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Kann man den alpinen Permafrost vorm Auftauen schützen?

19. Februar 2020

Der Permafrost am Zermatter Stockhorn in den Schweizer Alpen erwärmt sich im Zuge des Klimawandels. Foto: Zacharie Grossen / gemeinfrei Array

Der Permafrost am Zermatter Stockhorn in den Schweizer Alpen erwärmt sich im Zuge des Klimawandels. Foto: Zacharie Grossen / gemeinfrei

Weltweit werden Dauerfrostböden, sogenannter Permafrost, im Zuge der Klimaerwärmung immer wärmer. Bohrlochmessungen haben ergeben, dass sich der Permafrost in manchen Gebieten der sibirischen Tundra zwischen 2008 und 2016 um beinahe 1 °C erwärmt hat. Die Folge: Im Boden lebende Bakterien werden aktiv und produzieren das Treibhausgas Methan, das wiederum zur Klimaerwärmung beiträgt. Doch nicht nur in Sibirien, auch im Herzen Europas kann man Permafrost finden – und zwar hoch oben in den Alpen. Ist auch der alpine Dauerfrost vom Klimawandel bedroht? Und wenn ja, können wir ihn vorm Auftauen bewahren?

Die Wissenschaft spricht von Permafrost, wenn die Temperatur des Bodens in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Jahren unter Null Grad bleibt. Abhängig vom Standort kann Permafrost ganz unterschiedliche Formen annehmen. Hier gilt die Faustregel: In der Tundra unter den Füßen, in den Bergen über dem Kopf. Während der Frost in Nordsibirien von einem Horizont zum anderen reicht, beginnt er in den Alpen, je nach Hanglage, erst ab einer Höhe von 2500 bis 3000 Metern und seine Verbreitung ist äußerst variabel. Der Permafrost Sibiriens besteht zum Großteil aus organischem Material – inklusive Tiefkühlmammuts. In den Alpen durchzieht das Eis hingegen Gestein und Geröllmassen, also überwiegend anorganisches Material, und hält das Gelände wie kalter Klebstoff zusammen.

Wie ist der Zustand des Permafrosts in den Alpen? Bohrlochmessungen am Gipfel des Stockhorns in der Schweiz haben ergeben, dass die Bodentemperaturen dort zwischen 2006 und 2018 von -2,6 °C auf -2 °C gestiegen sind. Der heiße Sommer 2018 hat dem Permafrost am Stockhorn ganz besonders zu schaffen gemacht. Die Auftauschicht – das ist die oberste Schicht, welche im Sommer jeweils Temperaturen über 0°C erfährt – erreichte eine Tiefe von 4,8 Metern – ein Rekord in der fast 20-jährigen Messreihe. Erwärmt sich oder taut das Permafrosteis, nimmt die Stabilität der steilen Felsgebiete ab. Bei den Blockgletschern – das sind talwärts kriechende Schuttmassen, die sehr viel Eis enthalten – ist der Einfluss von wärmerem Eis auch gut sichtbar: die Blockgletscher kriechen immer schneller, aktuell vielerorts um mehrere Meter pro Jahr.

Welche Folgen hat das für die Bewohnerinnen und Bewohner der Alpen? Auftauender Permafrost ist ein potentielles Problem für die Infrastruktur im Hochgebirge, für Siedlungen und Bergbegeisterte – und damit auch zunehmend Thema bei den Schweizer Behörden. Auftauende und sich beschleunigende Schuttmassen liefern mehr Material für Murgänge, talwärts stürzende Ströme aus Schlamm und Gestein. Im Fels-Permafrost befürchtet man aufgrund der abnehmenden Felsstabilität mehr Steinschläge und Felsstürze. Tatsächlich treten kleinere Felsstürze vermehrt in den warmen Monaten von Juli bis September auf. Auf größere Brocken trifft das hingegen nicht zu, denn ab ca. 20 Metern Tiefe spielt Sommer und Winter keine Rolle mehr für Bodentemperatur und Felsstabilität.

Inwieweit sich Bergbewohner und -begeisterte in Folge der Klimaerwärmung in Zukunft vor noch mehr herabstürzenden Felsen in Acht nehmen müssen, lässt sich aber noch schwer vorhersagen. Denn Analysen von Permafrost und Felsstabilität sind in dem steilen Gelände technisch extrem schwierig und die Datenlage für verlässliche Steinschlag-Prognosen momentan noch zu dünn.

Doch zurück zur Frage: Wie können wir das Verschwinden des alpinen Permafrosts verhindern? Erster Gedanke: Im Sommer das Gelände abdecken und im Winter freischaufeln. Eine dicke Schneeschicht wirkt isolierend, hält im Frühling die Winterkälte im Boden fest und bewahrt den Permafrost so vorm Abtauen. Weiße Abdeckplanen kommen bereits auf dem Gipfel der Zugspitze zum Einsatz – Deutschlands einzigem Permafrostgebiet. Im Winter kühlt die kalte Luft den Boden aus. Eine Abdeckung wäre dann hinderlich und dafür eher Schneeschippen angesagt. Zweiter Gedanke: Thermosiphons aufstellen. Rund um die Alaska-Pipeline entziehen Thermosiphons – halb im Boden steckende Stahlpfähle – dem Permafrostboden die Wärme und schützen ihn so vor dem Auftauen, ähnlich wie ein Wärmetauscher. Beide Gedanken haben eines gemeinsam: Sie sind großflächig unmöglich umzusetzen. Der Schweizer Permafrost nimmt heute etwa fünf Prozent der Landesfläche ein. Eingriffe dieses Ausmaßes würden nicht nur immense Kosten verursachen, sondern auch wahnsinnig viel Energie verschlingen und ganz nebenher die Landschaft ruinieren.

Die einzige plausible Maßnahme für den Permafrostschutz bleibt daher wohl der Klimaschutz.

Bei der Beantwortung der Frage hat uns Dr. Jeannette Nötzli vom WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF in Davos, Schweiz unterstützt.

Redaktion: Yannick Brenz

 

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