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Wieso zeigen moderne Zeigeruhren nur 12 und nicht 24 Stunden?

02. Juli 2019

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Das Ziffernblatt dieser Türmchenuhr (um 1580) zeigt die Uhrzeit sowohl mit 2x12 als auch mit 1x24 Stunden an. Foto: Deutsches Uhrenmuseum Furtwangen Array

Das Ziffernblatt dieser Türmchenuhr (um 1580) zeigt die Uhrzeit sowohl mit 2x12 als auch mit 1x24 Stunden an. Foto: Deutsches Uhrenmuseum Furtwangen

„Zeit ist das, was man an der Uhr abliest“, sagte schon Albert Einstein. Der berühmte Physiker musste es wissen: Mit seiner Relativitätstheorie hat er das Verständnis von Zeit und Raum revolutioniert. Doch warum lesen wir die Uhr so ab, wie wir es tun? Wieso zeigt das „normale“ Ziffernblatt unserer Zeigeruhren nur 12 und nicht 24 Stunden? Tatsächlich steckt hinter dieser Frage eine Jahrtausende lange Entwicklung. Denn im Laufe der Geschichte haben Menschen den Tag nicht immer in 24 Stunden eingeteilt, Stunden waren nicht immer gleich lang und es gab viele Systeme, die Uhrzeit abzulesen. Die Geschichte unserer Zeitlesung beginnt im alten Babylon…

Schon im babylonischen Reich galt die Zahl zwölf als perfekte Zahl. Damals zählten die Menschen mit den Knöcheln ihrer vier Finger (ohne Daumen) bis zwölf. Zwölf Mondzyklen teilten das Jahr in zwölf gleiche Abschnitte. Astronomie und Religion waren in vielen frühen Kulturen eng miteinander verknüpft und so stellte man sich auch im Zweistromland vor, die Ereignisse auf der Erde seien durch die Himmelsphänomene beeinflusst. Die Gelehrten teilten also auch Tag und Nacht in zwölf gleichgroße Teile ein. Das System von zwei Mal zwölf gleich langen Stunden ist also ein babylonisches Erbe.

Weiter im Westen, in Europa, wurden Tag und Nacht noch bis ins Mittelalter in verschiedenen Regionen ganz unterschiedlich eingeteilt. Ein Beispiel sind die sogenannten Temporalstunden, zwölf gleiche Abschnitte für den lichten Tag und zwölf für die Nacht. Ihre Länge änderte sich im Verlauf der Jahreszeiten: Tagstunden waren im Sommer länger und im Winter kürzer. Genaue Zeitangaben spielten für die größtenteils ländliche Bevölkerung zu dieser Zeit aber kaum eine Rolle: Sonnenaufgang und Sonnenuntergang bestimmten den Tag und es reichte aus, sich – gemäß dem Stand der Sonne – nach Morgen, Mittag und Abend zu richten.

Die zunehmende Verbreitung von mechanischen Räderuhren im späten Mittelalter machte dann die gleich lange Stunde wie wir sie heute kennen, vor allem in den Städten, populär. Hier war die Bevölkerung nicht so sehr an Tag und Nacht gebunden wie auf dem Lande, eine gleichmäßige Zeiteinteilung machte ihre Arbeitszeiten praktikabler. Man darf jedoch nicht vergessen: Die gleich langen Stunden waren keine Neuerung des Uhrwerks, denn schon im Altertum konnten Astronomen sie berechnen.

Es dauerte bis in die Neuzeit bis man sich zumindest in vielen Städten an die gleich langen Stunden hielt. Doch trotzdem gab es weiterhin große regionale Unterschiede. Im Süden Mitteleuropas und Italien zählte man die Stunden meist tatsächlich auf einer „vollen Uhr“ von 1 bis 24 Uhr, und der Tag begann mit Sonnenaufgang und nicht um Mitternacht. In anderen Gebieten hielt man sich an die heute übliche Einteilung von zweimal zwölf Stunden, wobei der Tag vielerorts am Mittag begann. In Frankreich versuchte man im Laufe der Revolution sogar die Dezimalzeit einzuführen: Ein Tag sollte zehn Stunden haben, jede Stunde 100 Minuten und jede Minute 100 Sekunden. Das Dekret von 1793 trat jedoch nie in Kraft.

Doch wie hat es die „Kleine Uhr“ mit 12-Stunden-Ziffernblatt geschafft ihre „große Schwester“ mit 24 Stunden auszustechen? Tatsächlich gab es keinen Stichtag und kein Dekret, die dazu geführt haben. Das 12-Stunden-Ziffernblatt hat sich über lange Zeit hinweg durchgesetzt. Dafür hat es wahrscheinlich auch praktische Gründe gegeben. Öffentliche Turmuhren haben die Zeit durch Glockenschläge mitgeteilt. Besonders abends hätten 20 und mehr Glockenschläge eine enorme Konzentration beim Mitzählen abverlangt: „Waren das nun 19, 20 oder doch 22 Schläge?“. Weniger Abschnitte auf dem Ziffernblatt erleichterten zudem das Ablesen aus der Entfernung. Manche Uhren gingen sogar noch einen Schritt weiter und zeigten nur 6 Abschnitte, eine Gliederung, die man „alla Romana“ nannte.

Bis heute hat sich für die analoge Darstellung das 12-Stunden-Ziffernblatt, die Kleine Uhr, durchgesetzt; Zeigeruhren mit 24-Stunden-Anzeige findet man fast nur noch an historischen Kirchtürmen. Doch auf globaler Ebene hat sich die Einteilung des Tages in 24 Stunden – die koordinierte Weltzeit (UTC) – bewährt und bietet viele Vorteile. So kann es mit der UTC zu keinen Verwechslungen von Tag- und Nachtzeiten mehr kommen: 2 Uhr und 14 Uhr, klare Sache. Trotzdem haben sich bis heute regionale Besonderheiten gehalten, etwa die amerikanische Einteilung in a.m. und p.m. Ein Blick zurück in die Geschichte zeigt also: Zeit ist relativ, nicht nur in Raum und Zeit.

Bei der Beantwortung der Frage hat uns Dr. Johannes Graf unterstützt. Er ist stellvertretender Museumsleiter des Deutschen Uhrenmuseums in Furtwangen.

 

Weiterführende Informationen:

Die Geschichte der Stunde. Uhren und moderne Zeitordnungen, Gerhard Dohrn-van Rossum, Hanser, 1992

Zeit und Kultur: Geschichte des Zeitbewusstseins in Europa, Rudolf Wendorff, Westdeutscher Verlag, 1980

Redaktion: Yannick Brenz

 

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