Logo Wissenschaft im Dialog Wissenschaft im Dialog

Zurück zu „Blog“ Qrss

Nachgefragt – bei Jan-Martin Wiarda

05. Mai 2020

  • Erstellt von Sina Metz
  • 0
  • v Nachgefragt
Array

Foto: Boris Streubel / actionpress

 

In der Reihe „Nachgefragt“ stellen wir in loser Folge Menschen vor, die in der Wissenschaftskommunikation arbeiten. Mit 17 Fragen - und 17 Antworten, mal ernsthaft, mal humorvoll.

In der Ausgabe Dreiundfünfzig sprechen wir mit Wissenschafts- und Bildungsjournalist Jan-Martin Wiarda.

Ein guter Kommunikator braucht…?

… die Fähigkeit, unterschiedliche Perspektiven wahrzunehmen und diese weitergeben zu können. Ein guter Kommunikator ist jemand, der vernetzen kann, der in der Lage ist, seine eigene Perspektive aufgrund dessen, was er von anderen erfährt, auch weiterzuentwickeln und zu verändern.

Was hat Sie dazu bewogen, in der Wissenschaftskommunikation zu arbeiten?

Ich antworte mal, warum ich im Wissenschaftsjornalismus arbeite und was mich an meinem Job reizt: die Tatsache, dass Bildung und Wissenschaft zwei der ganz wichtigen Zukunftsfelder für die Gesellschaft sind. Wenn es um die Zukunft der Gesellschaft geht, läuft am Ende alles irgendwie auf Bildung hinaus. Wie gut sind Menschen gebildet? Wie gut sind sie vorbereitet auf das Leben, auf die Herausforderungen, die ihnen begegnen, oder eben auch Wissenschaft? Fortschritt für die Gesellschaft erfordert immer auch Forschung, und das erfordert immer das Wachstum von Wissen. Und das beginnt nun mal mit der Wissenschaft. Insofern sind das für mich zwei zentrale Bereiche, die ganz eng miteinander zusammengehören. Deshalb bin ich Wissenschafts- und Bildungsjournalist und verbinde das auch ganz bewusst miteinander.

Ihr Arbeitsalltag in drei Schlagworten?

Das ist schwierig zu beschreiben, weil mein Arbeitsalltag derzeit ein anderer ist, als er normalerweise wäre. Im Augenblick ist es so, dass mein Alltag daraus besteht, zusammen mit meiner Frau zwischen Kinderbetreuung und dem Homeoffice hin und her zu wandern. 

Normalerweise würde mein Arbeitsalltag daraus bestehen, Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner zu treffen, Informationen auszutauschen und diese dann in Artikeln zu verarbeiten. Moderationen von Konferenzen und von Tagungen und Vorträge sind derzeit komplett weggefallen. Ohne Corona wären die drei Schlagworte also:  Leute treffen. Artikel schreiben. Moderieren.

Was war Ihr schönstes Erlebnis als Kommunikator?

Ich mache meinen Job unheimlich gerne und finde, dass es viele schöne Augenblicke gibt, wie beispielsweise kürzlich. Normalerweise ist mein Blog komplett kostenfrei. Und das soll er auch bleiben, weil ich finde, dass alle Menschen Zugang haben sollen. Ich möchte da gar nicht irgendwelche Barrieren einziehen. Gleichwohl sind mir jetzt in der Krise wesentliche Einkommensquelle weggefallen in Form von Veranstaltungen, Vorträgen und Moderation, weshalb ich mich dazu entschieden habe, in der Übergangszeit eine freiwillige Unterstützungsfunktion für den Blog einzuführen. Und es war ein sehr schönes Erlebnis zu sehen, dass das doch von sehr vielen Leuten wahrgenommen wird. Dass die eigene Arbeit in einer solchen Art und Weise geschätzt wird, dass Menschen freiwillig, oft anonym Geld spenden dafür, dass ich meine Arbeit weitermachen kann, tut gut. Das ermutigt auch und zeigt, dass das, was man macht, anderen nicht egal ist.

Was war Ihr größtes Kommunikationsdesaster?

Ich habe bisher tatsächlich im Journalismus kein schlimmes Desaster erlebt – zum Glück! Manchmal kommen aber kleinere Desaster vor. Ich habe einmal einen Artikel über eine Person für die ZEIT geschrieben und als er erschien, war der Name dieser Person falsch geschrieben. Das ist für jemanden, die vielleicht nicht jede Woche in einer großen Zeitung vorkommt, sicher schon eine große Enttäuschung. 

Welche Ihrer Eigenschaften stört Sie im Arbeitsalltag am meisten?

Mich stört, dass ich es manchmal nicht gut sein lassen kann. Wenn jemand an einem meiner Artikel Kritik übt, möchte ich immer nochmal gegenhalten und erklären, warum ich das so oder so geschrieben habe, um die Person doch noch für meine Argumentation zu gewinnen. Manchmal müsste ich einfach sagen „Komm, lass gut sein, ist auch nicht so schlimm, nicht jede Person muss verstehen, worum es mir geht“. Aber das fällt mir häufig schwer. Das ist zeitaufwändig und nervt mich manchmal selbst.

Mit welcher (historischen) Person würden Sie gerne essen gehen?

Albert Einstein wäre nicht schlecht. Ich weiß nicht, ob er die Geduld und die Muße hatte, gemütlich mit Journalisten Essen zu gehen. Ich kann mir vorstellen, dass er da gedanklich schon wieder drei Kilometer weiter war!

Ihre Lieblingswissenschaft?

Die empirische Bildungsforschung steht mir persönlich sehr nahe, weil sie auch für meine Arbeit sehr wichtig ist. Aber auch die Bildungswissenschaften insgesamt, obwohl ich selbst gar nicht Bildungswissenschaften studiert habe. 

Welches Forschungsthema würden Sie äußert ungern kommunizieren?

Das kommt drauf an, wie die Frage gemeint ist – weil ich der Meinung bin, dass ein Thema unwichtig ist oder weil es kompliziert ist? Das Schöne ist, dass man als freier Journalist die Themen, die man für unwichtig hält, nicht zum Gegenstand der Arbeit machen muss. Das ist in der Kommunikation manchmal anders, auch in der Wissenschaftskommunikation. Der Journalismus hat den Vorteil, dass ich mir die meisten Themen mehr oder weniger aussuchen kann, über die ich berichte. Es gibt allerdings manchmal Themen, die ich eigentlich für wichtig halten würde, die aber wahnsinnig komplex zu vermitteln sind, gerade wenn es um finanzpolitischen Themen oder Wissenschaftspolitik geht. Da stößt man dann schon manchmal an seine Grenzen.

Ohne Hindernisse wie Geld oder Zeit: Welches Projekt würden Sie gerne umsetzen?

Ich würde gar nicht viel anders machen. Eigentlich mache ich inhaltlich genau das, was ich tun möchte und das könnte ich mir auch gar nicht anders vorstellen. Natürlich wäre es schön, wenn ich meinen Blog betreiben könnte, ohne darauf achten zu müssen, ob ich Leute finde, die mich im Augenblick unterstützen. Oder ob ich genügend Moderationveranstaltungen und sonstige Aufträge habe, um meine journalistische Arbeit als Freiberufler weiterzumachen.

In welchem Bereich würden Sie gerne arbeiten, wenn nicht in der Wissenschaftskommunikation?

Im Augenblick möchte ich tatsächlich nichts anderes machen wollen. Wenn sich das mal ändert, könnte ich mir vorstellen, auch etwas in Richtung Bildungspolitik oder Wissenschaftspolitik zu machen. Also ein bisschen von der Seite des Beobachters auf die Seite des Gestalters zu wechseln.

Wissenschaftskommunikation im Jahr 2030 ist …

… hoffentlich mindestens so aufrichtig, wie sie heute ist. Und vielleicht unter weniger internem Druck, den Menschen innerhalb der Forschungsinstitute etwas liefern zu müssen. Wissenschaftskommunikation ist dann hoffentlich freier, sich an dem zu orientieren, was die Menschen in der Gesellschaft wollen und brauchen. Da sehe ich oft den eigentlichen Konflikt.

Was halten Sie für die größte Errungenschaft der Wissenschaftsgeschichte?

Wann beginnt denn die Wissenschaftsgeschichte? War die Erfindung des Rades schon Wissenschaft oder Ingenieurskunst? Was hat so eine Erfindung wie der Buchdruck mit Wissenschaft zu tun? Letzten Endes, um noch weiter zurück zu gehen, war die Nutzbarmachung des Feuers durch den Menschen etwas, was mit Wissensgewinn zu tun hatte. Wenn ich an die moderne Wissenschaft denke, dann sind die wichtigsten, prägendsten Erfindungen sicherlich die des Automobils, des Computers und später die des damit verbunden Mikrochips. Und sicherlich jetzt auch in jüngerer Zeit die Erfindung des Internets.

Wie haben Sie sich als Kind die Zukunft vorgestellt?

Ein bisschen so, wie sie in der Science-Fiction-Serie Star Trek vorgespielt wurde und wird. Wobei ich schon realistisch genug war, dass das wahrscheinlich nicht die Zukunft sein wird, die ich noch erleben werde. Aber an vielen Stellen habe ich mir ehrlich gesagt gar nicht so die großen Gedanken gemacht. Ich war als Kind im Hier und Jetzt eigentlich ganz zufrieden.

Wie bekommen Sie bei Stress am besten Ihren Kopf frei?

Wenn man drei kleine Kinder hat, wird der beruflichen Stress sehr schnell von anderen Bedürfnissen abgelöst, die auf einen einprasseln und die einen automatisch auf andere Gedanken bringen, ob man das will oder nicht. Und manchmal kann man das eigentlich gerade gar nicht gebrauchen. Aber da sind Kinder dann auch gnadenlos.

Kolleginnen und Kollegen helfe ich gerne bei…?

... ihren Texten. Als freie Wissenschaftsjournalisten ist es sehr wichtig, dass man sich gegenseitig mal Texte zu lesen geben kann, wenn man sich vielleicht unsicher ist. Hab ich jetzt den richtigen Ton getroffen? Wird die Argumentation klar, um die es mir geht? Bin ich vielleicht auch irgendwo übers Ziel hinausgeschossen? Und das ist bei einigen – vielleicht auch bei politisch schwierigeren – Themen durchaus wichtig. Dabei helfe ich Kolleginnen und Kollegen sehr gerne. Sich gegenseitig Rat zu Texten geben ist etwas, was eigentlich zum guten Alltag von freien Journalisten gehört und gehören sollte.

Wem würden Sie den Fragebogen gerne schicken und welche Frage würden Sie ihm/ihr gerne stellen?

Natürlich am liebsten mal meinen ehemaligen Kolleginnen und Kollegen von der Helmholtz-Gemeinschaft. Wobei ich natürlich nicht weiß, wie viele dort schon mal den Fragebogen beantwortet haben. Aber das fände ich schon interessant zu sehen, was sich dort geändert hat, seit ich 2015 weggegangen bin. 

 

Jan-Martin Wiarda

Jan-Martin Wiarda ist freier Journalist, Autor und Moderator. Der studierte Politikwissenschaftler und Volkswirt schreibt für Medien wie die Süddeutsche Zeitung, die Financial Times Deutschland und andere. Zuvor war er acht Jahre als Redakteur in Hamburg bei der ZEIT im Bildungsressort "Chancen" tätig und für drei Jahre der Kommunikationschef der Helmholtz-Gemeinschaft. Seine Redakteursausbildung absolvierte er an der Deutschen Journalistenschule in München.


0 Kommentare

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben