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Warum kann man im Dunkeln nicht geradeaus laufen, sondern geht irgendwann im Kreis?

29. April 2008

  • D Naturwissenschaften und Mathematik

Warum kann man im Dunkeln nicht geradeaus laufen, sondern geht irgendwann im Kreis?

Es ist unklar, ob tatsächlich alle Menschen im Dunkeln im Kreis laufen. Richtig ist allerdings, dass es in diesem Fall wesentlich schwieriger ist, eine einmal eingeschlagene Richtung beizubehalten.

Dies liegt – in gewisser Weise – an der Lernfähigkeit des Menschen und an der Tatsache, dass er mehrere Wahrnehmungskanäle nutzt, um seine Bewegung im Raum zu kontrollieren. Dazu gehört zum einen die so genannte Propriozeption. Das ist die Wahrnehmung der Position von Armen und Beinen im Raum. Informationen dazu erhält das Hirn direkt aus den Gelenken und Muskeln. Das Vestibularorgan, ein Teil des Innenohres, dient der Steuerung des Gleichgewichtes. Das Sehen ermöglicht die visuelle Orientierung im Raum.

Erst durch das Zusammenwirken dieser drei Wahrnehmungskanäle nimmt der Mensch sich und seine Aktionen in der Realität wahr. Wie und mit welcher Gewichtung die einzelnen Kanäle dazu beitragen, ist jedoch nicht ein für alle Male festgelegt, sondern kann an die Gegebenheiten der Umgebung angepasst werden. Bei Menschen mit Sehfehlern etwa, wird der Beitrag des visuellen Kanals schwächer ausgeprägt sein.

Im Allgemeinen spielt bei der Bewegung jedoch das Sehen eine sehr wichtige Rolle. Menschen haben gelernt, sich dabei vor allem auf die visuelle Wahrnehmung ihrer Umgebung zu verlassen. Bewegen sie sich nun im Dunkeln oder mit geschlossenen Augen, fällt gerade dieser Wahrnehmungskanal weg, und sie müssen sich ausschließlich auf Basis der beiden anderen – weniger geübten - Wahrnehmungskanäle orientieren. Dann ist es schwierig, eine einmal eingeschlagene Richtung beizubehalten.

Welche Bedeutung das Lernen von Bewegungsabläufen hat, verdeutlicht folgendes Experiment: Lässt man Menschen auf einer rotierenden Scheibe laufen und bittet sie im Anschluss daran, auf „festem Boden“ mit geschlossenen Augen geradeaus zu gehen, so laufen sie tatsächlich im Kreis. Sie haben diese Bewegung zuvor gelernt. Wenn sie dann nicht alle ihnen zur Verfügung stehenden Wahrnehmungskanäle nutzen können, sind sie nicht mehr in der Lage, eine andere Bewegung korrekt auszuführen.

Die Frage wurde beantwortet von Hans-Günther Nusseck, Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik, Tübingen.