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„Wissenschaftskommunikatoren müssen Zauber in die Vermittlung bringen“ – Patrick Breitenbach über Storytelling in der Wissenschaft

17. November 2017

  • Erstellt von Katja Machill
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Patrick Breitenbach. Quelle: breitenbach.de

Patrick Breitenbach leitet bei ZDF Digital den Bereich Beratung & Innovation und schreibt regelmäßig eine Kolumne über Wissenschaft und Netzkultur im Merton Magazin. Er ist zudem Berater, Autor, Dozent und Format- und Konzeptentwickler, gelernter Mediendesigner,  Podcaster  und – passionierter Geschichtenerzähler. Seine Themen: digitaler Wandel und digitale Transformation. Auf dem 10. Forum Wissenschaftskommunikation wird er als Keynote Speaker für fesselndes Storytelling in der Wissenschaft plädieren. Wir haben schon mal vorgehorcht, was es damit auf sich hat. 

Die beste Geschichte gewinnt – wie meinen Sie das?

Der Titel meiner Keynote ist zurückzuführen auf ein Zitat meines Lieblingsphilosophen Heinz von Foerster, der selbst auch Naturwissenschaftler war: Im Grunde genommen beruht jedwede Wissenschaft auf Theorien, zum Beispiel die Urknall-Theorie. Daher ist sie zunächst einmal eine Art Erzählung. Und wer es schafft die Theorie am besten zu erzählen, so dass sie sich vielleicht sogar erfolgreich von alleine verbreitet, der setzt sich durch. Dann gilt auch die Theorie irgendwann als gesetzt. Eine Theorie steht und fällt – neben der Sauberkeit der Forschungsmethoden – eben auch immer mit der Art und Weise des Erzählens und der Vermittlung. Es gibt sicherlich viele verkannte Genies da draußen, die super Theorien haben, aber die diese Vermittlung vielleicht einfach nicht hinbekommen. Wenn wissenschaftliche Institution ein Interesse daran hat, dass sich Theorien, Ideen, Erkenntnisse verbreiten, dann muss man sich zwangsläufig auch irgendwann mit Storytelling beschäftigen.

Wann haben Sie zum ersten Mal mit einer Geschichte etwas gewonnen und was war das?

Es war sicher nicht das erste Mal, aber passend zum Thema Storytelling und Wissenschaft muss ich natürlich den Soziopod nennen, den ich seit vielen Jahren gemeinsam mit dem Erziehungswissenschaftler Nils Köbel produziere. Das ist ein Podcast rund um soziologische, philosophische und psychologische Themen. Wir bedienen uns nicht nur der Mechanik eines lockeren Zwiegespräches zur Vermittlung von Inhalten, wir erzählen dabei auch ganz viele kleine Geschichten. Unmittelbar „gewonnen“ haben wir damit zum Beispiel den Grimme Online Award. Aber der größte Gewinn für uns ist eher die geniale Resonanz unserer mittlerweile groß gewachsenen Hörerschaft. Ich glaube, der Erfolg unseres Projektes besteht darin, dass wir nicht nur nüchterne wissenschaftliche Fakten runter beten, sondern die auch gut in Geschichten packen. Eigentlich besteht großer Teil meiner Arbeit als Berater und Konzepter daraus, Ideen zu entwickeln und andere Menschen davon zu überzeugen. Das gelingt am besten mit Storytelling. 

Woher kommt Ihr starkes Interesse am Geschichtenerzählen? 

Es gab da tatsächlich ein echtes Schlüsselerlebnis in der Grundschule. Da gab es eines Tages die Aufgabe, dass wir Werbung für Dachziegel machen sollten. Klingt ja erstmal super langweilig. Aber ich hatte irgendwie super viel Spaß daran, mit einer verrückten Geschichte dieses langweilige Produkt etwas aufzupeppen. Was ich dann gemacht habe war, Dachziegel zu erfinden, die fliegen konnten. Und das war noch vor Red Bull. Das war natürlich völlig absurd, fernab jeder Realität, aber es kam super in der Klasse an. Und das war so mein Moment, bei dem ich dachte, es ist sehr spannend Geschichten zu erfinden, die Leute begeistert und die darüber dann weitersprechen. Das war wohl einer der prägenden Momente in meinem Leben, die mich vielleicht zu meinem heutigen Tätigkeitsfeld geführt haben. Ich liebe es Geschichten zu erfinden und sie zu inszenieren. Vor allem auch gerne für andere Menschen, Organisationen und Unternehmen.

Womit beginnen Sie, wenn Sie aus einer nüchternen Nachricht eine Geschichte machen wollen? 

Ich schaue mir dabei alle wichtigen Komponenten an. Was ist die Botschaft, die vermittelt werden soll, also die blanke Information. Meistens ist die schon interessant genug, so dass man dazu dann nur noch eine passende Form, Ästhetik und Inszenierung entwickeln muss. Ist die nicht gegeben, so muss ich tiefer graben und naheliegende Verknüpfungen aufdecken, die interessant sind. Oder auch ganz offen damit umgehen und die Frage stellen: Was fehlt, damit es interessant wird, und kann man das Fehlende noch real erschaffen? Der andere Teil meiner Arbeit besteht aus dem guten alten Zufall. Ich lasse mich gerne treiben und experimentiere gerne vor mich hin. Vor allem mit neuen Medien und Technologien – also neuen Trägern von Geschichten.

Können Sie dazu ein konkretes Beispiel nennen? 

Damals poppte der neue Kanal Snapchat auf, den vor allem jüngere Menschen nutzten und Leute in meinem Alter waren eher überfordert. Das ist für mich immer ein Signal: Das musst du dir angucken, wenn das so polarisiert. Neugier, ist also eine weitere wichtige Eigenschaft, um gute Geschichten zu entwickeln. Jedenfalls habe ich mir damals bei Snapchat überlegt: Wie kann ich diesen neuen Kanal so bespielen, dass er auch für diese Zielgruppe interessant ist? Ich habe da immer das Mantra des Medienwissenschaftlers Marshall McLuhan vor Augen: „The medium is the message.“ Also die Medienform bestimmt auch maßgeblich die Art der Geschichten. Und dann habe ich mich gefragt, weil ich ein großer Bildungsfan bin, wie kann ich die Eigenheiten des neuen Kanals dazu nutzen, um Bildungsinhalte zu vermitteln. Ich habe dann einfach mal ein Format entwickelt dass sich SNPCHT WSSN nannte und habe zwei Probeepisoden produziert. Eine über den Pygmalion-Effekt, die andere über das Instanzenmodell von Sigmund Freund. Und das war dann wohl ganz gut. Es hat sogar die Runde bei einigen Lehrern gemacht, die das begeistert in ihren Unterricht eingebaut haben. Eben weil es offenbar so nah an ihrer Zielgruppe war.

Wie hat diese Geschichte begonnen? Mit „Es war einmal…“?

Story heißt ja nicht, dass es mit „Es war einmal“ beginnen muss. Es geht auch weniger darum, diese klassische Erzählstruktur eines Märchens zu haben, sondern da geht’s eher darum, ob ich die Sprache der Leute spreche, denen ich das erzähle. Verpacke ich das in nachvollziehbare Metaphern und Bilder? Mache ich popkulturelle Referenzen und so weiter. Da bin ich Fan einer konstruktivistischen Didaktik, die sagt, ich muss an dem andocken, was die Leute schon kennen. Deswegen finde ich es zum Beispiel wichtig, sich auf die Lebenswelt von jungen Leuten einzulassen, wenn man ihnen etwas vermitteln möchte. Also auch mal etwas wagen und Lerninhalte zum Beispiel per Hip-Hop, Gaming oder Popinhalte vermitteln. Das ist für mich das Essentielle am Storytelling. Die Anschlussfähigkeit an das Bestehende, an die Interessen und Grundbedürfnisse der Menschen. 

Und wie kommt da die Wissenschaft ins Spiel?

Was früher magisch und mythisch war, macht die Wissenschaft kaputt, indem sie aufklärt. Das ist in vielerlei Hinsicht unbestritten gut und wichtig, aber durch diese Form der Entzauberung verlieren die Menschen am Ende auch wieder etwas. Es entstehen dabei Lücken, die gefüllt werden müssen, weil Menschen fantasiebegabte Wesen sind, die sich ihre Wirklichkeit selbst erschaffen (Konstruktivismus). Und das Zauberhafte ist für uns offenbar sehr wichtig. Ein Beispiel: Ich gucke mir einen tollen Magier auf der Bühne an. Ich bin begeistert von der Show. Ich will schon wissen, wie er mich bezaubert. Aber in dem Moment, in dem ich weiß, wie der Trick ist, ist die Show gelaufen. Dann verschwindet das Zauberhafte, weil ich die Erkenntnis habe, dass gar nichts Magisches dahinter ist. Der Reiz an der Zauberei ist aber genau das Spiel mit der Unwissenheit.

Also mehr Magie in die wissenschaftlichen Fakten bringen?

Jein. Wissenschaft an sich muss so bleiben wie Mr. Spock. Durch und durch kantianisch. Also Vernunft und Ratio pur. Saubere Methodik, nüchterne Fakten schaffen. Aber die Vermittler der Wissenschaft, die Wissenschaftskommunikatoren, müssen den Zauber in die Vermittlung bringen. Und an dem Punkt – sofern Wissenschaft nicht unter sich bleiben will, sondern auch einen echten Impact für die Gesellschaft schaffen möchte – muss sich Wissenschaft für Kunst und Kultur öffnen.  Ich glaube, dass man Menschen mit Wissenschaft begeistern kann, wenn es vielleicht auf den ersten Blick nicht wie Wissenschaft aussieht. Es gibt zum Beispiel die Comedy-Serie „Big Bang Theory“, wo es im weitesten Sinne um Wissenschaft geht. Also um eine Wissenschaftler-WG voller Nerds, die auf den ersten Blick gar nicht cool erscheinen, aber im Laufe der Serie alle zu Helden werden. Dadurch wird auch die gesamte Wissenschaft zu einer Liga von Helden. Die Serie vermittelt wissenschaftliche Attitüde, leicht schräg, aber sympathisch. Das ist nur ein Beispiel dafür, wie man mit Popkultur eine Lanze für Wissenschaft brechen kann. Diese Meta-Ebene ist mir extrem wichtig. Denn genau dadurch entsteht wirklich großes Agenda Setting, im Sinne von: Es wird ein Diskurs geprägt. 

Eine ziemlich große Angelegenheit.

Ich gebe mal ein fieses Gegenbeispiel: Der Erfolg von Extremismus, sei es Islamismus oder Rechtsextremismus, basiert eben leider auch darauf, dass diese Ideologien einfach „gute Geschichten“ erzählen. Sie schaffen es sogar mit Geschichten die Todesangst zu überwinden und Menschen ins Verderben zu stürzen. Diese Geschichten sind einerseits extrem hasserfüllt, andererseits müssen sie aber eben auch Geborgenheit, Heldentum und Zusammengehörigkeit vermitteln, um Leute an sich zu binden, indem sie ihnen etwas erzählen, was ihnen einen Sinn gibt. Das sind meistens Leute, die nach Sinn suchen, weil sie desillusioniert sind. Sie suchen den Zauber und finden ihn dann leider viel zu oft in diesen schrecklichen Geschichten. Von daher sehe ich es als eine gesellschaftliche Pflicht, dass Wissenschaft dazu ein Gegenmodell bietet. Eben auch versucht Sinn zu vermitteln, aber mit einem komplett anderem, humanistischen und pluralen Wertegerüst. Wir forschen, damit wir alle zusammenfinden. In diese Richtung. Übrigens ist die Utopie eine ganz fantastische Art des wissenschaftlichen Storytellings. Was zum Beispiel StarTrek seit vielen Jahren erfolgreich beweist.

Wenn wir uns jetzt mal in eine Kommunikationsabteilung einer Universität reindenken – was kann die tun?

Ich glaube, dass es ganz unterschiedliche Talente von Geschichtenerzählern gibt. Egal in welchen Fachbereich die verortet sind. Die gilt es zu entdecken, zu fördern, miteinander zu vernetzen: Wer ist bei uns im Haus eigentlich ein guter Geschichtenerzähler? Wer hat ein Händchen fürs Dozieren? Wer hat einen guten Draht zu den Studierenden und den Lebenswelten? Gleiches gilt aber auch auf anderen Ebenen. Ich brauche auch eine gewisse Art von Storytelling, wenn ich beispielsweise Drittmittel gewinnen möchte. Und dann kann man gemeinsam überlegen, was man konzeptionell entwickeln könnte, um die eigene Botschaft interessant zu verpacken. Wenn man diese Kompetenz nicht im Haus hat, kann man sie sich von draußen einkaufen, sich beraten lassen – was dann ja auch mein Job ist – oder versuchen mit Medien zu kooperieren. Wir als ZDF Digital, als Medienproduktion, entwickeln auch für die Wissenschaft Geschichten. Zum Beispiel erstellen wir für ZDF Info die Facebook-Inhalte und experimentieren dort mit Science Slam Formaten, Animationsfilmen und Live-Formaten. Wir holen dann auch sehr oft Wissenschaftler oder Wissenschaftskommunikatoren an Bord, die wir interviewen, oder mit denen wir dann sogar gemeinsam eigene kleine Formate entwickeln. 

Und der beste Geschichtenerzähler ist selbst Wissenschaftler?

Das muss nicht immer der Wissenschaftler aus Fleisch und Blut sein. Das kann auch ein Avatar sein, etwa eine Comic-Figur, ein Schauspieler oder eine Stimme aus dem Off. Es muss aber jemanden geben, der einer wissenschaftlichen Geschichte die notwendige Substanz verleiht. Das ist die Gratwanderung in der Wissenschaftskommunikation. Es muss valide bleiben und doch genügend Fantasie drin stecken. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Wissenschaftler selbst Storytelling betreibt ist eher selten, aber auch da gibt es wunderbare Leute, die das können, so wie ein Gerd Scobel oder ein Harald Lesch. Natürlich ist es nicht einfach, die zu identifizieren. Aber oftmals scheitert es einfach daran, dass man das alles nicht weiß, nicht wirklich als wichtig betrachtet und aktiv gar nicht auf die Suche geht. Da möchte ich die Menschen im Wissenschaftsbetrieb unbedingt ermutigen, mal in neue Richtungen zu denken. Da habe ich so ein paar Ideen, über die ich in meiner Keynote gerne sprechen werde.

Also gehört ein Geschichtenerzähler-Scout ins Kommunikationsteam?

Sofern die Wissenschaft ein Interesse daran hat, im breiten öffentlichen Diskurs stattzufinden, dann ja. Unbedingt! 

Die Inhalte des Interviews spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung unserer Redaktion wider. Wir freuen uns auf eine Diskussion nach der Keynote am 27. November um 13.45 Uhr auf dem 10. Forum Wissenschaftskommunikation in Braunschweig.


2 Kommentare

  1. Oliver Hauss am 18.11.2017

    Ich gebe Patrick Breitenbachs in einigen Punkten recht, insbesondere was die Kommunikation und die Notwendigkeit des Storytelling angeht. Wie Randy Olson, selbst früher Wissenschaftler und jetzt Filmemacher, in seinem Buch "Houston, we have a narrative" ganz richtig anmerkt, ist die Grundstuktur einer wissenschaftlichen Veröffentlichung eine narrative. Ich selbst drücke es gerne so aus: Eine Gruppe unermüdlicher Helden (die Autoren), getrieben von bestimmten Missständen (Einleitung), zieht aus auf eine Queste nach Wissen, diese Missstände beseitigen zu können. Dafür sind mehrere Prüfungen notwendig (Methoden), bei denen sie bestimmte Beobachtungen machen und in Erfüllung ihrer Queste bestimmte Dinge lernen (Ergebnisse), aus der sich eine bestimmte Moral ableiten lässt (Diskussion). Der wichtige Punkt ist, dass narrativ eben nicht notwendigerweise fiktiv ist, kein Ammenmärchen, keine Übertreibung, sondern einen logischen Ablauf beschreibt, der Spannung aufbaut, anstatt einfach nur Fakten aufzulisten.

     

    Wo meine Probleme mit Breitenbachs Ausführungen anfangen, ist das magisch-mythische. Wenn ich es natürlich strikt als "magisch-mythisch" im Sinne von "übernatürlich" interpretiere, hat Breitenbach recht. Wenn ich mich aber dem Problem im Sinne des englischen Konzeptes eines "sense of wonder" nähere, so kann ich die Frage aufwerfen, ob "Frau Holle" wirklich das faszinierendere Konzept gegenüber der geometrischen Form einer Schneeflocke ist oder ein "Hat halt jemand so entschieden, das so zu machen" faszinierender ist als die Entstehung der Gesamtheit des Lebens wie wir es kennen aus Bauplänen, die mit der selben Handvoll Buchstaben geschrieben sind.

    Einstein schrieb an Otto Juliusburger "Solche Menschen wie wir beide sterben zwar alle, aber sie werden nicht alt, solange sie leben. Ich meine damit, sie stehen immer noch neugierig wie Kinder vor dem grossen Rätsel, in das wir mitten hineingesetzt sind."

     

    Und gerade hier ist Breitenbachs Ruf nach "Vernunft und Ratio" fatal. Abgesehen davon, dass die Wissenschaftstheorie ja schon vor geraumer Zeit bemerkt hat, dass es praktisch unmöglich ist, an ein Problem vollkommen unvoreingenommen heranzutreten, existiert die wissenschaftliche Methode nicht zuletzt eben dafür, durch rigorose Methodik die Folgen dieser "Unvernunft" einzugrenzen. Wir werden aus Menschen nie Vulkanier machen. Das ist meines Erachtens aber auch gut so - wenn ich keine Leidenschaft für das Thema habe, dann wird die Doktorarbeit zur Qual. Und auch die nicht seltenen 60+-Stunden-Wochen sind kaum über "Vernunft und Ratio pur" zu verargumentieren, wenn man sich Forschungsarbeiten zu den gesundheitlichen Auswirkungen von 50+-Stundenwochen anschaut.

     

    Die Forderung nach einer "rein kantianischen Wissenschaft" ist es meines Erachtens nicht zuletzt auch, die letztlich die Probleme in der Kommunikation verursacht - die Kommunikation ist schließlich ein intrinsischer Teil des Wissenschaftsbetriebs, sie findet ja mitnichten nur nach außen statt. Eine dysfunktionale Kommunikation lähmt aber auch den Wissenschaftsbetrieb und man muss nur einmal über einen Kongress gehen und sich die Vorträge dort anhören, um das Ausmaß des Problems zu verstehen. Unter der Maßgabe ja nur Fakten aufzuzählen findet sich ein Konglomerat von "Death by PowerPoint", das oft seinesgleichen sucht... Leidtragend ist die Wissenschaft selbst, da die Weiterverbreitung des Wissens kritisch notwendig ist und eine dysfunktionale Kommunikation diese lähmt. Wer die Zuhörer in den Tiefschlaf oder an ihre Smartphones oder gar Laptops drängt, vergeudet nicht nur die Zeit des Vortrags sondern verhindert eben auch ihren Erkenntnisgewinn zum Zeitpunkt des Vortrags. Der Ruf nach rein kantianischer Wissenschaft bei gleichzeitig narrativer Kommunikation baut daher meines Erachtens eine unüberbrückbare Dichotomie auf, die auch der Wissenschaft selbst schadet. Saubere Methodik - selbstverständlich. Aber eben WEIL wir Menschen sind und keine Vulkanier. Sonst könnten wir uns Peer Review etc. vermutlich sparen.

     

    Wenn wir dagegen bereit sind, die Faszination Wissenschaft, den "sense of wonder" weiterzutragen, sowohl innerhalb der "scientific community" als auch nach außen, und, selbst begeistert, andere zu begeistern, sind wir ein großes Stück weiter.

  2. Patrick Breitenbach am 20.11.2017

    Lieber Herr Hauss,

     

    danke für Ihr ausführliches und reichhaltiges Feedback. Viele tolle ANregungen dabei, die ich gut für die Keynote gebrauchen kann.

     

    Die Forderung nach einer vulkanischen Wissenschaft bezog sich rein auf die Methodik. Gerade weil so viel Emotion und Leidenschaft bei Menschen im Spiel ist, benötigt Wissenschaft den Gegenpol der Logik und Vernunft. Ansonsten erforschen wir nur das was wir am Ende sehen wollen, eben weil unser herz so sehr für eine Theorie schlägt. Wissenschaftler sollten aber allzeit bereit sein, ihre Erwartungen der Ratio unterzuordnen, erst dann erhalten wir einen echten Erkenntnisgewinn. Vernunft - als der Gegenpol zur Emotion - stellt das Ergebnis von Wissenschaft erst auf stabile Beine und sorgt zudem dafür, dass die wissenschaftlichen Narrative eine glaubwürdige Substanz erreichen. Ratio ist ein Schutzmechanismus für die Narrative, denn stellen Sie sich mal vor die Wissenschaftler sagen: Das haben wir aus dem Bauch heraus erforscht, dann können sie das gesamte Narrativ schon in die Tonne treten.

     

    Ich sage das eben auch deshalb, weil die Wissenschaft an sich aus dieser kantianischen Haltung - auch als Gegenpol zur emotional überhöhten Religion - entstanden ist. Ratio ist damit ein nicht unwichtiger narrativer Kern. Wissenschaft gilt als objektiv, vernünftig, sachlich-nüchtern - auch wenn sie das oft genug nicht ist. Das wiederum führt dann eben leider auch oft zur Langeweile und zur Entzauberung. Mir geht es aber eben gar nicht um das "entweder oder", sondern um das "sowohl als auch".

     

    Hätte ich geschrieben: Wissenschaftsmethoden sollten durch und durch leidenschaftlich, emotional und narrativ getrieben sein, so hätte meine Geschichte keinen Anschluss gefunden. Aus meiner Sicht muss es eben beides geben: Spock und Kirk, damit das Raumschiff Wissenschaft auf Kurs bleibt.

     

    Im Übrigen sollen Menschen natürlich nicht zu Vulkaniern werden, sondern vulkanische Techniken in bestimmten Bereichen praktizieren. Vielleicht hilft das ja weiter. Ich plädiere also für eine Balance. Leidenschaftliche Forscher nutzen rationale Methoden und erzeugen Erkenntnisse, die auf rationalen Methoden basieren und die mit großer Leidenschaft weiter erzählt werden. So in etwa stelle ich mir das vor.

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