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Kann es den kategorischen Imperativ nach Immanuel Kant überhaupt geben? Warum baut die Ethik auf die Lehren von Kant?

21. Januar 2014

  • C Geistes- und Sozialwissenschaften

Kann es den kategorischen Imperativ nach Immanuel Kant überhaupt geben? Warum baut die Ethik auf die Lehren von Kant?

Dass es den kategorischen Imperativ gibt, ist nach Kant eine Bewusstseinstatsache. Diese gelten in der Philosophie als Beweis. Zudem gibt es in der Philosophie nicht die „eine“ Ethik, sondern verschiedene, die nebeneinander bestehen.

Der kategorische Imperativ ist keine von Kant aufgestellte moralische Regel sondern das Ergebnis einer Analyse der bereits vorhandenen menschlichen Moral. Bei Kant finden sich vier oder fünf verschiedene Formulierungen dazu.  In der „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“ heißt es beispielsweise: „Handle nur nach der Maxime, von der du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Eine andere Form findet sich in demselben Werk: „Handle so, dass du die Menschheit, sowohl in deiner Person als auch in der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.“ Das bedeutet, man solle diejenigen, die man „benutzt“, um seine Ziele zu erreichen, immer auch als Personen wahrnehmen und auf ihre Belange Rücksicht nehmen.

Ein Beispiel für einen kategorischen Imperativ ist die Forderung „Du sollst nicht töten“. Kategorische Imperative gelten ohne jede Bedingung und ohne Rücksicht auf einen bestimmten Zweck. Anders die hypothetischen Imperative. Diese beruhen auf dem Prinzip: Wer den Zweck will, der will auch das dazugehörige Mittel, diesen Zweck zu erreichen. Ein Beispiel wäre: „Wenn du gesunde Zähne behalten willst, putz dir dreimal täglich die Zähne“.

Einige Philosophen sind der Auffassung, es gäbe nur negative kategorische Imperative, also solche im Sinne von „Du sollst dies oder jenes nicht tun“. Dieser Punkt ist in Expertenkreisen umstritten. Ebenfalls umstritten ist die Vermutung anderer, dass es kategorische, also ohne jede Bedingung geltende, Imperative nicht gibt. Das würde bedeuten, so die Kritiker, dass letztlich jede Handlung unter bestimmten Bedingungen erlaubt wäre – bis hin zum Töten von Menschen, wie es bei den Verbrechen des Nationalsozialismus der Fall war. Da auch Gegner des kategorischen Imperativs dem sicher nicht zustimmen, urteilen sie zwar nach dem kategorischen Imperativ, setzen ihn aber nicht in die Theorie um, so die Argumentation der Verfechter des kategorischen Imperativs.

Eine Form des Beweises stellen in der Philosophie Bewusstseinstatsachen dar. Nach Kant hat jedes vernunftbegabte Wesen a priori, also ohne dass dazu Erfahrung nötig wäre, das Bewusstsein, dass es unbedingte Gebote, also den kategorischen Imperativ gibt. Kategorische Imperative wären demnach eine Bewusstseinstatsache. Kants auf dem kategorischen Imperativ gegründete Ethik kann wahr sein, ohne dass andere Ethiken falsch sind. Die „eine“ Ethik gibt es nämlich nicht. Vielmehr existieren verschiedene philosophische Ethiken nebeneinander und ergänzen sich gegenseitig. So befasst sich etwa die Tugendethik von Aristoteles damit, welche Eigenschaften ein Mensch haben sollte. Demgegenüber sagt die Gesetzesethik etwas darüber, nach welchen Gesetzen sich Menschen richten sollten.

Die Frage wurde beantwortet von beantwortet von em. Prof. Dr. Dr. h.c. Norbert Hinske, Kant-Forschungsstelle der Universität Trier.