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Was geschieht mit der DNA, wenn die Zelle stirbt?

13. April 2021

  • D Naturwissenschaften und Mathematik
In einem Puzzle, das mehrere DNA Stränge zeigt, fehlen einige Teile. Array

Wenn die Zelle stirbt, wird die DNA im Zellkern in kleine Stücke geschnitten. Foto: Arek Socha/Pixabay

Selbstzerstörung in 10, 9, 8 …In Action- oder Science-Fiction-Filmen gehört ein Selbstzerstörungsmechanismus häufig zum festen Bestandteil der Sicherheitssysteme von Maschinen, Raketen und Co. Das soll vor Zugriff durch Unbefugte oder feindliche Übernahmen schützen, selbst wenn es die vollständige Vernichtung bedeutet. Auch in unseren Zellen gibt es einen solchen Selbstzerstörungsmechanismus, den Zelltod. 

Dieser ist sogar überlebenswichtig. Der Zelltod wirkt wie ein Not-Aus-Schalter bei Gefahr. Der Körper entfernt dadurch Virus-infizierte Zellen, die Brutstätten für andere Viren sein können. Oder Zellen mit irreparablen DNA-Schäden, die ansonsten zu Tumoren heranwachsen können. So paradox es zunächst klingen mag, aber der Zelltod erhält das Gleichgewicht zwischen neu gebildeten und alten Zellen in unserem Körper, eliminiert Zellirrläufer und sichert so das Überleben des Gesamtorganismus. 

Außerdem erfüllt Zelltod auch eine Aufgabe, bei der Ausbildung von Geweben im Körper. In der Embryonalentwicklung werden beispielsweise manche Zellen gezielt getötet, um Finger und Zehen zu bilden. 

Die häufigste Art, wie sich Zellen selbst zerstören, ist die Apoptose. Im Gegensatz zu Actionfilmen fliegt dabei nicht alles in die Luft, sondern läuft nach einem streng regulierten Selbstzerstörungs-Mechanismus ab. Man bezeichnet sie deswegen auch als programmierten Zelltod*. Die Apoptose entfernt die Zelle so, dass es unschädlich für den Körper ist. Das Gegenstück dazu ist die Nekrose, die einer Explosion im Actionfilm gleicht. Dabei platzt die Zelle und schleudert ihren Inhalt in die Umgebung, was Entzündungsreaktionen auslösen und zu Erkrankungen führen kann. Die Nekrose ist daher im Gegensatz zur Apoptose eine pathologische Form des Zelltods. 

Zellen zerstören sich allerdings nicht grundlos, sondern aufgrund innerer oder äußerer Faktoren. So können sie die Apoptose selbst von innen heraus auslösen, wenn sie gestresst sind und mit dem Stress nicht mehr umgehen können. Das kann der Fall sein, wenn ihnen Sauerstoff fehlt. Auch irreparable DNA-Schäden, die beispielsweise durch Strahlung oder Chemikalien entstehen, können die Apoptose von innen auslösen.

Von außen wird die Apoptose aktiviert, wenn Wachstumsfaktoren wegfallen oder sogenannte Todessignale an die Zellen binden. 

Diese Auslöser stoßen verschiedene Apoptose-Signalwege an. Das sind Kettenreaktionen, die letztendlich zur Selbstzerstörung der Zelle führen. Dabei haben alle Signalwege gemein, dass sie ganz bestimmte Enzyme, molekulare Maschinen in der Zelle, aktivieren: die Caspasen. 

Die Caspasen sind die Selbstzerstörungs-Werkzeuge der Zelle. Sie schneiden Proteine an einer bestimmten Stelle und können sie damit zerstören. Weil die Caspasen wichtige, aber gefährliche Werkzeuge sind, werden sie streng reguliert. Sie müssen erst angeschaltet werden, bevor sie tätig werden. 

Die Apoptose-Signalwege in der Zelle, die die Caspasen aktivieren, sind vielfältig und komplex. Sind die Caspasen aber erst einmal aktiv, gibt es kein Zurück mehr: Die Todesmaschinerie der Zelle läuft jetzt unaufhaltsam ab. 

Die scharf geschalteten Caspasen machen sich an die Abrissarbeiten in der Zelle. Sie zerlegen Proteine und aktivieren dabei auch eine DNase, ein Enzym, das DNA im Zellkern in kleine Stücke schneiden kann. Die DNA und auch der Zellkern werden zerlegt. Die Membranen, die die Zellen umgeben, stülpen sich aus. Die Zelle verliert dadurch den Kontakt zum Zellverbund. Alle Zelltrümmer werden fein säuberlich in sogenannten apoptotischen Körperchen verpackt. 

Was nach der Apoptose von der Zelle übrig ist, ist recht überschaubar – und vor allem recyclebar. Benachbarte Zellen und Fresszellen verschlingen die apoptotischen Körperchen. Das verhindert, dass sich ein riesiger Müllhaufen in unserem Körper ansammelt und Zellbestandteile, vor allem DNA, in die Umgebung der Zellen gelangen. Denn das könnte zu Entzündungen führen, was der Körper vermeiden möchte.

In den Fresszellen zerlegt eine weitere DNase die DNA in immer kleinere Teile. Wenn sich die Fresszellen teilen, nutzen sie diese Bruchstücke als Bausteine für ihre eigene DNA. Die DNA der toten Zellen wird auf diesem Weg recycelt. Auch andere Zellbestandteile wie die Proteine werden in ihre Aminosäure-Bausteine zerlegt und wiederverwendet. 

Zwar fliegen bei diesem Selbstzerstörungsmechanismus nicht die Fetzen wie in Actionfilmen. Schutz vor Systemfehlern und feindlichen Übergriffen bietet die Apoptose aber trotzdem. Das Besondere: Weil Zellen sterben, überlebt der Organismus. Der programmierte Zelltod ist also ein Actionfilm mit Happy End.

 

* Zum programmierten Zelltod zählt man auch die Autophagie. Dabei verdaut sich die Zelle quasi selbst. Eine andere Art der Zellregulierung ist die Seneszenz. Dieser Prozess ist eine Art Alterungseffekt von Zellen, der verhindert, dass sie sich weiter teilen.

Bei der Beantwortung dieser Frage hat uns Dr. Stephanie Panier unterstützt. Sie forscht an genomischer Instabilität und Alterung und leitet die gleichnamige Arbeitsgruppe am Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns in Köln.

Redaktion: Sina Metz

 

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