Logo Wissenschaft im Dialog Wissenschaft im Dialog

Zurück zu „Wie?So!“

Wie wirkt sich eine posttraumatische Belastungsstörung auf die Lernfähigkeit aus?

01. Februar 2019

  • D Naturwissenschaften und Mathematik
Direkt durch PTBS verursachte Defizite im kognitiven Verhalten sind in der Wissenschaft umstritten. Foto: Nolan Simmons/unsplash Array

Direkt durch PTBS verursachte Defizite im kognitiven Verhalten sind in der Wissenschaft umstritten. Foto: Nolan Simmons/unsplash

 

Kriege, Unfälle, Naturkatastrophen – Erleben Menschen belastende Situationen, können sie an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) erkranken. Häufig leiden Menschen nach dem Erleben eines Traumas auch unter Lernschwierigkeiten. Neues Wissen aufzunehmen und in Erinnerung zu behalten, fällt ihnen oft schwer. Woran liegt das und welche Rolle kann eine PTBS spielen?

Die posttraumatische Belastungsstörung ist eine psychische Erkrankung, die manchmal auch erst Jahrzehnte nach einem traumatischen Ereignis auftritt. Charakteristisch für die Krankheit ist, dass Betroffene ihr Trauma in Erinnerungsbildern oder Träumen immer wieder durchleben. Diese Flashbacks stellen eine enorme psychische Belastung dar und führen häufig zu Begleiterkrankungen wie Schlafstörungen und Angstzuständen, bis hin zu Depressionen und Suizidgedanken.

Die PTBS erschwert die erfolgreiche Bewältigung des Traumas, darunter leidet oft auch die soziale Funktionstüchtigkeit der Betroffenen. Direkt durch die PTBS verursachte Defizite im kognitiven Verhalten sind in der Wissenschaft allerdings umstritten. Gleiches gilt für direkte Auswirkungen der PTBS auf die Lernfähigkeit und das Gedächtnisvermögen.

Denkbar wäre allerdings eine Gedächtnis- und Merkfähigkeitsstörung, die indirekt durch die Krankheit entsteht. Denn zu den häufigsten Symptomen im Rahmen der PTBS zählen Konzentrationsschwierigkeiten. Wissenschaftlich belegt ist, dass es eine positive Korrelation zwischen der Schwere der PTBS-Symptomatik und der Ausprägung der Konzentrationsstörung gibt. Vereinfacht dargestellt bedeutet das: Je schwerer die Belastungsstörung nach Erleben eines Traumas ausfällt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, unter Konzentrationsstörungen zu leiden und desto gravierender fallen diese in der Regel aus. Es liegt also nahe, dass Menschen mit einer schweren PTBS unter Konzentrationsstörungen leiden, die sich in der Folge auch durch eine verminderte Merk- oder Gedächtnisfähigkeit äußern.

Zusätzlich leiden Betroffene oftmals unter Schlafstörungen: In Alpträumen erleben sie ihr Trauma wieder und wieder. Häufig entwickelt sich daraus auch eine Erwartungsangst vor dem Schlaf und den damit verbundenen Träumen, sodass die Patientinnen und Patienten sowohl unter Durchschlaf- als auch unter Einschlafstörungen leiden. Da der Tiefschlaf für eine vollständige Gedächtniskonsolidierung aber notwendig ist, kann der Prozess des „Abspeicherns“ im Gehirn bei PTBS-Erkrankten eingeschränkt sein.

Zusammengefasst lässt sich also festhalten: Bei Betroffenen einer PTBS lässt sich eine Merk- oder Lernfähigkeitsstörung sowohl durch Probleme bei der Aufnahme neuen Wissens durch Konzentrationsschwäche als auch durch Schwierigkeiten beim Abspeichern des Gelernten aufgrund von Schlafstörungen erklären. Allgemein wurden Lernfähigkeitsdefizite im Rahmen der PTBS übrigens häufiger bei älteren Patientinnen und Patienten sowie bei Personen mit Kriegstraumata beobachtet. Bei jüngeren Personen und Menschen mit Traumata, die aus direkter körperlicher Gewalt resultieren, scheinen sie seltener aufzutreten.

Die Behandlung der PTBS ist deswegen besonders wichtig, weil sich die Krankheit unbehandelt zu einer chronischen Störung entwickeln und somit zu einer dauerhaften Einschränkung führen kann. Die gute Nachricht zum Schluss: Die Heilungschancen werden allgemein als recht hoch angesehen. So liegt die Erfolgsquote nach der Behandlung bei etwa 80 bis 90 Prozent. Das bedeutet, dass ein Großteil der Patientinnen und Patienten nach erfolgter Therapie nicht mehr die medizinischen Kriterien einer PTBS erfüllen.

PTBS kann man sich vorstellen wie einen unaufgeräumten Schrank, der hastig geschlossen wurde. Daher kommt auch die Konzentrationsstörung – weil die Erinnerungen im Gehirn ungeordnet sind. Ziel der Therapie ist es, dieses Erinnerungschaos zu ordnen.

 

Bei der Beantwortung der Frage hat uns An Bin Cho geholfen, sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Charité Universitätsmedizin Berlin.

Redaktion WiD: Floriana Raffauf

Sie haben auch eine Frage an die Wissenschaft? Die Online-Redaktion von WiD sucht Experten, die sich mit diesem Thema auskennen, und beantwortet Ihre Frage.

Zum Frageformular

Zur Übersicht 

 

Mehr Wie?So!s zum Thema PTBS:

Was passiert im Gehirn bei einer Posttraumatischen Belastungsstörung?