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Ist die Inobhutnahme nach den §§ 42 SGB VIII, 1631b verfassungswidrig?

29. Februar 2008

  • C Geistes- und Sozialwissenschaften

Ist die Inobhutnahme nach den §§ 42 SGB VIII, 1631b verfassungswidrig?

Die gesetzlich geregelte Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII (auch oft KJHG = Kinder- und Jugendhilfegesetz genannt) bietet zunächst einmal Schutz für Minderjährige. § 42 SGB VIII verlangt, dass den Minderjährigen ein Zufluchtort gewährt wird, in dem sie pädagogisch begleitet ihre Krisensituation analysieren können und erstmal Obdach über Tag und Nacht erhalten.

Die Freiwilligkeit ist hier zunächst der oberste Grundsatz.  Eine Freiheitsentziehung im Rahmen der Inobhutnahme ist nur in ganz eng begrenzten Ausnahmefällen denkbar. Sie setzt voraus, dass Gefahr für Leib oder Leben der Kinder und Jugendlichen oder Dritter akut bedroht ist. Eine solche Freiheitsentziehung muss sofort einer gerichtlichen Entscheidung zugeführt werden. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII  bestehen nicht.

Der § 1631b regelt Vorschriften zur elterlichen Sorge, d.h., er will verhindern, dass die Eltern in Ausübung des Sorgerechtes ohne Kontrolle  die Unterbringung des Kindes mit Freiheitsentzug veranlassen (z.B. in Psychiatrische Kliniken). Auch für diese Unterbringung bedarf es einer gerichtlichen Entscheidung. Das Familiengericht hat zu entscheiden, ob das Wohl des Kindes eine Unterbringung wirklich erfordert. Wenn die Unterbringung so dringend ist, dass nicht abgewartet werden kann, muss die gerichtliche Genehmigung unverzüglich - damit meinen Juristen "ohne schuldhaftes Zögern" - nachgeholt werden. 

Da genau dies - ob das Wohl des Kindes gefährdet ist - aber schwer zu bestimmen ist, ist der Paragraph 1631b unter Juristen durchaus umstritten. Er sei zu offen, gewähre zu viel Interpretationsspielraum, sagen Kritiker.

Die "herrschende Meinung" geht aber davon aus, dass der §1631 b verfassungsgemäß sei, da die Rechtsprechung in der Praxis durchaus die maßgeblichen Fälle und die Voraussetzungen für eine Unterbringung selbst verlässlich herausgearbeitet hat. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Gesetze Begriffe enthalten, die in ihrer Bedeutung zunächst nicht eindeutig sind (z.B. "Gefahr im Verzug", "Treu und Glauben" usw). Die Rechsprechung arbeitet laufend mit diesen sogenannten "unbestimmten" Rechtsbegriffen und präzisiert sie über die Urteile, in denen dann ausgeführt wird, was der Richter darunter genau versteht.

Daher gehen die Gerichte - mit der herrschenden Meinung - davon aus, dass auch § 1631b verfassungsgemäß sei.

Die Frage wurde beantwortet von Andreas Hilke, Jurist bei der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport Berlin.