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Was wissen wir über Sorgen und positive Erfahrungen in unserer Gesellschaft mit Geflüchteten – ein Interview mit Petra-Angela Ahrens. 

Petra-Angela Ahrens ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Sozialwissenschaftlichen Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland. Sie ist Autorin der Studie „Skepsis oder Zuversicht? Erwartungen der Bevölkerung zur Aufnahme von Flüchtlingen zwischen November 2015 und August 2016“.

10.11.2016

Welcher konkreten Frage geht die Studie nach?

Die Studie hat den Ansatz in der öffentlichen Debatte gefunden. Als im Herbst 2015 die Stimmung der Medien bezüglich der Berichterstattung über Geflüchtete vermeintlich kippte, wollten wir dem genauer nachgehen und die Zusammenhänge aufspüren. Wir haben deswegen ganz konkret gefragt, ob Deutschland nach Ansicht der Befragten die Herausforderungen durch die Aufnahme der Flüchtlinge bewältigen kann. Also danach, wie es um die Einschätzung des „Wir-schaffen-das“ steht. Die weiteren Fragen befassen sich mit den Sorgen und den positiven Entwicklungen, die die Menschen mit der Aufnahme der Geflüchteten verbinden. Die haben wir dann auf die übergeordnete Fragestellung bezogen. Genauso auch die Fragen nach direkten Kontakten zu Geflüchteten und dem Engagement.

Kann Deutschland die Herausforderungen durch die Aufnahme der Geflüchteten bewältigen?

Die Stimmung dazu ist geteilt. Das war sie schon im November 2015 und das gilt auch noch im August 2016. Und die Sorgen der Bevölkerung sind nach wie vor groß. Gleichzeitig gibt es überwiegend positive Erfahrungen im eigenen Umgang mit Geflüchteten. Dies sind aber keine Gegensätze. Das eine ist die Ebene individueller Erfahrungen und das andere betrifft befürchtete Veränderungen in der Gesellschaft. Wir haben herausgefunden, dass für die eher skeptische Sicht zur Bewältigung der Herausforderungen in Deutschland das mangelnde Vertrauen in die staatliche Handlungsmacht ein entscheidender Faktor ist. Auf der Positivseite haben wir demgegenüber die eigenen Erfahrungen im Kontakt mit Geflüchteten als wichtigste Komponente. Und wir sehen, dass immer mehr Menschen – auch in den östlichen Bundesländern – Kontakt zu Geflüchteten haben.

Welche Unterschiede gibt es zwischen Ost und West?

Die Menschen im östlichen Deutschland sind insgesamt sehr viel skeptischer, was die Frage der Bewältigung der Herausforderung angeht. Bei nahezu allen Sorgen gilt ebenfalls, dass die Menschen im östlichen Bundesgebiet diese häufiger haben. Aber: Dort überwiegen die positiven Erfahrungen durch individuelle Kontakte zu Geflüchteten ebenfalls und es fällt auf, dass sie in den letzten Monaten stark zugenommen haben. Sie dominieren dort inzwischen noch stärker als im Westen. Das ist eine sehr beachtliche Entwicklung.

Welche Erkenntnisse hat die Studie noch zu Tage gebracht?

Es hat sich in vielen Ergebnissen der Befragung gezeigt, dass die eigene sozioökonomische Lage ein wichtiger Faktor für die Wahrnehmung und Einschätzung der Flüchtlingssituation in Deutschland ist. Höher gebildete und wirtschaftlich besser gestellte Menschen betrachten die Entwicklung in der Regel positiver und gelassener. Der Zuzug der Geflüchteten bedeutet für die weniger gut Gestellten in manchen Bereichen natürlich auch Konkurrenz, wie beispielsweise auf dem Wohnungsmarkt. Es kommt also auch darauf an, inwieweit die sozioökonomischen Voraussetzungen gegeben sind, sich eine zuversichtliche Perspektive ‚leisten‘ zu können.

Mehr zum Thema: Und was tust du? Die Rolle der Freiwilligen in der Geflüchtetendiskussion und die Kultur der Solidarität