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Hat Licht ein Gewicht?

29. September 2021

  • D Naturwissenschaften und Mathematik
Das erste Bild eines schwarzen Loches: Ein roter Kreis in schwarzer Materie. Array

Das erste Bild eines schwarzen Loches (Bild: EHT Collaboration)

Eine Tafel Schokolade wiegt 100 Gramm, ein Apfel ungefähr doppelt so viel. Bei den meisten Dingen, die uns regelmäßig begegnen, können wir grob schätzen, was sie wiegen. Nicht so bei Licht, obwohl es uns permanent umgibt. Warum sollten wir auch? Licht scheint kein Gewicht zu haben, oder zumindest ein so geringes, dass es uns nicht merklich beeinflusst. Stimmt das?  

First of all: Definitionen

Um diese Frage beantworten zu können, muss man zuerst erklären, was mit Gewicht gemeint ist. Denn im alltäglichen Sinne beschreibt Gewicht, wie viel Masse ein Körper hat. Sagt man, der Apfel wiegt 200 Gramm, dann meint man er hat eine Masse von 200 Gramm. Körper, die eine Masse haben, üben aufeinander eine Kraft aus, die Gewichtskraft.  Dabei wird der leichtere Körper in Richtung des schwereren Körpers beschleunigt.  Bei der Erde nennt man das Erdanziehung. Je mehr Masse ein Körper hat, desto stärker wird er von der Erde angezogen. Da die Erde eine deutlich größere Masse hat als etwa ein Apfel oder ein Mensch, zieht sie beides an. Wenn wir etwas wiegen, messen wir im Wesentlichen, wie stark ein Gegenstand von der Erdanziehungskraft „nach unten“ gezogen oder auch beschleunigt wird. 

Wie verhält das sich bei Licht? Licht kann man entweder als elektromagnetische Welle oder als Teilchen, sogenannten Photonen, beschreiben. Diese Photonen bewegen sich mit Lichtgeschwindigkeit. Man kann sie nicht auf die Waage legen und im alltäglichen Sinn haben sie keine Masse. Aber sie haben Energie.

Keine Physik ohne Formel

Und da kommt Einsteins Formel E=mc² zum Tragen. Sie sagt nichts anderes, als dass Masse und Energie eines Teilchens direkt miteinander verknüpft sind. Hat ein Teilchen eine Masse, so hat es auch Energie, umgekehrt hat jedes Teilchen, das über Energie verfügt, auch Masse.  

Die Masse eines Lichtteilchens ist also nicht - wie bei Apfel oder Schokolade - in ihrer Materie, sondern in seiner Bewegung begründet. Dadurch erfährt und bewirkt Licht Anziehung, genau wie der Apfel, der vom Baum fällt.

Um die Anziehung des Lichts zu messen, muss man allerdings auf andere Experimente zurückgreifen und beispielsweise einen Blick ins Weltall werfen. Dort wird Licht von der großen Masse von Sternen - etwa unserer Sonne - abgelenkt. Das führt dazu, dass wir den Stern an einer anderen Stelle sehen, als er in Wirklichkeit ist. Dieser sogenannte Gravitationslinseneffekt zeigt die Krümmung von Licht, wenn es von anderen Körpern - beziehungsweise deren Masse - angezogen und abgelenkt wird. Er ist ein Beweis dafür, dass auch Licht Masse hat.

Mittig: Lichtquelle. Rechts: Zwei Sterne in unterschiedlichen Positionen. Rechts: Erde.
Durch die Sonne (bzw. ihre Masse) wird der Lichtstrahl des Sterns abgelenkt - er wird deshalb von uns an einer anderen als der tatsächlichen Position wahrgenommen. (Bild: DLR, CC-BY 3.0, unverändert)

Betrachtet man von der Erde aus einen Stern, dessen Licht auf dem Weg zur Erde einen massereichen Körper passiert, werden die Photonen von dessen Masse angezogen – der Lichtstrahl wird gebogen. Daher verorten wir den Lichtstrahl an einer anderen Position, als er eigentlich ist. Die Krümmung des Lichts ist Beweis, dass Licht Masse hat. Gleichzeitig kann man anhand der Krümmung die Masse bestimmen – schließlich kann man Licht als solches nicht auf eine Waage stellen. Denn Licht steht niemals still. 

(Wie) Kann man die Masse des Lichts verändern?

Die Masse des Lichts wird bestimmt durch seine Energie. Ändert sich die Energie des Lichts, ändert sich auch seine Masse.  Welche Energie das Licht hat, erkennt man an seiner Frequenz. Das Spektrum der elektromagnetischen Wellen reicht vom Gamma- und Röntgenbereich, über die ultraviolette, sichtbare und infrarote Strahlung bis zu Mikrowellen und Radiowellen. Im sichtbaren Bereich des Lichts entsprechen bestimmte Frequenzbereiche bestimmten Farben, angefangen vom energiereichen blauen bis hin zum energieärmeren roten Licht. Wenn sich die Farbe, oder allgemeiner die Frequenz, von Licht verändert, bewirkt dies auch eine Änderung der Energie und damit der Masse. Dies geschieht zum Beispiel, wenn sich Licht im Gravitationsfeld eines Planeten oder eines Sterns bewegt.

Na und? (Oder warum es ganz schön cool ist, das zu wissen)  

Im Herbst 2020 erhielt der deutsche Astrophysiker Reinhard Genzel den Nobelpreis für seine Forschung zu Schwarzen Löchern. Schwarze Löcher machen ihrem Namen alle Ehre: Sie bestehen aus so dicht gepackter Materie, dass selbst Licht ihr Gravitationsfeld nicht verlassen kann - sie sind dadurch unsichtbar. Genzel konnte unter anderem durch Messung von Lichtkrümmungen ein Schwarzes Loch in der Milchstraße erforschen. Was man also tatsächlich auf dem Bild sieht, ist nicht das Schwarze Loch selbst, sondern Licht, dessen Bahn sich um dessen unsichtbare Masse krümmt.

Phänomene wie dieses können nur richtig interpretiert werden, wenn man begreift, dass Licht Gewicht (im Sinne von Masse) hat. Im Weltraum gibt es viele Körper. Wenn wir nicht wüssten, welche Masse-Eigenschaften Licht hat, könnten wir keine Aussagen über die Lage und Eigenschaften dieser Körper treffen. Kurzum: Wir würden nur wenig vom Weltall und den Galaxien verstehen. Und das wäre doch ziemlich traurig, oder?

Bei der Beantwortung dieser Frage hat uns Dr. Francesco Piazza geholfen. Er leitet am Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme in Dresden eine Forschungsgruppe, die Vielteilchenphänomene an der Grenze zwischen Physik der kondensierten Materie und Quantenoptik untersucht. Sein Ansatz basiert auf quantenfeldtheoretischen Methoden, die auf offene Systeme zugeschnitten sind.

Redaktion: Anna Haberkorn

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