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Nachgefragt bei Harald Wilkoszewski

24. Mai 2023

  • Erstellt von Simon Esser
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Foto von Harald Wilkoszewski Array

Dr. Wilkoszewski arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter und später als Forschungsgruppenleiter an verschiedenen Einrichtungen in Deutschland und Frankreich, und als Leiter Kommunikation für das Netzwerk Population Europe in Brüssel, bevor er an das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung wechselte. Foto: David Ausserhofer/WZB

In der Reihe "Nachgefragt" stellen wir in loser Folge Menschen vor, die in der Wissenschaftskommunikation arbeiten. Mit 17 Fragen - und 17 Antworten, mal ernsthaft, mal humorvoll.

In der vierundachtzigsten Ausgabe sprechen wir mit Dr. Harald Wilkoszewski. Harald Wilkoszewski ist promovierter Sozialwissenschaftler und konzentrierte sich als Forscher und Berater auf die Themen Bildung, Arbeitsmarkt, soziale Sicherungssysteme und intergenerationale Gerechtigkeit. Seit 2017 ist er Abteilungsleiter Kommunikation und Pressesprecher am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und war 2021 als Forschungssprecher des Jahres nominiert.

1. Ein*e gute*r Kommunikator*in braucht…?

… bei aller schnellen Reaktionsfähigkeit, die nötig ist: Besonnenheit. Und einen guten Umgang mit Sprache, Freude am Reden und vor allem am Zuhören. Humor hilft auch. Und persönliche Zurückhaltung. Wir bereiten den Forschenden die Bühne.

2. Was hat Sie dazu bewogen, in der Wissenschaftskommunikation zu arbeiten?

Irgendwann nach meiner Promotion stellte ich fest, dass mein wahres Talent in der Kommunikation von Wissenschaft und nicht in ihrer Produktion liegt.  

3. Ihr Arbeitsalltag in drei Schlagworten?

What is Arbeitsalltag? (frei nach Violet Crawley)

4. Was war Ihr schönstes Erlebnis als Kommunikator*in?

Das war in meiner frühen Zeit als kommunizierender Forscher. Ich war eingeladen, auf einer Gewerkschaftsveranstaltung in Erfurt zu sprechen, über die höhere Lebenserwartung und die sozialpolitischen Schlussfolgerungen daraus – kein leichtes Thema. Der Saal war proppenvoll, die Luft zum Schneiden. Skepsis, ja sogar Ablehnung schlug mir aus dem Publikum entgegen. „Der will uns nur erzählen, dass wir länger arbeiten sollen,“ las ich aus den Gesichtern. Als ich dann erklärte, wie uns die Alterung ganz persönlich betrifft, dass etwa die Hälfte der bereits heute geborenen Mädchen, also die Töchter und Enkelinnen der Anwesenden, eine gute Chance haben, 100 Jahre alt zu werden – da wechselte plötzlich die Stimmung hin zu interessierten Fragen, wie wir den Lebensverlauf nachhaltig umbauen können. Das macht mir bis heute Mut.

5. Was war Ihr größtes Kommunikationsdesaster?

Als eine Minute vor Beginn einer wichtigen Veranstaltung, die ich in Brüssel organisiert hatte, von den 50 erwarteten Gästen genau 0 anwesend waren, und mich mein Chef, die beiden Vortragenden, der Caterer und der Fotograf entgeistert anschauten. Es stellte sich heraus: Verkehrschaos in der Brüsseler Innenstadt, die Metro war ausgefallen. Mit halbstündiger Verspätung und einem vollen Saal starteten wir dann doch.

6. Welche Ihrer Eigenschaften stört Sie im Arbeitsalltag am meisten?

Ich habe ein gutes Auge für Details. Aber manchmal muss man ein Auge zudrücken, und das fällt mir nicht immer leicht.

7. Mit welcher (historischen) Person würden Sie gerne essen gehen?

Mit der Mutter meines Vaters. Leider habe ich sie nie kennengelernt, da sie früh starb. 1900 geboren beherrschte meine Großmutter sieben Sprachen und gründete ihre Familie für die damalige Zeit extrem spät, nachdem sie beruflich unabhängig war. Eine Rebellin – und, wie man erzählt, eine tolle Gastgeberin. Ein gemeinsames Essen mit ihr würde mich wirklich glücklich machen.

8. Ihre Lieblingswissenschaft?

Mein Herz gehört der Politikwissenschaft und der Demografie.  

9. Welches Forschungsthema würden Sie äußerst ungern kommunizieren?

Da fällt mir offen gesagt keines ein, solange keine ethischen Standards verletzt werden.

10. Ohne Hindernisse wie Geld oder Zeit: Welches Projekt würden Sie gerne umsetzen?

Ein Journalist-in-Residence-Programm für alle wissenschaftliche Einrichtungen in Deutschland.

11. In welchem Bereich würden Sie gerne arbeiten, wenn nicht in der Wissenschaftskommunikation?

Meine drei Berufswünsche aus der Kindheit waren: Pilot, Künstler und Journalist. Mittlerweile fahre ich lieber Bahn, und als Kommunikator bin ich nah dran am Journalismus. Also: Künstler. Manchmal schreite ich sogar zur Tat.

12. Wissenschaftskommunikation im Jahr 2030 ist …

… fester Bestandteil des Selbstverständnisses von Forschenden und wird vom Wissenschaftssystem bei Karriereentwicklung und Forschungsförderung entsprechend gewürdigt.

13. Was halten Sie für die größte Errungenschaft der Wissenschaftsgeschichte? 

Der Superlativ macht die Frage schwierig. Doch was mich tief beeindruckt, wie bestimmt viele andere auch, ist die Geschichte von Ada Lovelace. In den 1840er Jahren schrieb sie das erste Computerprogramm der Welt. 

14. Wie haben Sie sich als Kind die Zukunft vorgestellt?

Ich wuchs auf dem Land auf, nicht weit von München. Meine Kindheit war geprägt von Weite, Natur und Tieren. Wahrscheinlich deshalb stellte ich mir damals die Zukunft immer urban vor, mit futuristischen Gebäuden und Flugtaxis.

15. Wie bekommen Sie bei Stress am besten Ihren Kopf frei?

Auf dem Fahrrad vom Büro nach Hause. Oder ein Abend zu zweit bei meinem Lieblings-Franzosen.

16. Kolleg*innen helfe ich gerne bei…/Ich stehe gerne Rede und Antwort zu…?

Sozialforschung ist stark datenbasiert, mit teilweise komplizierten statistischen Methoden. In meiner Rolle als Kommunikator für das WZB kommt mir meine statistische Ausbildung an einem Max-Planck-Institut zugute, zusammen mit der Tatsache, dass ich selbst eine Zeit lang Sozialforscher war. Im Team kann ich dann oft erste Übersetzungsarbeit leisten. 

17. Wem würden Sie den Fragebogen gerne schicken und welche Frage würden Sie dieser Person gerne stellen?

Eine bestimmte Person habe ich nicht im Kopf, sondern eher eine wichtige Gruppe unseres Wissenschaftsystems, der immer noch zu wenig Beachtung geschenkt wird: Alldiejenigen jungen Forschenden, die beginnen, sich für die Wissenschaftskommunikation zu interessieren und zu engagieren – wie können wir euch helfen, damit ihr dabei bleibt?

 

Harald Wilkoszewski ist promovierter Sozialwissenschaftler und konzentrierte sich als Forscher und Berater auf die Themen Bildung, Arbeitsmarkt, soziale Sicherungssysteme und intergenerationale Gerechtigkeit. Dr. Wilkoszewski arbeitete zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter und später als Forschungsgruppenleiter an verschiedenen Einrichtungen in Deutschland und Frankreich, ab 2015 dann als Leiter Kommunikation für das Netzwerk Population Europe in Brüssel. Seit 2017 ist er Abteilungsleiter Kommunikation und Pressesprecher am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und war 2021 als Forschungssprecher des Jahres nominiert.


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