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WiD-Labor – Interaktive Videoreihe zur Bioökonomie

02. August 2020

  • Erstellt von Yannick Brenz
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  • WiD-Labor
Blick durch die Kamera auf den Moderator, der in Ölzeug gekleidet ist. Array

Moderator Philipp Schrögel steht in Ölzeug gekleidet vor der Kamera. Foto: Michael Wingens/WiD

Unsere Diskussionsreihe Wissenschaft kontrovers lebte bisher von Live-Veranstaltungen. Doch diese sind durch die Corona-Pandemie fast unmöglich geworden. Seitdem nutzt das Team unter der Rubrik “Wissenschaft kontrovers Online” neue Formate, um das Thema des Wissenschaftsjahrs Bioökonomie online zu diskutieren. Wir sprachen mit Projektmanager Michael Wingens über ihr neuestes Experiment: eine interaktive Videoreihe

Ihr habt während des Drehs für euer interaktives Videoformat einen ganzen Tag draußen im Regen gestanden. Was hat euch auf’s Feld verschlagen und wie durchnässt wart ihr?

Bis auf die Knochen! (lacht) Ich war leider nicht so gut vorbereitet wie unser Moderator Philipp Schrögel. Der ist in Ölkleidung aufgetaucht, die er noch von einem Segelturn in petto hatte. Im Gegensatz zu mir ist er trocken geblieben. Aber was tut man nicht alles für die Wissenschaftskommunikation? Da wir als Thema für unsere erste interaktive Videoreihe die Rolle der Landwirtschaft in der Bioökonomie gewählt hatten, musste ja zumindest ein Teil der Videos auch dort gedreht werden, wo Landwirtschaft stattfindet: auf dem Feld.

Mit dem neuen Format seid ihr also in vielerlei Hinsicht ins kalte Wasser gesprungen. Wie muss man sich so ein interaktives Video vorstellen? Wie interagiert man als Zuschauer?

Die Grundidee ist folgende: Zunächst nehmen ein*e Moderator*in und beliebig viele Expert*innen – in unserem Fall waren es zwei – ihre Statements zu vorbereiteten Fragen auf. Die Antworten bauen wir dann zu einer schlüssigen Videoreihe zusammen. Am Ende hatten wir 14 kurze Videos, das können aber auch mehr oder weniger sein. Die Zuschauer*innen können sich dann beliebig durch die verschiedenen Fragen und Statements klicken. Sie können den Argumenten also auf einem selbst ausgewählten Pfad folgen, sich die Gegenpositionen nochmal anhören oder bereits Bekanntes überspringen. Dabei führt der oder die Moderator*in die Zuschauer*innen durch den Argumentationspfad und fasst wichtige Aussagen zusammen. Etablierte YouTube-Kanäle nutzen häufig eine ähnliche Auswahlfunktion, um auf weitere Videos zu verweisen. Dass ganze Argumentationspfade zur Auswahl gestellt werden, habe ich dort aber noch nicht gesehen.

Warum habt ihr euch dazu entschieden, nicht den klassischen Weg zu gehen sondern etwas Neues auszuprobieren?

Bei Wissenschaft kontrovers bemühen wir uns immer darum, Interaktion zu ermöglichen. Außerdem wollen wir die kontroversen Aspekte des jeweiligen Themas des Wissenschaftsjahrs nicht nur unter den Expert*innen, sondern auch mit den Zuschauer*innen diskutieren. Das ist in diesem Jahr natürlich schwieriger: Wir können unsere Diskussionsformate der letzten Jahre wenn überhaupt nur sehr eingeschränkt anbieten. Philipp Schrögel vom Karlsruher Institut für Technologie kam dann mit der Idee auf uns zu, es mit interaktiven Videos zu versuchen und so die Interaktion direkt in das Format zu holen, nicht erst im Nachhinein durch Nachfragen und Kommentare. Für unseren ersten Versuch haben wir uns die Rolle der Landwirtschaft in der Bioökonomie als Thema ausgesucht, denn es vereint viele verschiedene Perspektiven und Zukunftsvisionen und wird aktuell – im Licht des Klimawandels – nochmal neu beleuchtet und diskutiert.

In den 1990ern waren interaktive Romane bei Jugendlichen sehr beliebt. Waren sie eine Inspiration für euch?

Diese Choose-Your-Own-Adventure-Bücher habe ich früher unheimlich gerne gelesen. Ich musste auch sofort daran denken, als Philipp mit der Idee auf uns zukam. Die Gänsehaut-Horrorreihe zum Beispiel: Wenn du an der Abzweigung links gehen willst, dann lies weiter auf Seite 99. Um nach rechts zu gehen, mach weiter auf Seite 127. Das Prinzip dahinter ist ebenso zeitlos wie zeitgemäß. Heutzutage ist es immer schwieriger, die Aufmerksamkeit der Menschen zu kriegen – Stichwort Multi-Screen-Nutzung. Ich denke, durch Interaktion können wir das schaffen. Was früher in den 90ern mit den Romanen geklappt hat, funktioniert genauso im digitalen Zeitalter.

Wann funktionieren interaktive Videos dann für die Wissenschaftskommunikation?

Am meisten Sinn macht es für solche Themen, wo man verschiedene, durchaus auch kontroverse Perspektiven zusammenführen möchte. Wenn man darstellen will, dass es nicht nur eine Antwort oder Zukunftsvision gibt, sondern das Thema verschiedene Nuancen und Schwerpunkte hat. Diese verschiedenen Positionen wollten wir auch mit unseren beiden Expert*innen Ilka Dege und Urs Niggli darstellen, denn sie besitzen ganz unterschiedliche Hintergründe und Biografien.

Haben sich die Sichtweisen der Experten denn grundlegend unterschieden? Gab es ein Streitgespräch?

Es gab sicherlich Themen, bei denen die beiden Forschenden unterschiedlicher Meinung waren. Das haben sie auch geschafft darzustellen. Sie standen mit ihren Meinungen aber nicht auf zwei extremen Seiten eines Spektrums. Die Antworten und Statements der beiden stehen also in keinem Widerspruch zueinander, sondern ergänzen sich durch unterschiedliche Perspektiven und Schwerpunkte.

Wie aufwendig war die Vorbereitung mit den Forschenden?

Mit Ilka Dege und Urs Niggli konnten wir tatsächlich unsere beiden Wunschkandidat*innen gewinnen. Die beiden hatten vorher noch nie von dem Format gehört und fanden es direkt spannend. Philipp und ich haben ihnen gesagt, über welche Themen in der Landwirtschaft wir gerne sprechen würden: Nahrung vs. Ressourcen, Biodiversität, Klimawandel und globale Folgen. Im gemeinsamen Briefing sind wir dann den Fragenkatalog durchgegangen und haben besprochen, welche Akzente wir setzen wollen. Danach hatten die beiden zwei Wochen Zeit, ihre Statements aufzuzeichnen.

Wie ging es danach weiter?

Wir sind dann raus aufs Feld und haben die An- und Abmoderationen im Regen gedreht. Nicht etwa, weil Philipp darauf bestanden hat, in Ölkleidung zu moderieren, aber das Wetter richtete sich leider nicht nach unseren Terminkalendern. Danach begann erst die richtige Arbeit. Wir haben einen detaillierten Videoplan erstellt, das ist sehr wichtig für so eine interaktive Videoreihe: Wie viele Videos machen wir aus den ursprünglich 30 Clips? Welches Video folgt auf Video A, welches auf Video B oder E? Wo schiebt man die Moderationen ein? Wann setzt man bei YouTube den nächsten Videolink? Das war tatsächlich mehr Arbeit, als ich mir das am Anfang vorgestellt habe. Der eigentliche Drehtag war damit der geringste Aufwand, trotz des Regens hat das Filmen am meisten Spaß gemacht.

Das war ja nun euer erster Versuch, ein Experiment. Was würdet ihr beim nächsten Mal anders machen?

Wir werden zunächst schauen, wie die aktuelle Videoreihe ankommt und freuen uns besonders über viel Feedback. Wir haben definitiv noch viele Ideen, wie man das Format nicht nur interaktiver sondern vielleicht sogar disruptiver gestalten könnte. Bisher besteht die Interaktion noch darin, zwischen den Expert*innenstatements auswählen zu können. Wir fänden es noch spannender, wenn die Expert*innen direkt aufeinander reagieren und Gegenargumente austauschen könnten. Genauso könnten wir uns vorstellen, kleine Gastauftritte von Menschen aus der Praxis zu integrieren, beim Thema Landwirtschaft zum Beispiel die Perspektive eines*r Landwirt*in.

Was erhofft ihr euch jetzt und in der Zukunft von dem neuen Format?

Ganz grundlegend hoffen wir erstmal, das Thema Landwirtschaft in der Bioökonomie auf interessante Art und Weise präsentiert zu haben, so dass die Leute mit uns ins Gespräch kommen wollen. In Zeiten der Corona-Krise sind wir gefordert, neue digitale Formate auszuprobieren und zu untersuchen, wie sie wirken. So wünschen wir uns, nicht nur den Zuschauer*innen sondern auch den Praktiker*innen in der Wissenschaftskommunikation zeigen zu können, dass man auch in diesen schwierigen Zeiten miteinander im Gespräch bleiben kann – selbst wenn man sich nicht direkt gegenübersitzt.


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