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Wissenschaftsbarometer 2016: Anmerkungen zu den Ergebnissen

08. September 2016

  • Erstellt von Ricarda Ziegler
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Anfang Juli haben wir zum dritten Mal die Ergebnisse des Wissenschaftsbarometers veröffentlicht – unserer jährlichen Bevölkerungsumfrage zu Wissenschaft und Forschung in Deutschland. In der Broschüre findet ihr die repräsentativen Ergebnisse für die Gesamtbevölkerung und die Ergebnistabellen liefern Infos zu Einstellungen und Meinungen verschiedener Subgruppen. Wie auch in den letzten Jahren gibt es hier im Blog noch ein paar Funde aus den diesjährigen Umfrageergebnissen.

Wissenschaftler werden in der öffentlichen Debatte um Flucht und Integration kaum wahrgenommen

Neu, aktuell und deshalb besonders spannend sind die Fragen zur Wahrnehmung der Berichterstattung über Flüchtlinge und Integration. Denn wer zu diesem Thema in Nachrichten, Interviews und Talkshows zu Wort kommt, das sind vor allem Politiker oder Vertreter der Wirtschaft oder auch der ein oder andere Promi, (bei dem man sich auch mal wundert, was der denn jetzt eigentlich dazu zu sagen hat).

Die Stimmen von Wissenschaftlern und damit auch wissenschaftliche Erkenntnisse, Forschungsergebnisse und darauf aufbauende fundierte Aussagen zum Thema vernimmt man eher weniger. So sehen das auch knapp drei Viertel der Befragten des Wissenschaftsbarometers: Sie gaben an, dass wissenschaftliche Erkenntnisse bei der Berichterstattung über Flüchtlinge nicht ausreichend berücksichtigt werden. Außerdem antworteten circa zwei Drittel der Befragten, dass Wissenschaftler in der Berichterstattung nicht ausreichend zu Wort kommen – das „schlechteste“ Ergebnis aller abgefragten Personengruppen.

Um dem zumindest etwas entgegen zu wirken, hat WiD auf diese Ergebnisse reagiert und im August den Debattencheck gestartet: In verschiedenen Formaten gehen wir die Lücke zwischen Ängsten und Vorurteilen in der Bevölkerung und dem Stand der Forschung an und versuchen – aufbereitet in verschiedenen Formaten – deutlich zu machen, welches wissenschaftlich gesicherte Wissen es zu Themen rund um Flüchtlinge und Integration gibt. 

Und was hat das Wissenschaftsbarometer 2016 sonst noch Spannendes zu bieten?

Bei den Fragen und Items, welche schon im dritten Jahr Teil des Fragebogens waren, konnten wir nun auch erste kleine Entwicklungen ablesen: Mehr Befragten gaben in diesem Jahr an, interessiert an Wissenschaft zu sein (2016: 41 Prozent, 2015: 36 Prozent, 2014: 33 Prozent) und der Anteil derjenigen, die es wichtig finden, in Entscheidungen über Wissenschaft und Forschung einbezogen zu werden, ist auch ein wenig größer geworden (2016: 40 Prozent, 2015: 34 Prozent, 2014: 33 Prozent). Natürlich ist diese positive Entwicklung noch mit Vorsicht zu genießen, da sie bisher nur auf drei Erhebungzeitpunkten beruht. Ergänzen lässt sich der Vergleich jedoch noch um die Ergebnissen aus dem Eurobarometer 73.1 von 2010: Vor sechs Jahren antworteten hier nämlich 32 Prozent der Befragten in Deutschland Interesse an neuen wissenschaftlichen Entdeckungen und technologischen Entwicklungen zu haben.

Was denken verschiedene Gruppen der Gesellschaft? 

Die Antworthäufigkeiten für verschiedene Subgruppen der deutschen Gesellschaft zeigen ebenfalls spannende Erkenntnisse: Bei zwei Gruppen weicht das Antwortverhalten oftmals von den Gesamtergebnissen ab. Zum einen bei den Personen mit einem hohen formellen Bildungabschluss, also mit mindestens abgeschlossenem Abitur oder einem Hochschulstudium, und zum anderen bei der Gruppe der Schüler. Gut gebildete Menschen sind tendenziell stärker an Wissenschaft und Forschung interessiert und nutzen viele der Informationswege über Wissenschaft deutlich häufiger als weniger Gebildete. Sie schreiben der Wissenschaft einen größere Nutzen zu als der Durchschnitt und haben bei vielen Themen größeres Vertrauen in Wissenschaftler.

Auch die befragten Schüler gaben an, interessierter an Wissenschaft zu sein und nutzen besonders auch die Online-Informationswege wie soziale Medien, Blogs, Foren und Youtube (85 Prozent!), um sich über Wissenschaft und Forschung zu informieren. Auch sie sehen tendenziell einen höheren Nutzen der Wissenschaft und vertrauen den Aussagen von Wissenschaftlern besonders stark beim Thema Erneuerbare Energien. Bei der Beurteilung von neuen Technologien mit unbekannten Risiken zeigen sich Schüler tendenziell weniger risikofreundlich und sie würden – wenn Staatsausgaben reduziert werden müssten – der Forschungsförderung weniger Vorrang einräumen und die Ausgaben für Forschung eher im gleichen Verhältnis zu anderen Politikbereichen kürzen.

Interessanterweise sind diese beiden auch die Zielgruppen, die mit den Formaten der Wissenschaftskommunikation wohl am meisten/häufigsten erreicht bzw. zu erreichen versucht werden. Offen bleibt die Frage, ob es hier einen Zusammenhang gibt und wie sich ggf. Einstellungen und Verhalten gegenüber Wissenschaft und Forschung und Formate der Wissenschaftskommunikation bedingen.

Und wer wird eigentlich wie erreicht?

Die Ergebnisse des Wissenschaftsbarometer 2016 wurden auch von verschiedenen Bloggern aufgenommen und vielfältig kommentiert (z. B. hier im Blog Astrodicticum simplex von Florian Freistetter). Eine Erkenntnis war dabei, dass sich das Umfeld der Wissenschaftsblogger und -leser doch noch stärker vom „deutschen Durchschnittsbürger“ und seinen Vorstellungen von und Einstellungen gegenüber Wissenschaft unterscheidet als erwartet. Eine Frage, die in diesem Zusammenhang aufgeworfen wurde und die ich sehr spannend finde, handelt vom Informationsverhalten der Befragten, die angeben, an Wissenschaft interessiert zu sein. Wie sehen die Zahlen für Offline- und Online-Informationsverhalten aus, wenn man nach dem Interesse an Wissenschaft filtert? Und welche Rolle spielt dabei das Alter, welches in Bezug auf die gesamte Stichprobe und das Nutzungsverhalten von Fernsehsendungen, Magazinen und Zeitungen oder Online-Angeboten zu Wissenschaft deutliche Differenzen für verschiedene Altersgruppen aufweist?

Nicht wirklich überraschend ist, dass die berichtete Nutzung bei fast allen Informationskanälen – analog wie digital – für die Interessierten deutlich höher ist als für die gesamte Stichprobe. Manche Alterseffekte, die sich auf schon in Bezug auf die gesamte Stichprobe abzeichnen, treten aber noch deutlicher hervor, wenn man das Interesse an Wissenschaft vorher als Filter einsetzt.

Beispielsweise in Bezug auf das Lesen von Artikeln zu wissenschaftlichen Themen in gedruckten Magazinen und Zeitungen besonders durch Ältere oder die Informationsbeschaffung zu Wissenschaft im Internet durch Jüngere.

Für die Kategorie „Facebook, Twitter und andere soziale Netzwerke“ zeigt sich dabei noch eine Besonderheit: In der gesamten Stichprobe nutzen 31 Prozent diese, um sich im Internet über Wissenschaft und Forschung zu informieren. Unter den Interessierten sind es „nur“ fast genau so viele – nämlich 30 Prozent, während bei allen anderen abgefragten Informationswegen die Werte für die Interessierten deutlich höher liegen. In der Gruppe der 14- bis 29-Jährigen wird dies noch deutlicher: 45 Prozent der Interessierten und 54 Prozent aller 14- bis 29-Jährigen antworteten hier mit „Ja“. Vielleicht sind soziale Netzwerke für die Wissenschaftskommunikation also eher geeignet, um die Uninteressierten zu erreichen? Das kann man hieraus wahrscheinlich nicht direkt schlussfolgern, aber es ist ein spannender Fund, den es zu bestätigen oder zu widerlegen gilt.


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