Logo Wissenschaft im Dialog Wissenschaft im Dialog

Zurück zu „Wie?So!“

Wie oft kann sich eine menschliche Zelle teilen, bevor die genetische Erbinformation "zu kurz" wird?

29. April 2008

  • D Naturwissenschaften und Mathematik

Wie oft kann sich eine menschliche Zelle teilen, bevor die genetische Erbinformation "zu kurz" wird?

Durch die Teilung einer Zelle gehen in der Regel keine Genabschnitte – also auch keine Erbinformationen – verloren. Richtig ist allerdings, dass bei der Teilung (ausdifferenzierter) menschlicher Zellen die Chromosomen-DNA an ihrem Ende geringfügig verkürzt wird und dass dieser Mechanismus dafür verantwortlich ist, dass die Anzahl der Zellteilungen begrenzt ist. Da an den Enden jedoch keine Gene oder Genabschnitte liegen, wird die eigentliche Erbinformation davon in der Regel nicht betroffen. 

Die Verkürzung ist auf den Mechanismus der DNA-Replikation, also der Erzeugung einer neuen DNA nach dem Bauplan der vorhandenen DNA, zurückzuführen: Vor der Zellteilung wird in der Zelle die Erbinformation verdoppelt, so dass die identische Information auf beide Tochterzellen übertragen werden kann. An diesem Prozess sind viele Enzyme beteiligt. Eine Schlüsselrolle spielt das Enzym DNA-Polymerase. Diese Enzyme binden an vielen Stellen der DNA. Von dort aus beginnen sie anhand der Information eines DNA-Stranges mit der Synthese der neuen DNA so lange, bis sie auf das neu erzeugte DNA-Stück der vorangehenden DNA-Polymerase stoßen. Durch Teamwork verschiedener DNA-Polymerase Enzyme wird so eine neue doppelsträngige DNA erzeugt. Nur die Stelle, an der die DNA-Polymerase am Anfang eines DNA-Stranges gebunden war, kann nicht kopiert werden. Deshalb ist die neue DNA dort etwas kürzer als die ursprüngliche Version. Nach etwa 40 Verdopplungen sind die Enden der DNA so verkürzt, dass die Chromosomen instabil werden und eine korrekte Zellteilung kaum noch möglich ist. Eine menschliche Zelle kann sich demnach rund 40 Mal teilen, bevor sie die Teilungsaktivität einstellt. Dieser Mechanismus wird auch als eine der Ursachen für die Alterung der Zelle bzw. für den Zelltod angesehen. Die Begrenzung der Anzahl der Teilungen wird gelegentlich auch nach einem ihrer Entdecker als Hayflick-Grenze bezeichnet.

Anders verläuft der Prozess bei Zellen, die noch keine Entwicklung zu einem bestimmten Zelltypen begonnen haben (zum Beispiel embryonale Zellen, bestimmte Stammzellen oder Keimbahnzellen). Hier sorgt das Enzym Telomerase dafür, dass diese Zellen sich öfter teilen können. Das Enzym kann die Enden der Chromosomen – die Telomere – wieder verlängern. Sobald die Differenzierung der Zelltypen abgeschlossen ist, ist in der Regel keine Telomerase mehr in den Zellen vorhanden. Die Gene, die für deren Herstellung zuständig sind, wurden abgeschaltet. Ist dieser Prozess jedoch gestört und die Telomerase wird unkontrolliert aktiv, fällt der Mechanismus, der die Zahl der möglichen Zellteilungen reguliert, aus. Dann kann es zur Entstehung von Krebszellen kommen, die sich unbegrenzt teilen. Es gibt jedoch weitere Mechanismen, die dies verhindern können, dazu gehören der programmierte Zelltod (Apoptose) und verschiedene Reaktionen des Immunsystems.

Die Frage wurde beantwortet von Dr. Karlheinz Esser, Molekularbiologe, Köln