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Wie bestimmt man den Grad von Komplexität? Und: Wie sind die Fähigkeiten des Menschen begrenzt, damit umzugehen?

29. Februar 2008

  • C Geistes- und Sozialwissenschaften

Wie bestimmt man den Grad von Komplexität? Und: Wie sind die Fähigkeiten des Menschen begrenzt, damit umzugehen?

Komplexität ist ein schwierig zu fassendes Konzept. Meist wird es an der Anzahl von Komponenten in einem System und deren Verbindungen untereinander festgemacht.

Aber natürlich ist dies nicht die einzige Form. Unterschieden werden z.B. Kennwerte für Struktur-Komplexität (wie ist das Gebilde zusammengesetzt? Eine mechanische Taschenuhr ist weniger komplex als ein Raumschiff) von Prozess-Komplexität (was kann ein System an Verhalten hervorbringen? Ein Diktiergerät hat weniger Reaktionsmöglichkeiten als ein Computer).

Aber Komplexität ist nichts, was den Dingen als Eigenschaft in fester Form zukommt. Ein Rinderhirn ist für den Metzger nicht sehr komplex, sondern ein Teil von verschiedenen verwertbaren Körperteilen. Für den Neurobiologen ist das gleiche Hirn dagegen unendlich komplex. Es kommt also auf unsere Betrachtungsweise an, wie komplex oder wie grob wir etwas ansehen (das nennt man "Auflösungsniveau"), und wir können diese Betrachtungsweise ändern.

Hochkomplexe Systeme sind von Menschen nur begrenzt zu verstehen, weil die zum Begreifen und Verstehen notwendigen Fähigkeiten begrenzt sind. Der Nobelpreisträger Herbert Simon hat dafür den Begriff "bounded rationality" (begrenzte Rationalität) geprägt, um damit auszudrücken, dass wir als Menschen im Unterschied zu Rechnern nicht unendlich viele Aspekte gleichzeitig verarbeiten können.

Als Hilfe im Umgang mit Komplexität bieten sich komplexitätsreduzierende Massnahmen an: um die vielen Sterne am Himmel merkbar zu machen, reduzieren wir z.B. die Vielfalt der einzelnen Sterne auf Sternbilder. Auch vereinfachende Modelle (z.B. das Modell vom elektrischen Strom als Kreislauf) helfen uns, komplexere Zusammenhänge zu verstehen. Vor allem Prozesskomplexität im Sinn der Vorhersage zukünftiger Ereignisse können wir schlecht bewältigen, weswegen wir meist zur Prognose komplexer Prozesse Rechnermodelle heranziehen.

Die Frage wurde beantwortet von Prof. Joachim Funke, Geschäftsführender Direktor des Psychologischen Instituts der Universität Heidelberg.