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Wie unterscheiden sich Impfstoffe gegen Viren von denen gegen Bakterien?

11. August 2020

  • D Naturwissenschaften und Mathematik
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Ärztin zieht Spritze mit Impfstoff auf. Foto: Retha Ferguson/Pexels

Von vielen verlegt und wegen des Coronavirus vielleicht schon bald gesucht – der Impfausweis. Ein Blick in das gelbe Heftchen zeigt wahrscheinlich folgende Einträge: Polio, Hepatitis A/B, Mumps, Masern, Röteln, Influenza, Diphterie, Tetanus, Pertussis, bei Rucksackreisenden noch Tollwut und Japanische Enzephalitis. Hinter diesen Begriffen verbergen sich neun Viren aber nur drei Bakterien. Unterscheiden sich die Impfstoffe gegen virale und bakterielle Erreger?

Impfstoffe lassen sich nach ihren aktiven Bestandteilen grob in zwei Kategorien unterteilen: Lebend- und Totimpfstoffe. Lebendimpfungen enthalten abgeschwächte, noch vermehrungsfähige Erreger, die eine schützende Immunantwort beim Geimpften auslösen, aber keine Krankheit verursachen. Totimpfstoffe bestehen aus ganzen, inaktivierten Krankheitserregern oder einzelnen Bestandteilen, die ebenfalls eine Immunantwort auslösen. Dazu gehören Proteine und Kohlenhydrate von der Oberfläche des Erregers sowie abgesonderte Toxine. Sowohl gegen Viren als auch gegen Bakterien sind Lebend- und Totimpfstoffe im Einsatz. Um zu verstehen, wie sich die Impfstoffe gegen beide Erregergruppen unterscheiden, sollte man deshalb nicht auf die Zutatenliste, sondern eher auf das Ziel der Immunantwort blicken.

Ziel einer schützenden Immunantwort gegen Bakterien sind häufig die Kohlenhydrate bzw. Zuckermoleküle auf deren Oberfläche. Viele anti-bakterielle Impfstoffe enthalten deswegen eines oder mehrere Kohlenhydrate, meistens gekoppelt an ein Protein. Nach der Impfung produzieren B-Zellen ein ganzes Spektrum verschiedener Antikörper, die an das fremde Bakterium binden. Anschließend können Makrophagen, die Fresszellen des Immunsystems, die “markierten” Eindringlinge einfacher erkennen, fressen und anschließend verdauen. Impfungen gegen Pneumokokken und Meningokokken basieren auf diesem Prinzip. Die Impfung gegen Diphterie und Tetanus funktioniert wiederum anders. Sie regt die B-Zellen zur Produktion von Antikörpern gegen die Toxine der Bakterien an und schützt so gegen die Folgen, nicht aber gegen die Infektion.

Anders als Bakterien besitzen Viren keine eigenen Kohlenhydrate auf ihrer Oberfläche. Ihre Hülle besteht aus Lipiden, Proteinen und den Zuckermolekülen ihrer Wirtszelle. Antivirale Impfstoffe enthalten deswegen immer Kapselproteine des Virus, entweder in Form von ganzen Viren (z. B. Polio, Gelbfieber, Tollwut) oder einzelnen Bestandteilen (z. B. Hepatitis, Influenza). Im Zuge der Impfung produzierte Antikörper attackieren die Kapselproteine des Virus und verhindern so seinen Eintritt in die Zellen des Geimpften. Häufig hängt diese Invasion der Wirtszelle von einem einzigen Oberflächenprotein des Virus ab. Schützende Antikörper sind deswegen hochspezialisiert und nicht so divers wie bei einer anti-bakteriellen Impfung.

Besonders schwierig ist die Impfstoffentwicklung gegen den Erreger der Malaria, den Einzeller Plasmodium falciparum. Trotz intensiver Forschung gibt es nach wie vor keine wirksame Impfung. Der Grund: Plasmodium ist weitaus komplexer als Viren und Bakterien und hat in seiner langen Co-Evolution mit dem Menschen etliche Strategien entwickelt, um unser Immunsystem auszutricksen. Je komplexer und besser angepasst der Erreger, desto schwieriger ist die Entwicklung eines Impfstoffes. Während der Corona-Pandemie sind das jedoch gute Nachrichten. Das Coronavirus ist dem Menschen gerade erst begegnet und noch nicht gut an ihn angepasst. So haben erste Tests eines möglichen Covid19-Impfstoffs gezeigt, dass ein großer Anteil der Testpersonen eine starke Immunantwort entwickelt. Zwar ist die baldige Entwicklung eines Covid19-Impfstoffes noch nicht gesichert. Die Suche nach dem eigenen Impfausweis sollte man trotzdem starten.

Bei der Beantwortung der Frage hat uns Dr. Thomas Jacobs, Leiter der Forschungsgruppe Protozoen-Immunologie am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, unterstützt.

Redaktion: Yannick Brenz

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