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Prof. Dr. Herbert Brücker

Foto: Stefan Brending
Foto: Stefan Brending

Wie sieht die erste repräsentative Studie zu Einstellungen von Flüchtlingen aus – ein Gespräch mit Prof. Dr. Herbert Brücker. 

Prof. Dr. Herbert Brücker ist Leiter des Forschungsbereichs „Internationale Vergleiche und Integration“ am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bamberg.

13.9.2016

Sie arbeiten gerade gemeinsam mit dem BAMF und dem SOEP an einer repräsentativen Studie zu den Einstellungen der Flüchtlinge. Welche Fragen stellt die neue Studie und welche Antworten könnte sie liefern?

Die Studie ist insgesamt sehr breit angelegt und hat über 400 Fragen. Sie ist bewusst so breit angelegt, damit Forscher aus unterschiedlichen Disziplinen und mit unterschiedlichen Fragestellungen damit arbeiten können. Die Studie ist also auch eine Investition in die Forschungsinfrastruktur für die gesamte Wissenschaftsgemeinschaft. Wir befragen die gesamte Biografie der Menschen, angefangen in den Herkunftsländern. Also auch die Bildungsbiografie, die Erwerbsbiografie und die Migrationsbiografie. Wir haben aber auch vieles noch hinzugefügt, wie Fragen nach Umständen der Flucht und konkrete Fragen nach den Bedingungen in den Herkunftsländern. Dazu ist die Studie eine Längsschnittbefragung. Das heißt wir können die Menschen über die Zeit verfolgen und Veränderungen feststellen, gerade weil sich die Einstellungen, Weltbilder aber auch das Humankapital der Betroffenen über die Zeit wandeln.

Wovon erhoffen Sie sich besonders neue Erkenntnisse?

In einigen Bereichen werden wir Erkenntnisse bekommen, wo es bislang noch nicht viel Ergebnisse gibt. So werden wir mit den Ergebnissen der Befragung Entscheidendes über Flucht, Fluchtursachen, Fluchtwege und Finanzierung der Flucht lernen. Darüber wissen wir eigentlich bisher unglaublich wenig – auch international ist das noch eine große Forschungslücke. Zweitens beinhaltet die Befragung ein Riesenpotential dadurch, dass wir die biografische Komponente in die Fragen integriert haben. Wir wissen dadurch sehr genau, wie die Menschen in ihren Herkunftsländern gelebt haben. Man muss jeden Menschen in seiner Biographie wahrnehmen, um dann auch zu verstehen wie er in Deutschland weiterlebt und sich weiterentwickelt. Das wird die Studie hoffentlich ebenfalls leisten und damit einen Mehrwert für sämtliche Fragen der Integration schaffen. 

Welche Erkenntnisse aus der qualitativen Vorstudie gibt es bereits zu den Einstellungen der Flüchtlinge in Deutschland?

Eine qualitative Studie ist naturgemäß nicht repräsentativ, aber dafür kann man bei den Fragen sehr viel mehr als bei einer quantitativen Befragung in die Tiefe gehen. Das hilft Verhaltensmuster zu erkennen und Motive und Intentionen besser einschätzen. So ist uns aufgefallen, dass beispielsweise die Qualifikationsstruktur der Menschen und deren Kenntnissen und Bildung sehr stark durch individuelle Erfahrungen mit Krieg und Verfolgung geprägt ist. Dies erklärt zu erheblichen Teilen die große Heterogenität in den Bildungsbiografien. Wir haben auch beobachtet, dass viele Leute unabhängig von ihrer bisherigen Biografie unglaublich schnell lernen, z.B. sehr schnell Sprachen lernen. Ein Analphabet lernt nicht zwingend langsamer Deutsch als ein Akademiker.

Wir sehen zum Beispiel auch, dass sich viele Menschen bewusst für Deutschland entschieden haben und sich daher auch abgrenzen von dem, was in ihrem Herkunftsland passiert. Das spiegelt sich auch in ihren Werten wieder. So beobachten wir, dass Prinzipien wie Demokratie, Rechtstaatlichkeit, Regelgebundenheit und Meinungsfreiheit sehr hoch gehalten werden, obwohl, oder vielleicht gerade weil, diese Werte in den Herkunftsländern verletzt wurden. Überrascht hat uns beispielsweise, dass fast alle Befragten vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen für die strikte Trennung von Staat und Religion eintreten. Denn die Befragten sagen zwar, sie sind religiös, aber fast schon im säkularen Sinne, so dass sie die Auslebung der Religion als Teil der Privatsphäre betrachten. Allerdings haben wir auch beobachtet, dass es im Rollenverständnis der Geschlechter nicht immer, aber häufig traditionelle Werte dominieren.

Was kam in der qualitativen Studie hinsichtlich der Integration und dem Zusammenleben mit der deutschen Bevölkerung raus?

Viele Flüchtlinge sagen: Die Deutschen sind sehr hilfsbereit, aber sie sind auch sehr formal. Doch es bleibt ihnen oft zu unpersönlich und zu distanziert. Dabei besteht ein sehr großes Bedürfnis bei den Flüchtlingen ihre deutschen Mitbürger kennenzulernen und viele wünschen sich einen näheren und stärker freundschaftlichen Kontakt. Auch und eben gerade in Freizeit. Davon abgesehen gibt es von Seiten der Flüchtlinge durchweg Lob. Deutschland wird als kinderfreundliches Land geschildert, es gibt eine sehr große Würdigung der Helfer und des Ehrenamts, auch die Polizei wird sehr gelobt. Viele Ergebnisse der qualitativen Befragung sind spannend, einige auch überraschend.

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