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Wann und warum kann man sich an Träume erinnern?

19. September 2022

  • D Naturwissenschaften und Mathematik
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Die Traumerinnerung ist von vielen Faktoren abhängig, Foto: Anke Sundermeier/Pixabay

Wann und warum kann man sich an Träume erinnern?

Heute schon geträumt? Manche Menschen können sich fast jeden Morgen an die Träume der vergangenen Nacht erinnern. Andere erinnern sich nie an ihre Träume und denken deshalb, sie träumen nie. Warum ist das so? Wann und warum kann man sich an Träume erinnern?

In Deutschland liegt die durchschnittliche Traumerinnerung laut repräsentativen Umfragen bei einem Traum pro Woche. Erstaunlich wenig, wenn man bedenkt, dass wir im Schlaf eigentlich ständig träumen. Forschende gehen inzwischen davon aus, dass das subjektive Erleben während des Schlafes, das wir als Träumen kennen, nie abreißt. Denn das Gehirn ist im Schlaf weiterhin aktiv und solange das Gehirn aktiv ist, ist aus psychologischer Sicht auch das subjektive Erleben immer vorhanden. 

Welche Funktion hat Träumen für den Mensch als soziales Wesen?

Einige Forschende sehen Träumen als eine Art Training für das Gehirn an. Traumwelten sind unsere Spielwiesen, auf denen wir alltägliche Situationen durchspielen können, ähnlich dem Spielen von Kindern, das keinen unmittelbaren Zweck erfüllt. Laut der Social Simulations Theory ist Träumen vor allem für das Erlernen sozialer Fähigkeiten und Umgangsweisen von Bedeutung. Solche Fähigkeiten sind aus evolutionspsychologischer Sicht sehr wichtig: Um sich fortzupflanzen und seine Gene erfolgreich an die nächste Generation weitergeben zu können, muss sich ein Individuum in einem sozialen Kontext zurechtfinden können und von den anderen Mitgliedern der Gemeinschaft nicht verstoßen werden. Der Funktion von Träumen auf den Grund zu gehen, ist allerdings schwierig, denn wir wissen nicht, wie es ist, nicht zu träumen. Es gibt also keine Kontrollgruppe, die man in wissenschaftlichen Studien heranziehen könnte, um die Fragestellung experimentell zu untersuchen. Doch auch ohne eine solche Kontrollgruppe lassen sich Faktoren erforschen, die das Träumen und die Traumerinnerung beeinflussen.

Schlafphasen und Aufwachen: Wovon die Traumerinnerung abhängig ist

Der für die Traumerinnerung kritische Moment ist das Aufwachen. Beim Aufwachen muss unser Gehirn vom Schlaf- in den Wachmodus wechseln. Unser Gehirn ist allerdings keine elektrische Maschine, die auf Knopfdruck den Modus wechseln kann. Es kann bis zu 15 Minuten dauern, bis das komplexe biologische Organ „hochgefahren“ ist. In dieser Zeit des Umschaltens wird die Erinnerung an die Vorgänge, die im vorherigen Zustand abgelaufen sind, immer schlechter. Somit nimmt die Fähigkeit, sich an Träume zu erinnern, direkt mit dem Aufwachen ab. 

Doch nicht nur das Aufwachen ist zentral für die Traumerinnerung, sondern auch die Schlafphase, während der wir aus dem Schlaf gerissen werden. Unser Schlaf gliedert sich in drei Phasen: normaler Schlaf, Tiefschlaf- und REM-Phasen. Die Phasen werden im Laufe der Nacht zyklisch durchlaufen, wobei ein Zyklus im Durchschnitt 100 Minuten dauert. In der REM-Phase ist das Gehirn am aktivsten und die Augen des Schlafenden bewegen sich hinter den geschlossenen Augendeckeln rasch hin und her. Daher der Name Rapid Eye Movement, was schnelle Augenbewegung bedeutet.

Studien in Schlaflaboren haben gezeigt: Wenn man eine Person aus dem REM-Schlaf weckt, wird diese sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an ihren Traum erinnern. Weckt man hingegen aus dem Tiefschlaf oder dem normalen Schlaf, liegt die Wahrscheinlichkeit, sich an den Traum zu erinnern, bei maximal 60%. Das liegt wahrscheinlich daran, dass das Gehirn länger braucht, um “hochzufahren”, wenn es aus dem Tiefschlaf geweckt wird.

Im Laufe der Nacht ändert sich die Dauer der einzelnen Schlafphasen. Die zu Beginn der Nacht dominierenden Tiefschlafphasen werden kürzer, während die REM-Phasen an Länge zunehmen. Somit steigt mit zunehmender Schlafdauer die Chance, aus einer REM-Phase aufzuwachen und sich an das Geträumte zu erinnern. Das wird von einigen Menschen im Urlaub berichtet.

Durch starke Emotionen und Interesse wird die Traumerinnerung verbessert

Neben der Schlafphase, aus der man aufwacht, spielt auch der Trauminhalt eine Rolle beim Erinnern: Träume, die mit starken Emotionen behaftet sind, werden gut erinnert. Alpträume sind ein gutes Beispiel hierfür. Manchmal kann man sich noch jahre- oder gar jahrzehntelang an die furchteinflößenden Szenen erinnern. Hat man viel Stress, nehmen die Alpträume zu und auch die Traumerinnerung steigt. 

Forschende haben außerdem herausgefunden, dass Frauen sich im Schnitt häufiger an Träume erinnern als Männer. Dies ist jedoch nicht mit einem biologischen Unterschied im Gehirn zu erklären. Frauen interessieren sich einfach mehr für ihre Träume. So hat eine Studie mit Kindern und Jugendlichen ergeben, dass Mädchen sich in der Peer-Gruppe mehr über Träume austauschen als Jungs. 

Das eigene Interesse ist der Hauptfaktor, der die Traumerinnerung beeinflusst. Das schließen Forschende aus folgendem Experiment: Probanden, die während eines zweiwöchigen Zeitraums angehalten wurden, ein Traumtagebuch zu führen, konnten eine massive Steigerung bei der Traumerinnerung verzeichnen. Studien haben darüber hinaus gezeigt, dass die Beschäftigung mit den eigenen Träumen positive psychologische Effekte haben kann. Probanden berichteten von einem besseren Einblick und Verständnis des eigenen Wesens.

Ist es sinnvoll sich an alle Träume zu erinnern?

Eine spannende Forschungsfrage, deren Beantwortung noch aussteht, ist die nach dem Langzeiteffekt der Beschäftigung mit Träumen. Wie hilfreich ist es auf Dauer, sich mit den eigenen Träumen zu beschäftigen?Denn bei all den Fragen nach dem Erinnern von Träumen sollte man eins nicht außer Acht lassen: Träume zu vergessen ist durchaus sinnvoll. Man stelle sich vor, man würde sich an alle Träume genauso gut erinnern wie an die Wacherlebnisse. Das gäbe ein großes Erinnerungschaos. Man wüsste nicht mehr, was Traum und was Wirklichkeit ist. Habe ich das tatsächlich erlebt oder nur geträumt?

Falls man doch mal einen besonders schönen Traum in Erinnerung behalten möchte, hilft ein einfacher Trick: Beim Aufwachen den Traum gedanklich wiederholen. Dadurch verfestigt sich die Gedächtnisspur, man nimmt den Traum in den Wachzustand mit und kann ihn dann erzählen oder aufschreiben.

Bei der Beantwortung dieser Frage stand uns apl. Prof. Dr. Michael Schredl zur Seite. Er ist wissenschaftlicher Leiter des Schlaflabors am Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim. Er beschäftigt sich jedoch nicht nur beruflich mit Träumen. Seit fast 40 Jahren hält er seine eigenen Träume in einem “ganz schön dicken” Traumtagebuch fest, welches inzwischen über 16,700 Einträge hat. 

Redaktion: Mihaela Bozukova

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