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Wie kann man den höchsten Berg oder die tiefste Tiefe ermitteln, wenn die Erdform einer Kartoffel ähnelt, fast jedes Land einen anderen Nullpunkt besitzt und der Meeresspiegel unterschiedlich hoch ist?

29. April 2008

  • D Naturwissenschaften und Mathematik

Wie kann man den höchsten Berg oder die tiefste Tiefe ermitteln, wenn die Erdform einer Kartoffel ähnelt, fast jedes Land einen anderen Nullpunkt besitzt und der Meeresspiegel unterschiedlich hoch ist?

Die ideale Bezugsfläche für alle Höhensysteme wäre das Geoid, so wird die natürliche Form der Erde bezeichnet. Das Geoid ist eine Fläche, auf der das Potential der Erdschwerkraft überall gleich groß ist. Da es unregelmäßige Abweichungen von der Kugelform aufweist, wird es in der populärwissenschaftlichen Literatur oft auch mit einer Kartoffel verglichen.

Die Erde mit ihren Kontinenten und Meeren ist das Ergebnis eines Jahrmillionen langen Entstehungsprozesses, der heute noch anhält. Wäre die Erde als ein ruhender, massenhomogener Körper entstanden, hätte sie die Form einer Kugel.  Auf der Oberfläche dieser Kugel wäre die gemessene Schwerkraft konstant und nur durch die Anziehungskraft der Masse der Kugel bestimmt. Eine Wasserschicht auf der festen Oberfläche würde wieder eine Kugel mit gleichen Eigenschaften bilden.

Die Erde rotiert einmal am Tag um die Erdachse. Durch die dabei auftretenden Fliehkräfte ist die ideale Kugelform an den Polen um 21,3 Kilometer abgeplattet.  Damit ist die Form der Erde in erster Näherung ein Ellipsoid. Die Oberfläche der festen Erde und die unregelmäßige Verteilung der Massen im Erdinneren entstanden durch tektonische Prozesse. Diese Massenunregelmäßigkeiten führen zur Variation der Richtung und der Größe der Erdschwerkraft in Bezug zum Ellipsoid. Diese Abweichungen bestimmen die Form des Geoides. Von einem mittleren Erdellipsoid weicht das Geoid maximal um ± 120 Meter ab. Die größte „Tiefe“ des Geoides unter dem Ellipsoid ist im Indischen Ozean zu verzeichnen. 

Die Anziehungskräfte von Mond und Sonne führen zu Gezeiten, die an den Küsten der großen Meere gut sichtbar sind. Die feste Erde ist ein deformierbarer und kein starrer Körper. Damit wirken auch auf die feste Erdoberfläche die Gezeiten und führen zu etwa ± 15 Zentimeter Höhenvariation.

Für Höhenmessungen wird in einzelnen Ländern oder Regionen der jeweilige Pegel als  „Null“ angenommen. Die Pegel registrieren langjährig das mittlere Meeresniveau an einem festgelegten Ort. Ohne äußere Einflüsse auf die Meeresoberfläche würden sich alle Höhenbeobachtungen auf das mittlere Meeresniveau, sprich das Geoid, beziehen. Die mittlere Meeresoberfläche weicht jedoch aufgrund von globalen Temperaturunterschieden, unterschiedlichem Salzgehalt oder auch kontinuierlichen Luft- und Meeresströmungen vom Geoid um bis zu zwei Meter ab. Diese Abweichung wird auch als Meerestopographie bezeichnet. In derselben Größenordnung können auch die regionalen Höhensysteme von einem mittleren Meeresniveau abweichen. Das heißt, im Extremfall könnten bei der Bestimmung der Höhe eines Berges durch Messungen in unterschiedlichen Bezugssystemen Differenzen von maximal vier Metern auftreten, wenn man Messungenauigkeiten nicht berücksichtigt.

In den letzten Jahren wurden globale Modelle für die mittlere Meerestopographie ermittelt, die die Abweichungen zwischen Geoid und der mittleren Meeresoberfläche mit einer Genauigkeit von etwa zehn Zentimetern beschreiben. Berücksichtigt man diese Korrekturen, so reduzieren sich mögliche Differenzen bei der Höhenbestimmung von Bergen oder Tiefen mit unterschiedlichen Pegeln.

Anders verhält es sich bei der Nutzung von GPS für die Höhenbestimmung. GPS ist ein rein geometrisches Verfahren (ohne Berücksichtigung der Erdschwerkraft) und man erhält dreidimensionale Koordinaten in Bezug auf den Erdschwerpunkt. Man kann diese dreidimensionalen Koordinaten auf eine mathematische Fläche beziehen, die sich gut an die Erdform anpasst. In der Geodäsie werden dafür Rotationsellipsoide verwendet. Die Messung mit GPS garantiert, dass sich die geometrischen Höhen über dem Rotationsellipsoid alle auf ein einheitliches Referenzsystem (unter Vernachlässigung der Genauigkeit der Messung) beziehen. Da ellipsoidische Höhen und Höhen in Bezug auf das Geoid bis zu 120 Meter voneinander abweichen können, dürfen beide Höhenarten nicht miteinander vermischt werden. Man kann also Höhen, die sich auf das Meeresniveau beziehen, nicht mit GPS-Höhen vergleichen. In Deutschland schwankt die Geoidhöhe zwischen 36 Metern  an der Ostseeküste und 50 Metern im Schwarzwald.

Für länderübergreifende präzise geodätische Messungen ist eine genaue Kenntnis der Unterschiede zwischen Bezugssystemen erforderlich. In Deutschland gibt es bis heute zwei unterschiedliche Bezugsflächen für die Höhe. Das Normalnull bezieht sich auf den Pegel von Amsterdam. Das „Höhennull“, eingeführt in der DDR, orientiert sich am mittleren Wasserstand bei Kronstadt vor St. Petersburg. Er liegt rund 14 Zentimeter höher als der Amsterdamer Pegel. Ursache für dieses Phänomen sind verschiedene äußere Einflüsse auf die Meere, wie Windströmungen und Temperaturunterschiede, aber auch die Variation von Parametern des Wassers. Die Variation des Salzgehaltes spielt dabei eine besondere Rolle. Das Wasser der Ostsee ist umso süßer, je weiter man nach Osten kommt. Deshalb hat es dort eine geringere Dichte. Die auf das Meer wirkende Schwerkraft ist somit kleiner und der Meeresspiegel höher. Ähnliches gilt übrigens auch – wenngleich in ganz geringem Ausmaß – für die Küstenregionen. Dort ist, unter anderem durch Flussmündungen, der Salzgehalt etwas geringer. Anschaulich gesprochen, biegt sich die Meeresoberfläche an den Küsten leicht nach oben.

Für Deutschland wurde 1993 die Einführung eines einheitlichen Höhenbezugssystems beschlossen. Dieses Deutsche Haupthöhennetz92 (DHHN92) orientiert sich am Pegel Amsterdam. Höhen in diesem System werden als "Höhen über Normalhöhennull" (NHN) bezeichnet. Als einheitliches Bezugssystem für europäische Geodaten wurde das European Vertical Reference System (EVRS) eingeführt.

Das EVRS bezieht sich ebenfalls auf das Niveau des Amsterdamer Pegels und wird von mehr als 15 europäischen Ländern, einschließlich Deutschland, realisiert. Die Unterschiede zwischen dem europäischen Höhensystem EVRS und nationalen Höhenbezugssystemen können mit Höhen in identischen Punkten oder Höhenmessungen bestimmt werden. Das ist für die am EVRS beteiligten nationalen Höhensysteme mit einer Genauigkeit von ein bis zwei Zentimetern möglich.

Darüber hinaus arbeiten Wissenschaftler der Geodäsie derzeit an der Realisierung eines Welthöhensystems, dass mit einer Genauigkeit von besser als zehn Zentimetern realisiert werden kann. Das europäische einheitliche Höhenbezugssystem ist durch ein europaweites Nivellementsnetz, welches die Höhenunterschiede regionaler Netze festlegt, mit einer Genauigkeit von besser als ein Dezimeter realisiert. Über den Ozean hinweg kann die Vereinheitlichung der Höhenbezugssysteme nur mit der Methode der Satellitengeodäsie realisiert werden. Die Satellitenschwerefeldmissionen CHAMP (GFZ Potsdam), GRACE (Deutschland, USA) und GOCE (ESA) schaffen die Voraussetzungen für die Bestimmung eines globalen Geoides mit einer Genauigkeit von  zehn Zentimetern, auf das die weltweiten Pegelbeobachtungen bezogen werden können.

Die Frage wurde beantwortet von Dr. Johannes Ihde, Bundesamt für Kartographie und Geodäsie, und Wilfried Ellmer, Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie.