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Wissen und Forschen im digitalen Zeitalter

02. September 2015

  • Erstellt von Wiebke Volkmann
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  • A Wissenschaftskommunikation
Sascha Friesike bei der Preisverleihung zum Wettbewerb „Deutschland – Land der Ideen“ in Berlin (Foto: Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft) Array

Sascha Friesike bei der Preisverleihung zum Wettbewerb „Deutschland – Land der Ideen“ in Berlin (Foto: Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft)

Am 26. August 2015 fand in Berlin eine Preisverleihung im Rahmen der Initiative Deutschland – Land der Ideen statt. Als einer von zehn „Ausgezeichneten Orten“ zog das Forschungsprojekt „Open Science“ am Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG) in das Finale des Publikumsvotings ein, bei dem vom 9. bis 15. September abgestimmt werden kann. Im Anschluss an die Preisverleihung lud das HIIG zum Digitalen Salon „Everyone is a scientist“, bei dem auch das Projekt Bürger schaffen Wissen zu Gast war und über Citizen Science diskutierte. Wissenschaft im Dialog nutzte die Gelegenheit, den Leiter des Forschungsprojekts „Open Science“, Sascha Friesike, zu fragen, wo sich Citizen Science in dem breiten Feld der Open Science einordnet. 

Herr Friesike, was erforschen Sie in Ihrem Projekt? Gibt es bereits (Zwischen-)Ergebnisse?

Im Forschungsprojekt „Open Science“ setzen wir uns mit der Frage auseinander, was neue, digitale Möglichkeiten für die Wissenschaft bedeuten und wie sie besser genutzt werden können. Das Projekt gibt es inzwischen seit drei Jahren. Ergebnisse findet man am einfachsten auf unserer Projektwebseite. Letztes Jahr haben wir etwa bei SpringerOpen ein Buch herausgegeben, das sich online kostenfrei lesen und sogar editieren lässt. 

Seit einem Jahr untersuchen wir auch Citizen-Science-Projekte. Wir fragen nach den Gründen, warum solche Projekte entwickelt werden und wie das erfolgreich geschehen kann,– was also die wesentlichen Fragen sind, die man beantworten muss, um solch ein Projekt erfolgreich umzusetzen.

Was verstehen Sie unter Open Science? 

Open Science ist ein sehr ungenauer Begriff, der von vielen Leuten unterschiedlich gebraucht und oft ideologisch verstanden wird. Open Science ist weniger eine Vorgehensweise als ein Ziel, an dem unterschiedliche Leute die Wissenschaft gern sehen würden. Das macht vielleicht auch klar, warum so unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden. Mit dem Wissen von heute hätten wir das Projekt vermutlich anders genannt, vielleicht „Knowledge and Research in the Digital Age“. 

Wie relevant ist das Thema für die Wissenschaft und die Gesellschaft?

Grundsätzlich ist die Idee von Open Science, dass digitale Technologien es möglich machen, die Forschung stärker zu öffnen. Was nun genau geöffnet werden soll, darüber ist man sich allerdings uneinig. Für das oben angesprochene Buch haben wir einen Artikel geschrieben, der Open Science in fünf unterschiedliche Denkschulen gliedert. So gibt es etwa die Denkschule, die mehr Offenheit in der Messung von wissenschaftlichem Erfolg möchte oder die Denkschule, die sich für mehr Offenheit und Transparenz wissenschaftlicher Ergebnisse einsetzt. Open Access etwa – das haben die meisten bestimmt schon einmal gehört – steht für die Idee, dass wissenschaftliche Ergebnisse für jeden zugänglich sind. Für alle Nicht-Wissenschaftler ist das ein ganz wichtiger Aspekt, denn Ärzte, Lehrer oder sonst Interessierte haben oft keinen Zugriff auf wissenschaftliche Ergebnisse. In einer Zeitung mag ein Bericht stehen, der erklärt, dass die Wissenschaft festgestellt hat, aber fast niemand kann die eigentliche Quelle lesen. 

Provokant gefragt: Ist Open Science umsetzbar? 

Häufig ist das eine Frage der Anreize. Ein gutes Beispiel dafür sind offene Daten in der Forschung. Wenn Forscher ihre Daten teilen, können andere Forscher deren Ergebnisse überprüfen oder auch mit alten Daten neue Fragen beantworten. Das heißt, Forschung wird transparenter und kollaborativer, sprich „offener“. Nur teilen Forscher selten ihre Daten. 

Woran scheitert es derzeit?

Wir konnten in unseren Studien herausfinden, dass Forscher häufig Bedenken haben, dass andere Forscher ihre Daten nutzen und vor ihnen publizieren. Anders ausgedrückt: Würde es bessere Anreize geben, Daten zu teilen – etwa Datenzitation, Ko-Autorenschaft oder Auszeichnungen wie Best-Data-Awards –, würden Forscher auch eher teilen. Ähnlich verhält es sich mit Open Access, Scientific Blogging oder alternativen Metriken, die eine Beurteilung wissenschaftlicher Publikationen nach anderen Kriterien erlauben, als den klassischen, wie bspw. die Reichweite oder Häufigkeit von Zitationen. 

Es gibt also noch viel zu tun…

Wir haben das Buch und unsere Webseite „Opening Science“ genannt, um zu verdeutlichen, dass „offen“ kein Zustand, sondern die Öffnung ein Prozess ist. Wir versuchen mit unserer Forschung eine empirische Grundlage für informierte forschungspolitische Entscheidungen zu schaffen.

Welche Rolle spielt Citizen Science in der Open Science?

Die Öffnung der Wissenschaft gegenüber dem Bürger ist auch eine der fünf Denkschulen von Open Science. Das klingt immer etwas komisch, denn ein Forscher ist auch ein Bürger. Was wir meinen sind all die Bürger, die auf einem Forschungsgebiet keine ausgebildeten Profis sind. Oft engagieren sie sich aus Interesse an dem Thema. Das ist auch nichts Neues, das hat es glücklicherweise schon lange gegeben. Nur bieten Online-Plattformen heuten die Möglichkeit einer besseren Vernetzung und Kommunikation. Wenn man etwa an historische Ortsvereine denkt, so waren deren Arbeiten meist nur lokal von Interesse. Durch Online-Plattformen und die Aggregation von Daten entstehen heute aber Ergebnisse, die so umfangreich sind, dass auch professionelle Forscher sie nie hätten zusammentragen können. 

Zudem bedeutet das Einbeziehen von interessierten Bürgern in wissenschaftliche Projekte eine Öffnung der klassischen wissenschaftlichen Wertschöpfungskette, bei der die Öffentlichkeit am Ende eines Forschungsprozesses über die Ergebnisse informiert wird. Die Argumente dafür kommen aus zwei Richtungen. Zum einen wird vorgebracht, dass die Öffentlichkeit den Großteil der Forschung finanziert und daher auch die Möglichkeiten haben sollte, sich in den Forschungsprozess einzubringen. Diese Argumentation geht davon aus, dass Citizen-Science-Projekte von Forschern angestoßen werden. Das ist aber gar nicht so oft der Fall. Und so wird zum anderen argumentiert, dass die Projekte, in denen Bürger selbst aktiv sind, indem sie Beobachtungen machen, Daten sammeln etc., der Forschung nutzen können. Das heißt, dass der Wissenschaftler noch viel von den Bürgern lernen kann, so er sich darauf einlässt.

Die Vorteile liegen sowohl bei den Forschern, als auch bei den Bürgern?

Forscher können von der Zusammenarbeit profitieren, weil sie etwas vom spezifischen Wissen der Bürger haben oder Unterstützung bei der Datenerhebung und -analyse bekommen. Die Bürger können davon profitieren, weil sie direkt in wissenschaftliche Projekte involviert sind und Informationen aus erster Hand erfahren. Manchmal hört man die Kritik, dass professionelle Forscher solche Freiwilligen als längere Werkbank nutzten. Ich glaube aber kaum, dass die sich so einfach einspannen lassen. Viel eher geht es um ein gegenseitiges Interesse. 

Fragen Sie in Ihrer Studie auch nach den Wünschen und Anforderungen, die die Öffentlichkeit mit Citizen Science verbindet? Welche Personen partizipieren besonders gern an wissenschaftlicher Forschung?

In unserer aktuellen Studie setzen wir uns vor allem mit der Frage auseinander, wie Bürgerwissenschaftsprojekte erfolgreich durchgeführt werden können. Aus dem Kontext von Crowdsourcing sind mir allerdings einige Studien zur Partizipationsmotivation bekannt, etwa unsere Partizipationsstudie 2014 „Online Mitmachen und entscheiden“. Generell lassen sich drei Motivationen erkennen: 1) Die Tätigkeit, etwa weil es Spaß macht, etwas zu tun. 2) Das Ergebnis, also dass der Bürger ein Interesse daran hat, dass ein Ergebnis zustande kommt. 3) Die Folge, also dass ein Nutzer durch die Tätigkeit ein besseres Community-Standing bekommt oder etwas lernt. In jedem Fall wäre es spannend, diese Motivationen auch im Kontext von Bürgerwissenschaften zu untersuchen, bzw. genauer zu schauen, was hierzu schon gemacht wurde.

Also untersuchen Sie Citizen-Science-Projekte in der Praxis, als Methode von Open Science?

Wie gesagt, wir gucken uns aktuell an, warum jemand ein Citizen Science Projekt aufsetzt. Dabei ist auffällig, wie viele Projekte in einem ersten Schritt ohne wissenschaftliche Unterstützung entstehen. In der Presse wird der Citizen Scientist gern als des Wissenschaftlers kleiner Helfer dargestellt. Solche Projekte gibt es, aber das ist nur eine Hälfte der Geschichte. Ganz oft sind es Menschen, die für ein Thema brennen und online zusammenkommen. Irgendwann haben sie auf ihrer Plattform so viele Daten zusammengetragen, dass Wissenschaftler realisieren, was sie damit alles anstellen könnten. Forscher haben beispielsweise auf Basis von Daten von ehrenamtlichen Ornithologen spannende Aussagen über den Klimawandel machen können. 

Dabei wird ein Citizen Science Projekt aber nicht erst zu Science, wenn ein professioneller Wissenschaftler dabei ist. Vielmehr geht es darum, dass Wissen entsteht. Während dieses Wissen früher oft in Ortsvereinen lag, ist es durch Online-Plattformen heute eben vernetzt verfügbar. Ich glaube, das ist der wesentliche Punkt, warum wir aktuell so viel über Citizen Science hören.

Und was macht ein Citizen-Science-Projekt erfolgreich?

Von dem was wir gesehen haben, sind drei Bausteine elementar. Als Erstes ist da die „treibende Kraft“ also die Frage, warum sollte sich hier überhaupt jemand engagieren? Wie bereits gesagt sind es oft Themen, die Menschen bewegen und für die sie brennen. Als Zweites haben wir gesehen, dass der Zugang zu den Menschen wesentlich ist. Für manche Forschungsfragen werden besondere Fähigkeiten, Geräte oder Schulungen gebraucht, in anderen Fällen kann an bestehende Projekte Anschluss gefunden werden. Und als Drittes sehen wir die Qualitätskontrolle als wesentlich an. Wie stellt das Projekt sicher, dass sich nicht irgendwer einloggt und falsche Angaben macht?

Was kann Citizen Science – gegenüber anderen Bereichen der Open Science – besonders gut? Wo sehen Sie den Nutzen?

Während Laien-Forschung früher eher belächelt wurde, sehen Wissenschaftler heute den enormen Wert dieser Arbeiten. Das sorgt für gegenseitigen Respekt und idealerweise gegenseitige Unterstützung. So hat auch die Öffentlichkeit die Möglichkeit, einen besseren Einblick in das wissenschaftliche Handeln der Profis zu bekommen. Natürlich wäre es gefährlich, wenn nur noch Forschung gefördert wird, die viele Unterstützer findet. Aber davon sind wir weit entfernt. Und so kann man aktuell einen besseren Austausch zwischen Forschung und Öffentlichkeit nur begrüßen und unterstützen.

Und was passiert mit den Ergebnissen Ihrer Studie?

Die veröffentlichen wir. Natürlich mittels Open Access, so dass jeder, sich die Ergebnisse anschauen kann.

Vielen Dank für das Interview!


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