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Warum brauchen wir Schlaf?

27. Oktober 2014

  • D Naturwissenschaften und Mathematik
Bisher sind noch nicht alle Funktionen des Schlafes vollständig geklärt. Sicher ist, dass Menschen und viele Tiere schlafen müssen, um zu überleben, der genaue Grund ist jedoch noch unbekannt. Array

Eine schlafende Statue in The Lost Gardens of Heligan in England: Menschen und viele Tiere müssen schlafen, um zu überleben, der genaue Grund ist jedoch noch unbekannt. Bild: Lee Jones/Wikimedia

Wir verbringen fast ein Drittel unseres Lebens schlafend, Schlaf füllt also einen großen Teil unserer Lebenszeit. Wie wichtig der Schlaf für uns ist, merken wir bereits nach einer Nacht, in der wir wenig oder schlecht geschlafen haben: Wir fühlen uns müde und schlapp, haben Probleme uns zu konzentrieren und nichts scheint uns leicht von der Hand zu gehen. Was passiert da im Schlaf, dass wir nicht ohne ihn auskommen?

Die weit verbreitete Annahme, dass es sich beim Schlaf um eine reine Ruhephase handelt, ist inzwischen widerlegt worden. Auch wenn das Mysterium Schlaf noch nicht vollständig gelöst wurde, konnten bisher zahlreiche Gründe wissenschaftlich belegt werden, warum der Schlaf so wichtig für uns ist.

Der Hauptgrund für unser Bedürfnis nach Schlaf ist unser Gehirn. Dieses arbeitet tagsüber auf Hochtouren, Sinneseindrücke und komplexe Informationen werden fortlaufend verarbeitet. Darum benötigt unser Gehirn eine Ruhepause. Nach etwa 16 Stunden ist die Kapazität des menschlichen Gehirns ausgelastet, es benötigt den Schlaf, damit sich die Nervenzellen erholen können. Außerdem laufen auch die Gedächtnisprozesse hauptsächlich im Schlaf ab: Die tagsüber aufgenommenen Eindrücke, Erlebnisse und Informationen werden zunächst im Hippocampus zwischengelagert. Erst wenn nachts der beständige Input von äußeren Eindrücken und Informationen versiegt, werden die Informationen reaktiviert. Diese Reaktivierung stimuliert den Transfer der Informationen in den Neokortex, einen Teil der Großhirnrinde, wo diese dann sortiert und an bereits bestehende Inhalte im Langzeitgedächtnis adaptiert werden. Diese Übertragung geschieht erst im Schlaf, da das Gehirn andernfalls nicht unterscheiden könnte zwischen den Informationen, die neu aufgenommen werden, und denen, die gerade vom Hippocampus in den Neokortex übertragen werden.

Schlaf bietet dem Körper zudem die Möglichkeit zur geistigen und körperlichen Erholung. Die Organe und das Immunsystem können sich regenerieren und auch der Prozess der Wundheilung findet vor allem im Schlafzustand statt. Gleichzeitig erhält der Körper die Möglichkeit zur Entgiftung, d.h. Stoffwechselendprodukte, die der Körper nicht benötigt, werden vor allem nachts ausgeschieden. Da im Schlaf die Körpertemperatur um bis zu einem Grad sinkt, kann unser Körper auf diese Weise nachts Energie sparen.

Schließlich enthält auch die Weisheit „Schlaf macht schön“ viel Wahres. Studien haben gezeigt, dass ausgeschlafene Personen tatsächlich attraktiver und gesünder auf ihre Mitmenschen wirken. Zu wenig Schlaf macht außerdem alt: Wenn man über einen längeren Zeitraum zu wenig schläft, treten vermehrt Alterssymptome wie ein erhöhter Cortisolspiegel im Blut bei Stresssituationen und eine verschlechterte Glukosetoleranz auf. Menschen, die unter Schlafmangel leiden, altern also schneller.

Das Schlafbedürfnis verändert sich im Laufe des Lebens. Babys schlafen etwa 16 Stunden oder mehr, da sich das Gehirn noch entwickelt und zudem die vielen neuen Reize der Umgebung eingeordnet und abgespeichert werden müssen. Der Durchschnittsdeutsche im Erwachsenenalter schläft etwa sieben bis siebeneinhalb Stunden, wobei der sogenannte Kernschlaf, den der Körper benötigt, bei einem normalen Schläfer bei sechs Stunden liegt. Nur wenige Menschen kommen auf Dauer mit weniger Schlaf aus. An ausreichenden Schlaf sollte also nicht gespart werden, da es sich bei der nächtlichen Bettruhe keineswegs um „verschlafene“ Zeit handelt. Wenn das kein guter Grund ist, am Morgen den Wecker zu ignorieren und sich noch einmal umzudrehen…

Bei der Beantwortung der Frage half Prof. Dr. med. Ingo Fietze, Leiter des Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrums der Charité Berlin.

Redaktion WiD: jm

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