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Nachgefragt – bei Natalie Grams

12. November 2019

  • Erstellt von Thuy Anh Nguyen
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Dr. Natalie Grams ist Ärztin, ehemalige Homöopathin und Homöopathie-Kritikerin. Foto: Dorothee Piroelle

In der Reihe „Nachgefragt“ stellen wir in loser Folge Menschen vor, die in der Wissenschaftskommunikation arbeiten. Mit 17 Fragen - und 17 Antworten, mal ernsthaft, mal humorvoll.

In der Ausgabe Siebenundvierzig sprechen wir mit der Ärztin, Autorin und Homöopathie-Skeptikerin Natalie Grams. Sie ist Mitbegründerin und Leiterin des kritischen Informationsnetzwerks Homöopathie.

Eine gute Kommunikatorin braucht…?

Geduld und den Wunsch, Kompliziertes möglichst verständlich auszudrücken, eine persönliche Note und oftmals auch viel Empathie.

Was hat Sie dazu bewogen, in der Wissenschaftskommunikation zu arbeiten?

Ich habe es mir nicht ausgesucht, die Arbeit ist eher zu mir gekommen. Ich bin in der Wissenschaftskommunikation auch nicht ausgebildet, versuche einfach mein Bestes, und lasse dabei meine persönliche Erfahrung auf der „anderen Seite“ mit einfließen.

Ihr Arbeitsalltag in drei Schlagworten?

Schreiben, Twitter, Interviews. (Repeat)

Was war Ihr schönstes Erlebnis als Kommunikatorin?

Am schönsten sind für mich immer die Rückmeldungen in den sozialen Medien oder auch nach Vorträgen, in denen Menschen mir offenbaren, dass etwas, was ich gesagt oder geschrieben habe (oder manchmal auch „wie“), bei ihnen zu einem inneren Klick geführt und einen Umdenkprozess eingeleitet hat. Auch für mich war es damals die Wissenschaftskommunikation der Skeptiker, die mich zum Umdenken gebracht hat. Es ist schön, bei anderen zur Aufklärung beitragen zu können.

Was war Ihr größtes Kommunikationsdesaster?

Das erlebe ich täglich auf Twitter ;-)

Welche Ihrer Eigenschaften stört Sie im Arbeitsalltag am meisten?

Ich muss immer alles sofort erledigen und kann Arbeit schlecht liegen lassen. Das ist bei meiner Arbeitsbelastung manchmal zu viel. Deshalb richte ich mir strenge Arbeitsauszeiten ein.

Mit welcher (historischen) Person würden Sie gerne essen gehen?

Mit Astrid Lindgren. Ich bewundere ihre feine Art Gesellschaftskritik zu üben, den Humor auch in schweren Situationen nicht zu verlieren und Komplexes mit einer gewissen Chuzpe in heitere Worte zu packen. Zwar hat sie gesellschaftlich noch zu einer anderen Zeit gelebt, als Frau ist sie für mich aber auf jeden Fall ein großes Vorbild. Und wir mögen den gleichen Weißwein.

Ihre Lieblingswissenschaft?

Die Pseudowissenschaft. Nicht.

Welches Forschungsthema würden Sie äußert ungern kommunizieren?

Ich fürchte, dass ich in Wirtschaftswissenschaften eine absolute Niete wäre.

Ohne Hindernisse wie Geld oder Zeit: Welches Projekt würden Sie gerne umsetzen?

Was bei all meiner Kritik an Pseudomedizin oft viel zu kurz kommt: Das, was mir wirklich wichtig ist, ist gute Medizin. Mir wäre es wichtig, hier für mehr Aufklärung für Patientinnen und Patienten und ihre Gesundheitskompetenz zu sorgen. Zu erklären, was sie wirklich für ihre Gesundheit tun können, wie wichtig Prävention ist. Und nicht zu vergessen, wie wichtig der gute Umgang von Menschen, die in Gesundheitsfachberufen arbeiten, mit sich selbst und mit ihren Patientinnen und Patienten ist. Das würde ich gerne noch viel mehr in den Vordergrund stellen – beziehungsweise wirklich in diesem Feld arbeiten.

In welchem Bereich würden Sie gerne arbeiten, wenn nicht in der Wissenschaftskommunikation?

Als „Aktivistin für eine gute Medizin“ ist man – egal in welcher genauen Tätigkeit – auch irgendwie Wissenschaftskommunikatorin. Ich könnte mir aber auch vorstellen, das politisch oder zum Beispiel in einer Krankenkasse umzusetzen. Irgendwann jedenfalls, wenn alle wissen, dass Homöopathie keine Naturheilkunde ist und dass Impfungen keinen Autismus auslösen... kann ich mir vorstellen, auch wieder als Ärztin zu arbeiten.

Wissenschaftskommunikation im Jahr 2030 ist …

Teil der Schulbildung (also erstmal lernend) und jedes akademischen Studienfachs (also dann selbst lehrend).

Was halten Sie für die größte Errungenschaft der Wissenschaftsgeschichte?

Für mich als Ärztin sind natürlich speziell die Errungenschaften in der Medizin von großer Bedeutung. Da ich jeden Tag am Smartphone arbeitesicherlich auch die Wissenschaft, die zur Verbesserung unserer Technik und Kommunikation geführt hat.

Insgesamt finde ich, dass wir alle noch mehr Verständnis und Zugang zur Wissenschaft gebrauchen können, auch wenn sich da schon viel getan hat. Das wissenschaftlich-kritische Denken unterscheidet sich zwar sehr von unserem alltagsintuitiven Denken, es ist aber wichtig, es zu haben und es zu trainieren, um es gerade in entscheidenden Situationen im persönlichen, aber auch im gesellschaftlichen Diskurs nutzen zu können. Gerade in Zeiten des aufstrebenden Populismus erscheint mir dies wichtiger denn je.

Wie haben Sie sich als Kind die Zukunft vorgestellt?

Ich habe mich immer schon über Ungerechtigkeiten und Unwahrheiten empört und bin froh, als Erwachsene nun einen Teil zur Aufklärung – und manchmal auch einen Hauch Rebellion bei verkrusteten Strukturen und überholten Denkmodellen – beitragen zu können.

Wie bekommen Sie bei Stress am besten Ihren Kopf frei?

Ich fahre viel Fahrrad, mache Yoga und gönne mir ganz bewusst Auszeiten, in denen ich autogenes Training oder kleine Meditationen ohne Esoterik mache, treffe mich mit Freunden und bin sowieso die meiste Zeit des Tages einfach (naja..) Mutter.

Kollegen helfe ich gerne bei…/Ich stehe gerne Rede und Antwort zu…?

Für uns als Kritiker von Pseudomedizin ist besonders der emotionale Support und Zusammenhalt wichtig, da wir täglich einem Feuer an Aggression, negativen Zuschreibungen oder gar Verleumdung und Bedrohungen ausgesetzt sind. Da haben wir mit dem Informationsnetzwerk Homöopathie wirklich ein tolles Team geschaffen, das sich mittlerweile auch um andere heiß diskutierte Themen wie die TCM, Osteopathie, das Impfen oder auch um Gesundheitskompetenz bei Eltern kümmert.

Wem würden Sie den Fragebogen gerne schicken und welche Frage würden Sie ihm/ihr gerne stellen?

Ich würde den Fragebogen gerne Prof. Edzard Ernst schicken, der einer der renommiertesten Kritiker der sogenannten Alternativmedizin ist und dies auch über Jahre durchgehalten hat, obwohl der Gegenwind zu allen Zeiten heftig und oft auch unfair war. Ich würde gerne wissen, wie er es geschafft hat, das auszuhalten.

Dr. Natalie Grams

Natalie Grams ist Ärztin und ehemalige Homöopathin. Ihre wissenschaftliche Recherche zur Homöopathie hat sie zur Skeptikerin gemacht. Heute arbeitet sie für die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP e. V.) und den Deutschen Konsumentenbund als Wissenschaftskommunikatorin, ist Autorin mehrerer Bücher und Kolumnistin bei Spektrum der Wissenschaft und Edition F. Sie leitet das kritische Informationsnetzwerk Homöopathie und arbeitet im Informationsnetzwerk Impfen mit.


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