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Kann Plastik in Erdöl zurückverwandelt werden?

18. Dezember 2019

Die Recyclingrate in Deutschland beträgt nur etwa 16 Prozent (Plastikatlas 2019). Foto: stux/Pixabay Array

Die Recyclingrate in Deutschland beträgt nur etwa 16 Prozent (Plastikatlas 2019). Foto: stux/Pixabay

Ob im Lieblingspullover, dem Kinderspielzeug oder in der Verpackung vom Shampoo – Plastik ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Rund 8,3 Milliarden Tonnen Plastik sind weltweit zwischen 1950 und 2015 produziert worden. Diese Zahl nennt der Plastikatlas 2019, der vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland und der grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung herausgegeben wurde.

Kunststoffprodukte haben viele Vorteile. Sie sind leicht, robust, haltbar und günstig in der Produktion. Ihr Nachteil: Kunststoff wird häufig aus Erdöl hergestellt und verrottet extrem langsam oder unter Umständen sogar gar nicht. Nur ein Teil des Plastikmülls, ungefähr 50 bis 70 Prozent, kann mechanisch recycelt und als Rezyklat wiederverwendet werden; meistens mit deutlich schlechteren Produkteigenschaften. Der restliche Kunststoffabfall landet in der Müllverbrennung. Gibt es noch andere Möglichkeiten, Kunststoff zu verwerten? Kann altes Plastik zum Beispiel in Erdöl zurückverwandelt werden?

Ja, das geht. Kunststoffe können durch so genanntes chemisches Recycling in Rohstoffe wie Gas oder Öl umgewandelt werden, bei einzelnen Kunststoffen erhält man auch wieder die einzelnen Bausteine. Je nach Zusammensetzung des Plastikabfalls und der chemischen Struktur der einzelnen Materialien gibt es dafür unterschiedliche Verfahren. Besonders aussichtsreich ist die Pyrolyse von Plastikabfällen. Beim Pyrolyseprozess wird ein Stoff unter Luftabschluss, also ohne Sauerstoff oder andere Reaktionsmittel, auf Temperaturen zwischen 400 und 800 Grad erhitzt. Dabei zerlegt er sich in feste, flüssige und gasförmige Bestandteile.

Kunststoffe bestehen meist aus Kohlenstoffverbindungen. Die einzelnen Bausteine (Monomere) sind in langen Ketten oder Netzwerken zusammengeschlossen (Polymere). Erdöl dagegen ist ein Gemisch aus vielen unterschiedlichen Kohlenstoffverbindungen – von sehr einfachen bis zu sehr komplexen Molekülen. Durch die Pyrolyse der Kunststoffe brechen die Ketten in ihre Monomere oder in kürzere - verschieden lange - Kettenbruchstücke auf. Abhängig von der Art des Kunststoffes, der Temperatur und der Dauer der Erhitzung kann so ein Gemisch entstehen, das Erdöl oder einem Zwischenprodukt aus der Erdölverarbeitung ähnelt. Dieses Öl unterscheidet sich zwar in seiner Zusammensetzung von fossilem Rohöl, kann aber ähnlich verwendet und beispielsweise zu neuwertigem Kunststoff verarbeitet werden.

Chemisches Recycling eignet sich besonders gut für Gemische aus verschiedenen Kunststoffen. Ein Beispiel dafür sind Verpackungsfolien aus dem Lebensmittelbereich, wie die Verpackung von Mozzarella. Der Käse liegt in einer Salzlake vor und soll nicht verderben, die Verpackung muss also wasserdicht sein und darf keinen Sauerstoff durchlassen. Unter dem Mikroskop kann man sehen, dass sie aus mehreren Schichten Kunststoff besteht, die jeweils unterschiedliche Eigenschaften besitzen. Solche Kunststoffgemische landen zurzeit in der Müllverbrennung. Dabei wird zwar Energie gewonnen, aber der im Kunststoff gebundene Kohlenstoff komplett als CO2 in die Atmosphäre freigesetzt.

Beim chemischen Recycling wird dagegen ein großer Anteil des Kohlenstoffs – bis zu 80 oder 90 Prozent – als Kohlenstoffverbindung wiedergewonnen und gelangt so nicht als CO2 in die Atmosphäre. In diesem Aspekt ist die chemische Wiederverwertung von Kunststoff eine nachhaltigere Alternative zur Verbrennung. Wie bei jedem thermischen Prozess entstehen aber auch beim chemischen Recycling Emissionen. Hier gelten die gleichen Richtlinien wie für Verbrennungsanlagen.

Die Technologie des chemischen Recyclings befindet sich noch in der Entwicklung. Auch grundlegende Fragen, wie zur Verwertung der beim Prozess entstehenden Reste, müssen geklärt werden. Es gibt bereits erste Anlagen, die unterschiedliche Verfahren zum chemischen Recyceln von Plastik nutzen. Bis das jedoch flächendeckend eingesetzt werden kann, wird es noch einige Zeit dauern. Die nachhaltigste Alternative ist sicherlich soweit wie möglich auf Plastik zu verzichten.

Bei der Beantwortung der Frage hat uns Hans Leibold, Leiter der Abteilung Brennstoffaufbereitung und Gasbehandlung am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) unterstützt.

Redaktion: Anna Krings

 

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