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„Verschwendet nicht zu viel Zeit auf die Leugner*innen“

09. September 2020

  • Erstellt von Sina Metz
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  • A Wissenschaftskommunikation
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Carel Mohn ist Chefredakteur und Projektleiter bei klimafakten.de. Das Online-Portal liefert wissenschaftliche Fakten zu Klimawandel und den Folgen. Foto: Detlef Eden

Vom 5. bis zum 7. Oktober findet in diesem Jahr das Forum Wissenschaftskommunikation DIGITAL statt. Wir haben einen Blick ins Programm geworfen und vorab mit einigen Vortragenden über ihren Tagungsbeitrag gesprochen. Heute im Interview: Carel Mohn vom Online-Portal klimafakten.de. In der Session diskutiert er mit den Co-Referent*innen, welche Chancen die Corona-Krise für die Zukunft der Wissenschaftskommunikation bieten kann. 

Herr Mohn, der Titel der Session lautet „Ungleiche Schwestern“. Was unterscheidet die Corona- von der Klimakrise?

Die Struktur der Probleme ist sehr unterschiedlich. Auch wenn uns das anders vorkommt: Die Corona-Krise setzt an einem einzigen Punkt an, dem Immunsystem. Die Klimakrise wirkt dahingegen nicht nur auf das menschliche Immunsystem, sondern auf alles Leben auf der Erde und ist insofern viel komplexer. Der andere wichtige Unterschied ist, dass die Zeitskalen völlig andere sind. Die Coronavirus-Pandemie ist eine akute, unmittelbare Bedrohung. Die Folgen des Klimawandels sind langfristiger. Wobei dieses Wort langfristig uns dazu verleitet zu denken ‘Wir haben noch Zeit’.

Welche Auswirkungen hat das aus Ihrer Sicht auf die Kommunikation zu den beiden Krisen?

Die Coronavirus-Pandemie ist eine sehr einschneidende Lernerfahrung für uns als Gesellschaft und auch global. Es ist wahrscheinlich in der Menschheitsgeschichte ein Novum, dass wir weltweit zeitgleich eine akute Krise erleben. Und das ist etwas, was uns verbindet. Darauf kann man Bezug nehmen. Es ist wichtig, diese Erfahrungen, die wir gemeinsam gemacht haben, jetzt zu reflektieren. Uns bewusst zu machen, was wir da eigentlich erlebt haben. Was lief gut? Welche Fehler haben wir gemacht? Wie haben wir darauf reagiert und was können wir daraus lernen, um andere Krisen vielleicht besser bewältigen zu können?

Und welche Lehren können wir aus der Corona-Krise für die Klima-Kommunikation ziehen?

Wir alle erleben direkt das Zusammenspiel zwischen politischen Entscheidungen und wissenschaftlicher Beratung und Expertise. Wir haben uns mit Corona anschauen können, was es unter den Realbedingungen einer Krise bedeutet, dass Wissenschaft und Politik zwar getrennte Aufgabenbereiche sind, aber dass zwischen beiden ein Wechselspiel bestehen sollte. Und wir haben gesehen: Wenn dieses Wechselspiel gut funktioniert, ist das auch im öffentlichen Interesse und trägt zum Gemeinwohl bei.

Der Klimawandel, aber auch Themen wie Biodiversität oder der Umgang mit knappen Ressourcen wie Boden oder Wasser, stellen uns vor riesige Herausforderungen. Die Corona-Krise hat gezeigt, dass Menschen bereit sind, sich zu ändern und sich schnell an Neues anpassen können, wenn die Gründe gut erklärt werden. Und das können wir jetzt für den Klimawandel mitnehmen. Wir haben das Geld und wir haben die Technologien, um nachhaltiger und klimaverträglicher arbeiten, produzieren und leben zu können.

Eine weitere Lernerfahrung aus der Corona-Krise ist meines Erachtens auch, wie wichtig es ist, über Werte zu sprechen. Bei Corona ging es um das Miteinander, um Solidarität. Und das hat geholfen, den richtigen Kurs zu finden. Ich glaube, wir brauchen auch in der Klimadebatte ein bisschen mehr Mut – gerade von Wissenschaftler*innen – über Werte zu sprechen, die uns einen Kompass liefern können.

Sie sprachen gerade die Fehlerkultur an. Zu Anfang der Corona-Krise war das Vertrauen der Bevölkerung in die Wissenschaft sehr hoch, viele fühlten sich gut informiert. Mittlerweile scheint die Stimmung zu kippen und es gibt massenhaft Demonstrationen gegen die Maßnahmen. Liegt das auch an Fehlern in der Kommunikation?

Ich glaube, Fehler sind unvermeidlich, und man muss sie machen, um daraus lernen zu können. Insgesamt ist das etwas, was die Corona- und die Klimakrise verbindet. Allerdings haben wir sowohl beim Thema Klimawandel als auch bei Corona die Tendenz, zu stark auf die extremen Ränder zu schauen, wie aktuell auf die Corona-Demonstrant*innen in Berlin oder Stuttgart und an anderen Orten. Es liegt in unserer Natur, uns für Extreme stärker zu interessieren als für das Normale. Aber das ist nicht immer geeignet, um ein vollständiges und zutreffendes Bild der Realität zu bekommen. Und ich glaube, zu diesem vollständigen Bild der Realität gehört auch, dass doch die meisten Menschen sehr vernünftig auf diese Krise reagiert haben. Wir haben eine beachtliche Anpassungsfähigkeit, sowohl als Individuen als auch als Gesellschaft. Ein sehr hoher Anteil der Menschen ist bereit, ihren Teil zur Krisenbewältigung beizutragen. Das darf nicht aus dem Blickfeld geraten.

So spannend es auch ist, sich mit Verschwörungsideologien zu beschäftigen und zu versuchen zu verstehen, was diese Menschen antreibt, sie sind eben nur ein kleiner Ausschnitt. Ich würde sagen ‘Verschwendet bitte nicht zu viel Zeit auf die Leugner*innen’. Schaut auf die Menschen, die bereit sind mitzugehen, und erklärt auch immer wieder, wie Wissenschaft funktioniert. Die Corona-Krise hat gezeigt, dass gute Kommunikator*innen diejenigen sind, die uns den aktuellen Wissensstand erklären, und die auch von sich aus thematisieren, was wir bisher falsch eingeschätzt haben und wo wir dazulernen.

Aber dennoch sind die Corona- wie auch häufig die Klimawandel- Leugner*innen aktuell sehr laut. Wie geht man in der Kommunikation mit solchen Menschen um?

Gelassenheit hilft. Es ist wichtig, zu akzeptieren, dass es Leugner*innen gibt. Diese Reaktanz kann ein psychisches Muster sein, mit der ein Individuum meint, sich gegenüber einem äußerlichen Erwartungsdruck behaupten zu müssen. Wenn Normen wie zum Beispiel Abstands- und Hygieneregeln, aber auch Verhaltensregeln im Hinblick auf Klimaschutz sehr, sehr eindringlich und mit moralischen Werten verknüpft kommuniziert werden, fühlen sich manche Leute bedrängt und sagen ‘Jetzt erst recht nicht’. Der Schriftsteller Elias Canetti sprach von einem Stachel, den ein Befehl auslöst, und der sich wie ein Widerhaken bei einigen Menschen festsetzen kann. Das muss man erst einmal verstehen und auch akzeptieren, um mit Leugner*innen umzugehen.

Die sozialwissenschaftliche Forschung zeigt übrigens, dass es eine wirksame Strategie ist, zu vermitteln, welche Mechanismen bei Verschwörungsideologien greifen. Falschaussagen, Propaganda, Lügen und Verdrehungen überschwemmen den Kommunikationsmarkt. Es hilft, Menschen dosiert mit Elementen solcher Falschbehauptungen bekannt zu machen. Wir versuchen das selbst auch bei klimafakten.de. Vor kurzem haben wir eine Infografik veröffentlicht, die die fünf populärsten Methoden von Propaganda und Falschinformationen analysiert und benennt. Das ist aus unserer Sicht ein wichtiges Element in einer Gegenstrategie.

Was möchten Sie in der Session beim Forum Wissenschaftskommunikation mit den anderen Referent*innen und dem Publikum diskutieren?

Die Corona-Krise ist eine sehr tief einschneidende gemeinsame Erfahrung und bietet durchaus auch Chancen, als Gesellschaft zu lernen. Wir müssen intensiv drüber reden, wo wir gemeinsam ansetzen können, wie verschiedene Akteure ihr Handeln bündeln können und was das für die Zukunft der Wissenschaftskommunikation bedeutet.

In der Session möchte ich mich mit Marie-Luise Beck vom Deutschen Klima Konsortium, Dr. Stefanie Trümper vom K3-Kongress für Klimakommunikation und Karsten Schwanke, Meteorologe der ARD, darüber austauschen. Sie alle haben viel Fachkompetenz und Erfahrung und stehen für jeweils unterschiedliche Perspektiven. Das Deutsche Klima Konsortium repräsentiert als Dachverband der Klimaforschung die gesamte Szene. Stefanie Trümper ist jemand, die sich seit Jahren sozialwissenschaftlich mit den Mechanismen der Klima-Kommunikation beschäftigt. Und Karsten Schwanke präsentiert täglich die angewandte Wissenschaft in Alltagsform. Ich glaube, dass dieser Mix aus Zugängen und Kompetenzen zu einer guten Diskussion beiträgt.


2 Kommentare

  1. Tschoine am 29.09.2020

    Ich finde es problematisch "akzeptieren", dass es diese Leute gibt. Ich finde, das kann man genausowenig hinnehmen, wie Geschichtsrevisionisten oder Faschisten. Dies zu akzeptieren, wäre gleichbedeutend mit, sich mit diesen Leuten beschäftigen. Doch aus der Erfahrung mit der "AfD" wissen wir doch, dass diese das nur als Bühne nutzen und noch mehr Zuhörer erreichen. In <a href="https://www.einewelteinezukunft.de/dresden-sachsen-ein-schelm-der-institutionalistisches-darin-sieht/">Sachsen wurde das institutionalistisch</a>

  2. Online-Redaktion am 30.09.2020

    Man muss akzeptieren, dass auch die Meinung von Klimawandelleugner*innen von der Meinungsfreiheit gedeckt wird. Allerdings kann man wissenschaftliche Fakten in die Debatte einbringen. Und genau das macht Carel Mohn mit klimafakten.de. Im Interview macht er auch Vorschläge, wie man bei Verschwörungsideologien vorgehen kann.

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