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Nachgefragt – bei Jens Foell

21. September 2018

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Neuropsychologe Jens Foell ist Mitbegründer der Online-Plattform Real Scienctist DE. Foto: Jens Foell

In der Reihe „Nachgefragt“ stellen wir in loser Folge Menschen vor, die in der Wissenschaftskommunikation arbeiten. Mit 17 Fragen - und 17 Antworten, mal ernsthaft, mal humorvoll.

In Ausgabe Fünfunddreißig sprechen wir mit Jens Foell, Neuropsychologe an der Florida State University und Mitbegründer von Real Scientists DE.  

Ein guter Kommunikator braucht…?

Vor allem einen Sinn für die Perspektive des Publikums. Ganz egal, wie kompetent ich in meinem Feld bin – wenn ich nicht in der Lage bin, es wie ein Außenstehender zu betrachten, werde ich niemals gut kommunizieren können.

Was hat Sie dazu bewogen, in der Wissenschaftskommunikation zu arbeiten?

Ich habe erst verhältnismäßig spät zur wissenschaftlichen Forschung gefunden; als ich dann gesehen habe, wie faszinierend die Forschungsarbeit ist und was es da draußen alles gibt, von dem man häufig nichts hört, wollte ich unbedingt auch allen anderen Interessierten eine Möglichkeit geben, sich in diese Welt einzufinden.

Ihr Arbeitsalltag in drei Schlagworten?

Hirnscanner; Datenanalyse; Schreiben

Was war Ihr schönstes Erlebnis als Kommunikator?

Seit einiger Zeit gehöre ich zu dem Team, das den Twitter-Account @realscientists betreut; ein Projekt, bei dem jede Woche ein anderer Wissenschaftler oder eine andere Wissenschaftlerin die Leitung übernimmt und aus dem eigenen Leben und der eigenen Forschung erzählt. Auf diese Art soll die Forschung menschlicher gemacht und demokratisiert werden. Mein schönstes Erlebnis war mit Sicherheit der Start des deutschsprachigen Ablegers @realsci_DE im Februar 2017, für den ich zu Beginn alleine verantwortlich war. Ich war etwas nervös, ob der deutschsprachige Markt an dem Projekt Interesse haben würde, und wurde von der Resonanz und den positiven Diskussionen der Nutzer angenehm überrascht.

Was war Ihr größtes Kommunikationsdesaster?

Als ich den (originalen) @realscientists-Account selbst eine Woche als Kurator betreut habe, habe ich auch Sachbücher vorgestellt, die mir gefallen. In einem Fall habe ich ein Buch empfohlen, aber auch ein schlechtes Gewissen ausgedrückt: aufgrund seiner politischen Aussagen wollte ich den Autor nicht unterstützen und habe das auch so offen gesagt. Die daraus entstehende Diskussion mit Fans des Autors waren recht unangenehm und haben mich gelehrt, solche Themen in der Zukunft weniger arrogant anzugehen. Ich stehe nach wie vor zu meiner politischen Meinung, aber der Umgang mit unterschiedlichen Einstellungen ist etwas, das in der Wissenschaftskommunikation mit viel Bedacht behandelt werden muss.

Welche Ihrer Eigenschaften stört Sie im Arbeitsalltag am meisten?

Ich bin nicht gut im Multitasking. Wenn ich mich durch ein großes Projekt durchgraben muss, kann ich Tage und Wochen damit verbringen. Soll ich aber mehrere Projekte jonglieren, verliere ich schneller als andere den Überblick. Das ist denkbar schlecht, wenn man interdisziplinär arbeiten möchte.

Mit welcher (historischen) Person würden Sie gerne essen gehen?

Da gibt es viele – aber besonders reizvoll wäre wahrscheinlich die österreichische Physikerin Lise Meitner. Sie hat den Prozess der Kernspaltung erklärt, hat sich für die friedliche Verwendung der Atomphysik eingesetzt und war stolze 48 Mal für den Nobelpreis nominiert – allerdings ohne ihn jemals zu erhalten. Dadurch, dass sie eine Frau war, blieb ihr die verdiente Anerkennung häufig verwehrt, und über ihr Leben ist aus meiner Sicht zu wenig bekannt.

Ihre Lieblingswissenschaft?

Ich fühle mich in meiner Disziplin der Neuropsychologie sehr wohl. Hätte ich aber die Gelegenheit, noch mal etwas anderes zu studieren, wäre es wahrscheinlich die Biologie. Das menschliche Gehirn ist zwar schon merkwürdig und spannend, aber die Tier- und Lebenswelt steht uns in Merkwürdigkeit an nichts nach.

Welches Forschungsthema würden Sie äußert ungern kommunizieren?

Solange ich die Gelegenheit habe, mich ausreichend über ein Thema zu informieren, unterhalte ich mich sehr gern darüber. Immer wieder habe ich die Erfahrung gemacht, dass ein Thema langweilig klang, sich dann aber als absolut faszinierend herausgestellt hat. Daher will ich auf keinen Fall irgendein Thema von vornherein abtun.

Ohne Hindernisse wie Geld oder Zeit: Welches Projekt würden Sie gerne umsetzen?

Ganz klar: Wissenschaftskommunikation an Grund- und weiterführenden Schulen durch Kurse für Lehrer/innen, organisierte Besuche von Wissenschaftler/innen an Schulen, Filme und TV-Sendungen. Kinder haben ein unvorstellbares Potential und Interesse, wenn es um wissenschaftliche Themen geht, und vieles ist unheimlich interessant – man müsste es nur gekonnt und weitflächig vorstellen. Seit ich zur Schulzeit begriffen habe, wie sich ein Virus in unser Erbgut schreiben kann, war ich von Virologie, Genetik und auch Immunologie fasziniert. Was sind wohl die Themen, die bei anderen Jugendlichen ein ähnliches Interesse erzeugen? Das sollten wir herausfinden und diese Themen dann in einem groß angelegten Netzwerk im ganzen Land kommunizieren.

In welchem Bereich würden Sie gerne arbeiten, wenn nicht in der Wissenschaftskommunikation?

Wenn ich nicht in der Forschung wäre, dann wäre ich gerne im Unterhaltungsbereich – das Geschichtenerzählen hat mir schon immer gefallen, unabhängig davon ob es um Faktenvermittlung oder Unterhaltung geht.

Wissenschaftskommunikation im Jahr 2030 ist …

Divers, mit jungen und frischen Gesichtern, die die Vielfalt der Forschung wiederspiegeln.

Was halten Sie für die größte Errungenschaft der Wissenschaftsgeschichte?

Die Dinge, die den Menschen helfen, z.B. medizinische Entwicklungen wie Impfstoffe. Die Tatsache, dass sich manche heutzutage von Pseudowissenschaftlern fehlleiten lassen und Impfzahlen dadurch zurückgehen, ist ein weiteres Zeichen für die Notwendigkeit von Wissenschaftskommunikation.

Wie haben Sie sich als Kind die Zukunft vorgestellt?

Genauso wie im Film „Zurück in die Zukunft II“ dargestellt. Es ist spannend zu sehen, welche Vorhersagen heute zutreffen und welche nicht. Nur wenige haben die sozialen Medien kommen sehen, und trotzdem sind sie heute ein wichtiges Werkzeug der Wissenschaftskommunikation.

Wie bekommen Sie bei Stress am besten Ihren Kopf frei?

Mein liebstes Hobby ist Kino – Filme zu Hause sind auch in Ordnung, aber das Gefühl des dunklen Kinosaals hilft mir am besten aus dem Alltag.

Kollegen helfe ich gerne bei…/Ich stehe gerne Rede und Antwort zu…?

Immer wieder habe ich mit Kollegen und Studierenden zu tun, die sich zwar theoretisch mit der Kernspintomographie auskennen (d.h. mit der Methode, mit der ich am häufigsten arbeite), sie aber selbst noch nie praktisch angewendet haben. Da ist es mir immer eine Freude, diese Kollegen in die Methode einzuführen und die besten Arten der Datenanalyse zu besprechen.

Wem würden Sie den Fragebogen gerne schicken und welche Frage würden Sie ihm/ihr gerne stellen?

Es gibt so viele Wissenschaftskommunikatorinnen und Wissenschaftskommunikatoren da draußen, an denen ich interessiert bin – ein großer und immer bekannter werdender Name ist Upulie Divisekera, die auch das originale @realscientists begründet hat. Gerne würde ich auch mehr von Astronauten in der WissKomm hören, wie zum Beispiel derzeit Alexander Gerst. Ihn würde ich gerne nach seinem Alltag auf der ISS befragen.

Dr. Jens Foell

Jens Foell promovierte an der Universität Heidelberg in Neuropsychologie und forscht derzeit an der Florida State University über Psychopathologie und Phantomschmerzen. Als Mitbegründer von der Online-Plattform und dem Twitter-Netzwerk Real Scientists DE, dem deutschsprachigen Ableger von Real Scientists, möchte er Gesichter hinter der Wissenschaft zeigen und Forschenden eine Plattform geben, mit ihren eigenen Worten über ihre Methoden und Ergebnisse zu sprechen.

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