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Wie wird untersucht, ob Tiere ähnliche Emotionen wie wir Menschen haben?

08. September 2021

  • D Naturwissenschaften und Mathematik
Hund, der durch den Wald läuft Array

Haben Tiere Emotionen? Foto: Audrius Vizbaras/pixabay

 

Als Haustierhalter*innen projizieren wir gerne Emotionen auf unsere Lieblinge: Katzen seien beleidigt, wenn wir ihnen nicht die nötige Aufmerksamkeit schenken; Hunde reagierten euphorisch, wenn man nach einem Arbeitstag wieder nach Hause kommt. Wissenschaftler*innen sind sich dagegen noch nicht sicher, ob Tiere so komplexe Emotionen, wie Euphorie, Eifersucht oder Liebe empfinden können. Die Methoden, mit denen Emotionen und emotionale Zustände im Tier untersucht werden, sind vielfältig. Sie unterscheiden sich je nach Fragestellung, Ausdruck der Emotion und der Tierart, über die man eine Aussage treffen möchte.

Uneinigkeit über die Definition von Emotion

Zu Beginn jeder Forschung steht die Definition des Forschungsgegenstandes. In der tierischen wie auch der Humanforschung gibt es keine einheitliche Definition von Emotion. Ebenso sind keine konkreten Marker definiert, anhand derer zwischen spezifischen Emotionen unterschieden werden kann. Es ist aber möglich, positive und negative emotionale Zustände zu trennen. In den letzten Jahren lag der Fokus der Forschung auf negativen Emotionen, weshalb zu diesen nicht nur mehr Ergebnisse vorliegen, sondern auch die Auswahl an Methoden umfassender als für positive Emotionen ist. 

Um zu bestimmen, ob ein Tier eine Emotion verspürt, braucht es Indikatoren, festgelegte Anzeichen, die auf die Emotion hinweisen. Dazu wird auf verschiedene Modelle aus der Psychologie zurückgegriffen. Eine Emotion kann sich auf verschiedenen Ebenen ausdrücken: neben der subjektiven Empfindung, äußert sie sich auch in der Physiologie und dem Verhalten. Die subjektive Ebene kann am Tier nicht untersucht werden, da uns Tiere ihre Empfindung nicht mitteilen können. Nur wenn Indikatoren in beiden letzteren Ausdrucksweisen nachgewiesen sind, kann ein Rückschluss auf das Vorhandensein einer Emotion gezogen werden, denn bloß ein Verhalten oder eine körperliche Reaktion ist nie eindeutig einer Emotion zuzuordnen. Stresshormone werden beispielsweise sowohl bei einem Kampf als auch bei sexueller Aktivität ausgeschüttet.

Wie reagiert der Körper?

Stresshormone sind gute Indikatoren für Emotionen, denn sie sind messbar. Sie sind nicht nur im Blut, sondern auch im Kot und Urin oder auch dem Fell nachzuweisen. Andere Methoden, die den physiologischen Ausdruck einer Emotion sichtbar machen, sind Messungen des Blutdrucks oder der Herzfrequenz. Mit Gehirnscans lassen sich die Hirnströmungen und die Aktivierung von Gehirnarealen aufzeichnen. Wenn das limbische System des Tieres dem des Menschen ähnlich ist, kann man auf Emotionen rückschließen. In diesem Teil des Gehirns werden nämlich die Emotionen gesteuert.

Wie zeigen Tiere ihre Emotionen?

Einige Verhaltensweisen von Tieren können eindeutig positiv oder negativ zugeordnet werden, da man davon ausgeht, dass Tiere natürlicherweise positive Erlebnisse bevorzugen und unangenehmen Erlebnissen ausweichen. Beispielsweise ist Flucht eindeutig auf Angst zurückzuführen. Spielverhalten ist dagegen ein Indikator für Wohlbefinden.

Im Bereich der Verhaltensbeobachtung wird auch die Mimik einbezogen. Hier muss jedoch berücksichtigt werden, dass nicht alle Tierarten die gleiche Mimik verwenden beziehungsweise einigen Mimik schlicht nicht möglich ist. Dem Delfin, zum Beispiel, wird oft unterstellt, immer zu lachen. Die Wissenschaftler*innen wissen aber, dass er über keine Muskeln im Gesicht verfügt, die er zur Mimik einsetzen könnte. Was wie Lachen aussieht steht folglich in keiner Verbindung mit einer Emotion.

Ist das Glas halb voll oder halb leer?

Eine weitere Komponente von Emotionen, die erst jüngst erforscht wird, ist die Kognition. Der Grundgedanke ist, dass Emotionen auch unsere Erinnerung, unsere Aufmerksamkeit und  unsere Wahrnehmung beeinflussen. Demnach fördert ein glücklicher Gemütszustand eine positive Wahrnehmung der Umgebung, während negative Gefühle das Gegenteil bewirken.

Um den emotionalen Zustand von Tieren zu erforschen, haben Wissenschaftler*innen die bekannte Frage, ob ein Glas halb voll oder halb leer ist, auf die tierische Forschung übertragen. Tieren wird dabei selbstverständlich kein Glas gezeigt: je nach Tierart wird mit verschiedenen Reizen gearbeitet.

Zum Beispiel wird Mäusen antrainiert, dass sie für die korrekte Reaktion auf einen tiefen Ton eine Belohnung erhalten und für die korrekte Reaktion auf einen hohen Ton eine Strafe verhindern. Wenn sie dies gelernt haben, wird ihnen ein mittlerer Ton vorgespielt. Je nachdem wie die Maus reagiert, wird auf den kognitiven emotionalen Zustand der Maus geschlossen. Reagiert sie auf den mittleren Ton wie auf einen tiefen, deutet dies auf einen positiven emotionalen Zustand hin. Umgekehrt ist eine Reaktion wie auf den hohen Ton ein Hinweis auf einen negativen emotionalen Zustand.

Methoden-Mix gegen Vermenschlichung

Emotionen haben einen evolutionsbiologischen Zweck, aber nicht jede Emotion ist in jedem Lebensumfeld brauchbar. Demnach ist davon auszugehen, dass Menschen Emotionen empfinden, aus denen Tiere keinen Nutzen ziehen können, aber auch umgekehrt Tiere Emotionen empfinden, die wir Menschen nicht kennen.

Wir können lediglich jene Emotionen im Tier erkennen, die auch wir empfinden können. Damit Tiere aber nicht vermenschlicht werden, forschen die Wissenschaftler*innen nach einer Reihe von verschiedenen Hinweisen, die Rückschlüsse auf das Vorhandensein einer Emotion erlauben.

Es gibt erste Ergebnisse, jedoch bleiben noch viele Fragen offen

Die Erkenntnis, dass Tiere Emotionen haben, ist noch relativ jung. Sicher ist, dass Säugetiere und auch Vögel und Reptilien Emotionen empfinden können. Welche spezifischen Emotionen sie empfinden und ob auch wirbellose Tiere zu Emotionen fähig sind, ist noch weiter zu erforschen.

 

Bei der Beantwortung der Frage hat uns Prof. Dr. Helene Richter unterstützt. Sie ist Professorin für Verhaltensbiologie und Tierschutz am Institut für Neuro- und Verhaltensbiologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Ihr Forschungsfokus liegt auf dem Wohlergehen von Versuchstieren sowie tierischer Kognition und Emotion.

Redaktion: Lisa Ramroth

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