charme, aber ich könnte mich wohl nie davon lösen, dort dann auch irgendwie über Wissenschaft zu reden.

Wissenschaftskommunikation im Jahr 2030 macht …?

… hier in Deutschland immer noch nicht alles richtig, bekommt zunehmend Probleme mit Angeboten aus dem englischsprachigen Raum, kann aber vereinzelt durch unterhaltsame, neue Ideen überzeugen. Ich bin da gerne pessimistisch und ein Freund von Dystopien, um dann später darüber glücklich zu sein, dass ich unrecht hatte. Die aktuellen Entwicklungen in der Wissenschaft selbst - was Open Access, Citizen Science oder Peer Review angeht - sind so schwer vorherzusagen, dass ich mir noch nicht mal eine ernsthafte Schätzung für 2020 zutrauen würde.

Was halten Sie für die größte Errungenschaft der Wissenschaftsgeschichte?

Spontan würde ich da den Autor Terry Pratchett zitieren: „Die Modelle der Wissenschaft sind nicht wahr, und eben darum sind sie nützlich. Sie erzählen einfach Geschichten, die unser Geist erfassen kann. Es sind Lügen-für-Kinder, einfach Geschichten für den Unterricht und darum keinen Deut schlechter. Der Fortschritt der Wissenschaft besteht darin, dass immer klügeren Kindern immer überzeugendere Lügen erzählt werden.“ Den Gedanken in der Wissenschaft, ein Modell zu haben, etwas einfaches, heruntergebrochenes, um einen komplexen Sachverhalt zu untersuchen, zu erklären und zu verstehen, halte ich für die größte Errungenschaft. Um den Punkt deutlicher zu machen, einfach mal ein Beispiel aus der Physik: Bei einer Rechenaufgabe in der Schule soll die Geschwindigkeit eines Pferdes ausgerechnet werden. Es sind einige Werte gegeben, unter anderem die Masse des Pferdes, jedoch mit keinem Wort wie diese Masse über das Pferd verteilt ist. Ein Pferd als einen Massenpunkt ohne Ausdehnung anzunehmen, ist eine ziemlich dicke Lüge, aber in diesem Fall eine verdammt gute Näherung.

Wie haben Sie sich als Kind die Zukunft vorgestellt?

Ein bisschen wie eine Mischung aus Star Trek, Star Wars, Lego Weltraum und den Galaxy Rangers. Alle Probleme der Menschheit würden irgendwann durch Wissenschaft, Technik und ein paar Helden gelöst werden. Durch meinen Zivi im Rettungsdienst und meine ehrenamtliche Tätigkeit im Katastrophenschutz hat sich diese Vorstellung grundlegend gewandelt. So sehr auf dem Holzweg gewesen zu sein, schmerzt den kleinen Jungen in mir immer noch.

Wie bekommen Sie bei Stress am besten Ihren Kopf frei?

Das kommt sehr auf den Stress an. Mal hilft eine Runde Computer spielen (KSP, X-COM), mal ein paar YouTube Videos, häufig Let's Plays von Gronkh oder Scott Manly. Ab und zu gehe ich spazieren, manchmal mit PodCast in den Ohren, manchmal ohne. Wenn viel Stress anliegt, dann geht nichts über Freunde und Familie: treffen, hinsetzen und quatschen.

Kollegen helfe ich gerne bei…/Ich stehe gerne Rede und Antwort zu…?

Meine Kolleginnen und Kollegen sind sowohl Wissenschaftler als auch Wissenschaftskommunikatoren, und ich fasse darunter alle zusammen, die in diesen Bereichen arbeiten – mir bleibt da nichts anderes übrig. Ich bin immer bemüht, zwischen diesen beiden Welten zu vermitteln, und in der Tat sind das manchmal sehr unterschiedliche Sichtweisen. Daher mag ich es, die Kolleginnen und Kollegen aus der Wissenschaft zur Kommunikation zu bringen und bemühe mich sehr, dabei zu helfen. Kommunizierende Wissenschaftler sind im deutschsprachigen Raum seltene Wesen - besonders die, die gerne Otto-Normalverbraucher erreichen wollen. Und genau dazu stehe ich jederzeit und immer gerne Rede und Antwort, nicht nur gegenüber Kollegen. Ach ja, und über Mikroskope erzähle ich auch gerne. Mehr über kommunizierende Wissenschaftler, was sie so machen und welche Unterstützung sie gebrauchen könnten, kann man übrigens beim Forum Wissenschaftskommunikation in der Session „Der kommunizierende Wissenschaftler, das (un)bekannte Wesen“ erfahren, die ich moderieren werde.

Wem würden Sie den Fragebogen gerne schicken und welche Frage würden Sie ihm/ihr gerne stellen?

Da würden mir gleich mehrere einfallen. Nicolas Wöhrl würde ich fragen, wie er es schafft, seine Motivation für Forschung und Kommunikation so bemerkenswert hoch zu halten. Von Björn Brembs würde ich gerne wissen, was Social Media und Outreach für Vorteile für einen Professor haben können. Von manch einer oder einem würde ich gerne wissen, ob sie oder er wirklich alles ernst meint, was man so lesen kann, besonders wenn ich mir Beiträge zur „Demokratisierung der Wissenschaft”, Science Hacking oder Citizen Science anschaue, aber da nenne ich lieber keine Namen und lasse den geneigten Leser auch beim Kontext im Dunkeln - in der Hoffnung, dass gegoogelt wird.

André Lampe

...ist Science Slammer, Moderator und Forscher im Bereich der Hochauflösungsmikroskopie. Bevor er 2010 zum ersten Mal an einem Science Slam teilnahm, stand André Lampe bereits als Poetry Slammer und als Lesebühnenautor auf der Bühne. Seit Oktober 2013 ist er Moderator der Sendung “TM Wissen” des österreichischen Fernsehsender ServusTV. Für die Wissenschaftskommunikation engagiert sich André Lampe auch im Siggener Kreis. André Lampe promoviert an der FU Berlin und dem Leibnitz-Institut für molekulare Pharmakologie im Bereich der Hochauflösungsmikroskopie. Unter anderem darüber schreibt er in seinem Blog „Die kleinen Dinge”. Er twittert als @andereLampe.

In unserer Reihe Nachgefragt

... stellen wir in loser Folge Menschen vor, die in der Wissenschaftskommunikation arbeiten. Mit 17 Fragen - und 17 Antworten, mal ernsthaft, mal humorvoll.

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