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Hilft eine planetare Sonnenbrille gegen den Klimawandel?

29. April 2020

Wissenschaftler*innen haben mit Klimamodellen getestet, ob eine planetare Sonnenbrille gegen den Klimawandel helfen könnte. Foto: Herbert Goetsch / Unsplash Array

Wissenschaftler*innen haben mit Klimamodellen getestet, ob eine planetare Sonnenbrille gegen den Klimawandel helfen könnte. Foto: Herbert Goetsch / Unsplash

Die Sonne ist unsere Wärmequelle Nummer Eins und gilt als Motor unseres Klimas. Es liegt also nahe, dass das Reduzieren der Sonnenstrahlung zu niedrigeren Temperaturen führen müsste. Unter dem Stichwort „Solar Radiation Management“ (zu deutsch: Management der Sonnenstrahlung) diskutieren Wissenschaftler*innen verschiedene Möglichkeiten, um die Sonnenstrahlung in der Atmosphäre oder schon davor zu reflektieren. Dazu könnten beispielsweise Spiegel in der Erdumlaufbahn, reflektierende Partikel in der Stratosphäre oder das Aufhellen der Wolkenschicht dienen. Diese Methoden sind jedoch hoch umstritten. Die Frage ist nun: Hätten reflektierende Teilchen in der Atmosphäre überhaupt den gewünschten Effekt? Würde es die Klimaerwärmung aufhalten?

Die Strahlung der Sonne besteht aus Frequenzbereichen und Energien. Bestimmte Schichten in unserer Atmosphäre reflektieren und absorbieren Frequenzbereiche der eintreffenden Strahlung. Andere Frequenzbereiche treffen auf die Oberfläche der Erde und werden in Wärme umgewandelt. Diese Wärmestrahlung wird von den Treibhausgasen in der Atmosphäre zurückreflektiert und trägt somit zur weiteren Erwärmung bei.

Wie könnte eine planetare Sonnenbrille aussehen? Die meisten Gase reflektieren nicht ausreichend Strahlung. Gas-Partikel-Gemische, sogenannte Aerosole, können hingegen genügend Strahlung reflektieren, um eine Abkühlung herbeizuführen. Dieser Effekt ist von Naturereignissen bekannt. 1991 brach der Vulkan Pinatubo auf den Philippinen aus und bließ schätzungsweise 17 Millionen Tonnen Schwefeldioxid-Partikel in die Stratosphäre. Diese Schwefeldioxid-Partikel oxidierten dort zu einem Nebel aus Schwefelsäure, der die weltweite Durchschnittstemperatur um 0,5 Grad Celsius senkte.

Weltweit nahmen Meteorolog*innen den Vulkanausbruch als Vorbild und analysierten mit Klimasimulationsmodellen, ob man einen solchen Effekt auch künstlich herbeiführen kann. Die Simulation zeigte, dass die atmosphärische Sonnenbrille nicht für alle Regionen der Erde denselben abkühlenden Effekt hätte. In den Polarregionen könnte sie den Treibhaus-Effekt im dunklen Winter nicht kompensieren. Sonnenreiche Regionen rund um den Äquator würden sich hingegen das ganze Jahr über deutlich stärker abkühlen. Die Folge: In diesen Regionen verdampft weniger Wasser und die globale Niederschlagsverteilung ändert sich.

Die Schwefelaerosole nur dort zu versprühen, wo sie benötigt werden, ist nicht sinnvoll. Innerhalb weniger Monate würden sie sich gleichmäßig in der hohen Atmosphäre verteilen. Zudem sinken die Partikel im Laufe weniger Jahre ab, die Temperatur stiege in Folge wieder rapide an. Der Sonnenschutz müsste also regelmäßig erneuert werden.

Der Atmosphäre eine Sonnenbrille aufzusetzen würde nicht nur das Klima verändern, sondern auch das Leben vieler Organismen. Wir Menschen würden kaum eine Veränderung bemerken. Für Pflanzen ist der von den Schwefelpartikeln reflektierte Wellenlängenbereich zwar entscheidend für ihre Photosynthese, sie könnten von der abgeschwächten direkten Sonnenstrahlung aber sogar profitieren, da sie gewissermaßen weniger Sonnenschutz bräuchten. Ebenso betroffen wäre die Stromproduktion über Solaranlagen - der Großteil der Photovoltaik müssten mit einer Produktionseinbuße von bis zu 30% rechnen.

Zwar könnte die globale Durchschnittstemperatur mit einer Sonnenbrille aus Schwefelpartikeln kurzfristig gesenkt werden, negative und teilweise unvorhergesehene Nebeneffekte wären jedoch die Folge. Klimaforscher*innen sind sich deswegen einig: Solar Radiation Management ist keine Alternative zu einer Reduktion der CO2-Emissionen.

Weitere Informationen zu Solar Radiation Management und Geo Engineering findet ihr bei Die Debatte.

Bei der Beantwortung der Frage hat uns Herr Prof. Dr. Andreas Oschlies vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel geholfen.

 

Redaktion: Inge Fiedler

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