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Wieso macht zu viel Schlaf müde?

24. September 2019

  • D Naturwissenschaften und Mathematik
Foto: Kinga Cichewicz / Unsplash Array

Foto: Kinga Cichewicz / Unsplash

Seit jeher bilden „mehr“ und „besser“ eine trügerische Allianz. Je reicher, desto glücklicher; je älter, desto weiser; viel Kaffee, viel wacher. Es erscheint logisch, dieses Dogma auch auf jene Tätigkeit anzuwenden, mit der wir fast ein Drittel unseres Lebens verbringen – den Schlaf: Je mehr, desto fitter. 

Die eigene Erfahrung scheint dem jedoch zu widersprechen. Selbst der überzeugteste Langschläfer muss sich früher oder später, schlaftrunken und mit müden Augen, eingestehen, dass dieser Plan nicht aufgeht. Irgendwann wacht man nicht mehr erholt auf, sondern schwach und energielos. Aber wieso wird man müde, wenn man zu viel schläft?

Eine erste Annäherung zur richtigen Antwort könnte lauten: Wir alle folgen einem bestimmten Rhythmus – auch im Schlaf.

Schlaf ist kein monotones Aus-der-Welt-Fallen, sondern gliedert sich in Leichtschlafphasen, Tiefschlafphasen und REM-Phasen. Innerhalb von 90-100 Minuten folgen diese aufeinander, wobei der Zyklus mehrmals pro Nacht von vorne beginnt. Im Laufe der Nacht ändert sich dabei deren Verhältnis: Die vergleichsweise oberflächlichen Leichtschlafphasen, in denen wir uns schneller durch äußere Einflüsse stören lassen, nehmen zu. Die zu Beginn der Nacht dominanten Tiefschlafphasen, in denen der Körper sich am ergiebigsten erholt, werden kürzer. Dazu fallen wir gegen Ende der Nacht immer öfter in den REM-Schlaf, in jene Phase, in der das Gehirn trotz Schlaf in etwa so viel Energie verbraucht wie im Wachzustand. In der REM-Phase verarbeiten wir Emotionen und Träume. Was genau in dieser Zeit passiert, ist Forschenden aber nach wie vor nicht ganz klar.

Auch tagsüber folgen wir Rhythmen – das lässt sich zum Beispiel daran beobachten, dass etwa alle 90 Minuten eine gewisse Müdigkeit einsetzt. Geben wir dieser nach, um beispielsweise einen Mittagsschlaf zu halten, besteht die Gefahr, in eine Tiefschlafphase zu verfallen. Wachen wir in einer Leichtschlafphase auf, beispielsweise nach einem Powernap, fällt uns das Aufstehen leicht. Werden wir allerdings aus dem Tiefschlaf gerissen, fühlen wir uns schlaftrunken.

Der Durchschnittsmensch ist genetisch so veranlagt, dass er siebeneinhalb bis acht Stunden Schlaf am Tag braucht, wobei es Kurz- und Langschläfer gibt. Letztere können durchaus auch neun bis zehn Stunden schlafen. Doch wie findet man heraus, welcher Schlaftyp man selber ist? Den eigenen Schlafbedarf erkennen wir in Zeiten, in denen wir weder dem Wecker, noch Terminen oder übermäßigem Stress unterworfen sind und ganz natürlich aufwachen können – nach wenigen Tagen pendelt sich die Schlafmenge dann auf das persönliche Optimum ein.

Schlafen wir länger als nötig, bringt dies unseren Schlaf-Wach-Rhythmus jedoch durcheinander.  Die erholsamen Tiefschlafphasen erreichen wir kaum noch und das Stresshormon Cortisol, das ab ca. fünf Uhr morgens ansteigt, hält unseren Körper auf Trab. Die Helligkeit des Tages und die Körpertemperatur, die sich nach ausreichend Schlaf erhöht, dämpfen den Schlafkomfort zusätzlich. Das Bedürfnis nach mehr Schlaf wird durch solchen nicht-erholsamen Schlaf nicht befriedigt. Zu allem Überfluss können wir von zu viel Schlaf auch noch Augenringe bekommen.

Ursache für ein zu langes Schlafbedürfnis ist jedoch nicht immer nur ein vorheriger Schlafmangel. Es kann gleichzeitig Ausdruck einer chronischen Erkrankung, wie z.B. einer Depression sein, oder durch Medikamente oder Ernährungsgewohnheiten hervorgerufen werden. Nikotin, Alkohol und Kaffee vertragen sich nicht gut mit erholsamem Schlaf.

Kurz: Wir werden müde, wenn wir in den falschen Schlafphasen aufwachen oder die Qualität des Schlafes gering ist. Beides kann auch durch zu viel Schlaf provoziert werden.

Als Experten standen uns Prof. Dr. med. Ingo Fietze, Leiter des Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrums der Charité Berlin, und Dr. Alfred Wiater, Kinderarzt und Schlafmediziner, Vorstandsreferent der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM), zur Seite.

Redaktion: Leon Berghaus

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