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Nachgefragt – bei Julia Offe

30. November 2018

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Julia Offe bringt Wissenschaft in Clubs und Kneipen. Foto: Gesine Born

In der Reihe „Nachgefragt“ stellen wir in loser Folge Menschen vor, die in der Wissenschaftskommunikation arbeiten. Mit 17 Fragen - und 17 Antworten, mal ernsthaft, mal humorvoll.

In Ausgabe Siebenunddreißig sprechen wir mit Julia Offe, promovierte Molekularbiologin, selbstständige Wissenschaftskommunikatorin und Organisatorin von Science Slams, Nerd Nites und Science Podcast Night.

Eine gute Kommunikatorin braucht…?

Ein gewisses Maß an Extrovertiertheit, um auf Leute zugehen zu können. Und man sollte einschätzen können, was man weiß und was nicht, und vermeiden, über Dinge zu sprechen, von denen man keine Ahnung hat. Das fällt manchen nicht leicht.

Was hat Sie dazu bewogen, in der Wissenschaftskommunikation zu arbeiten?

Viele Jahre im Labor und zwei Erkenntnisse: Erstens: Wir müssen nicht nur gut forschen, sondern gerade als Molekularbiologen, die Tierversuche machen und gentechnisch arbeiten, auch gut nach außen hin erklären können, was wir tun. Zweitens: Ich konnte mir nicht vorstellen, mein Leben einem einzigen Protein zu widmen. Mir reichten da schon die paar Jahre Doktorarbeit. Ich brauche mehr Abwechslung – ein Science Slam mit sechs Vorträgen aus unterschiedlichen Fächern? Perfekt!

Ihr Arbeitsalltag in drei Schlagworten?

Wie bei vielen anderen auch: Reden, Mails schreiben, telefonieren. Glücklicherweise fast immer mit netten und interessanten Menschen.

Was war Ihr schönstes Erlebnis als Kommunikatorin?

Wenn ich nach einem Science Slam mitbekomme, wie sich Leute an einer nahegelegenen Bushaltestelle oder in einer Kneipe mit ihren Freunden über die Vorträge unterhalten – dann freue ich mich immer sehr.

Was war Ihr größtes Kommunikationsdesaster?

Es ist noch kein Desaster passiert, aber es gibt etliche Leute, mit denen kann man ganz schwer Absprachen treffen. Sie antworten auf Fragen wie: „Brauchst du an dem Abend ein Hotelzimmer?“ oder „Gibt es vor Ort ein Headset?“ oder „Könntest du dich um Getränke kümmern?“ gerne mit: „Wahrscheinlich nicht“, „müsste eigentlich“ oder „ich versuch‘s.“ Leute, falls Ihr mitlest: So kann man keine Veranstaltungen planen!

Welche Ihrer Eigenschaften stört Sie im Arbeitsalltag am meisten?

Die Misanthropie. Nein, im Ernst, wenn ich an einem Tag schon mit 20 Menschen gesprochen habe, dann lernt mich der 21ste nicht mehr von meiner besten Seite kennen.

Mit welcher (historischen) Person würden Sie gerne essen gehen?

Mit einer der Frauen, die Anfang des letzten Jahrhunderts ihren Platz in den Naturwissenschaften erkämpft haben, Emmy Noether, Clara Immerwahr oder Lise Meitner. Wer weiß, wie mein Lebensweg ohne sie ausgesehen hätte!

Ihre Lieblingswissenschaft?

Biologie wäre jetzt zu einfach, oder? Stimmt aber. Die Platane vor meinem Fenster, die Taube auf dem Fensterbrett und ich selbst an meinem Schreibtisch sind alle das Ergebnis von 600 Millionen Jahren Evolution – das ist doch einfach cool, oder?

Welches Forschungsthema würden Sie äußert ungern kommunizieren?

Irgendein „Ergebnis“, das zu schön klingt, um wahr zu sein – das ist es nämlich meistens auch nicht. Man sollte die Einschränkungen („im Tierversuch“, „in einer kleinen Studie“, „es gibt Hinweise“) immer mitkommunizieren. Leider ist es dann weniger sexy.

Ohne Hindernisse wie Geld oder Zeit: Welches Projekt würden Sie gerne umsetzen?

Wir haben im September in Hamburg einen Science Slam in der U-Bahn veranstaltet, das war gigantisch – wenn es nach mir ginge, wären Wissenschaftler/innen in der U-Bahn genau so häufig zu sehen wie Musiker und Zeitungsverkäufer.

In welchem Bereich würden Sie gerne arbeiten, wenn nicht in der Wissenschaftskommunikation?

Als Sängerin. Da ich völlig talentfrei bin, fällt das leider flach.

Wissenschaftskommunikation im Jahr 2030 ist …

hoffentlich zwischen den ganzen Fake News und Pseudowissenschaften noch nicht ganz untergegangen.

Was halten Sie für die größte Errungenschaft der Wissenschaftsgeschichte?

Die Entdeckung der Mikroorganismen. Vorher musste man sich Krankheitsübertragung ja mit magischen Dingen erklären, mit Flüchen oder göttlicher Strafe für das eigene Verhalten. Danach wusste man: Hände mit Seife waschen und Trinkwasser abkochen – und zack, doppelte Lebenserwartung.

Wie haben Sie sich als Kind die Zukunft vorgestellt?

In den 80ern herrschten ja die apokalyptischen Zukunftsszenarien mit einer zerstörten Umwelt vor, Abholzung des Regenwaldes, Verseuchung der Meere, Verlust der Biodiversität. Dass ich Biologin werden möchte, um mehr über Lebewesen zu lernen, weiß ich seit der Vorschule.

Wie bekommen Sie bei Stress am besten Ihren Kopf frei?

Eigentlich gar nicht. Wenn eine stressige Woche vor mir liegt, dann verfluche ich mich zwar vorher dafür, aber hinterher freue ich mich über alle Erlebnisse und Begegnungen. Das entschädigt für vieles.

Kollegen helfe ich gerne bei…/Ich stehe gerne Rede und Antwort zu…?

Ich vermittele gerne, wenn jemand eine/n Experten/in zu einem bestimmten Thema sucht, oder, wenn jemand eine Idee für ein Wissenschaftskommunikationsformat hat und nicht weiß, wie er/sie es angehen soll. Dann kann ich dabei helfen, das einfach mal auszuprobieren.

Wem würden Sie den Fragebogen gerne schicken und welche Frage würden Sie ihm/ihr gerne stellen?

Gerne einem der leidenschaftlichen Pseudowissenschaftler! Jemandem, der unermüdlich im Internet für das Konzept der Flachen Erde, die segensreiche Wirkung der Homöopathie oder den Kreationismus agitiert. Vielleicht könnte man an den Antworten erkennen, ob bei denen noch ein kleiner Rest Realitätsbezug vorhanden ist. Das würde ich sehr gerne wissen.

 

Dr. Julia Offe

Sie bringt Wissenschaft in Clubs und Kneipen: Julia Offe ist promovierte Molekularbiologin und organisiert als selbstständige Wissenschaftskommunikatorin Veranstaltungen – vor allem Science Slams, aber auch Nerd Nites, ein Science Pub Quiz und die Science Podcast Night. Sie gibt Workshops, in denen sie Wissenschaftlern beibringt, wie sie ihre Themen einer breiten Öffentlichkeit nahebringen können.

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