Logo Wissenschaft im Dialog Wissenschaft im Dialog

Zurück zu „Wie?So!“

Warum können unter Drogeneinfluss Bilder doppelt wahrgenommen werden?

29. April 2008

  • D Naturwissenschaften und Mathematik

Warum können unter Drogeneinfluss Bilder doppelt wahrgenommen werden?

Doppelbilder treten auf, wenn die synchrone Augenbewegung, die vom Kleinhirn gesteuert wird, beeinträchtigt ist. Das Kleinhirn kann  – wie auch andere Teile des Gehirns – durch Drogen, wie zum Beispiel Alkohol in seiner Funktion gestört werden.

Normalerweise liefern beide Augen zwei größtenteils überlappende Bilder aus zwei leicht unterschiedlichen Winkeln. Daraus erzeugt das Gehirn ein dreidimensionales Bild. Damit das funktioniert, ist ein paralleler Blick und entsprechend eine synchrone Bewegung beider Augen notwendig. Überlappen sich die Bilder nicht auf die korrekte Weise, erzeugt das Gehirn aus dem Sinneseindruck jedes Auges ein einzelnes Bild, anstatt beide zu einem zu kombinieren – man sieht doppelt.

Eine mögliche Erklärung dafür könnte in der Beeinflussung der Nervenzellen des Kleinhirns liegen, die an der Augenbewegung beteiligt sind. Diese Nervenzellen werden in ihrer Aktivität durch einen bestimmten Neurotransmitter, die Gamma-Aminobuttersäure (GABA) gehemmt. Neuroransmitter sind chemische Botenstoffe, die Informationen von einer Nervenzelle zur nächsten übertragen. Sie heften sich an die Rezeptoren der Empfängerzelle an. Das löst Reaktionen in der Zelle aus – im Falle von GABA eine Hemmung der Aktivität dieser speziellen Nervenzellen. Nach kurzer Zeit lösen sich die Neurotransmitter wieder von den Rezeptoren und werden abgebaut bzw. inaktiviert.

Alkohol kann ebenfalls an die Rezeptoren der Empfängerzellen andocken,ohne dabei jedoch die Bindungsstellen der GABA zu blockieren. Wenn Alkohol gleichzeitig mit GABA an einem Rezeptor gebunden ist, verzögert er die Wiederablösung des Neurotransmitters. Die Hemmung hält folglich länger an. Dadurch bringt Alkohol die auf Sekundenbruchteile exakt koordinierte Aktivität der Nervenzellen, die die Augenbewegung steuern, durcheinander. Ab wann man Doppelbilder sieht, ist individuell verschieden. Oft tritt dies aber erst bei einem höheren Blutalkoholspiegel auf.

Auch die Einnahme von Beruhigungsmitteln, die Benzodiazepine enthalten, und von Schlafmitteln, die Barbiturate enthalten, kann zu dieser Wahrnehmungsstörung führen, da auch diese Stoffe den GABA-Rezeptor beeinflussen. Darüber hinaus können beispielsweise auch alle chronischen entzündlichen Erkrankungen des Nervensystems, wie etwa Multiple Sklerose, für Doppelbilder verantwortlich sein, da durch diese Erkrankungen die Reizweiterleitung in den betroffenen Nervenzellen ebenfalls beeinträchtigt ist.

Die Frage wurde beantwortet von Axel Hinzpeter, Arzt an der an der Charité in Berlin, Arbeitsgruppe Suchtmedizin, ambulante Alkoholsprechstunde.