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Woher stammt die Redewendung "Kleinvieh macht auch Mist"?

29. März 2008

  • C Geistes- und Sozialwissenschaften

Woher stammt die Redewendung "Kleinvieh macht auch Mist"?

Schriftlich überliefert ist die Redewendung etwa seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Genaue Auskünfte zu ihrer Herkunft geben die Wörterbücher nicht. Kleinvieh macht auch Mist ist zwar im "Deutschen Sprichwörter-Lexikon" und im Duden-Wörterbuch zu Redewendungen verzeichnet, aber ohne einen Hinweis auf die Herkunft.

Aus historischer Sicht wird damit – leicht ironisch – die Idee ausgedrückt, dass auch die kleinen, nicht so reichen Leute, mit bescheidenen Mitteln es zu etwas bringen können. Die Gleichsetzung von Geld = Mist = Fäkalien (“Scheiße“) usw. ist in den Volksüberlieferungen in zahlreichen Redewendungen und verschiedenen Bedeutungen zu finden.

Zur heutigen Bedeutung und zum aktuellen Gebrauch: 

Diese Redewendung sagt in einem allgemeinen Sinne aus, dass auch viele kleine oder eher unbedeutend scheinende Schritte irgendwann zum Erfolg, z.B. zum finanziellen,  führen können, natürlich nur mit genug Ausdauer und Geduld. In den Korpora des Instituts für deutsche Sprache (IDS) kommt die Redewendung ca. 250 mal vor. Hauptsächlich wird diese Aussage auf Finanzielles oder aber auf Zählbares jeglicher Art bezogen, z.B. 

• Umsatz durch kleine Gewinne
Die Treuener sagen noch immer "die Dienstleistung", wenn sie von dem Laden sprechen. Wie früher. Denn da gibt es außer dem gesamten Repertoire an Produkten der Firma auch heute noch alle möglichen Dienstleistungen, Hosen kürzen, Teppichreinigung, Schleifarbeiten. Und wenn es sich ergibt, wird da auch mal von einer einheimischen Strickerei ein Posten Unterwäsche Acryl/Baumwolle fünfzig/fünfzig angeboten, ‚wenn wir denen eine größere Menge abnehmen, kriegen wir es billiger und können es dann auch billiger anbieten", weiß Martin Kraus. Kleinvieh macht auch Mist. Und „in der Summe tut sich das alles rentieren“
(Berliner Zeitung, 29.12.2001, S. 4.)

• Steuereinnahmen
Mit der Anhebung der Steuersätze gleiche man sich an die Nachbarn wie Mittenwalde und Wildau an. Zwar sei die Erhöhung der Hundesteuern lediglich mit Mehreinnahmen von 7500 Mark verbunden, aber "Kleinvieh macht auch Mist", sagte der Bürgermeister. Angesichts der angespannten Haushaltslage werden derzeit alle Möglichkeiten der Einnahmeverbesserungen für die Stadt abgeklopft, teilte Wagner mit.
(Berliner Morgenpost, 16.12.1998, S. 52, Ressort: REGION; Steuern: Hunde sichern den Etat)

• Spenden
Letzter spontaner Spender eines vierstelligen Betrages war Erwin "Fritz" Grabenauer, der beim letzten Treffen der Heimatverein-Freunde im "Friedrichsfelder Hof", dem ersten Vorsitzenden Horst-Dieter Grundmann, bare 1000 Mark in die Hand drückte: "Fürs Kreuz!" Nach dem Motto "Kleinvieh macht auch Mist" offeriert der Heimatverein derzeit seine Henkel-Tassen in der badischen Farbe gelb und versehen mit dem zweifarbigen ursprünglichen Ortssiegel, in dessen Mittelpunkt das rote Herz und die beiden mit dem Rücken zueinander gekehrten "F" stehen.  
Der Erlös der von der Volksbank Ladenburg gesponserten Tassen soll ebenfalls in den "Kreuz-Restaurations-Topf" fließen.

(Mannheimer Morgen, 07.12.1998, Ressort: Umlandseite(n); Spendenflut für Denkmalkreuz)

• Andere, nicht finanzielle „kleine Schritte“
Das Grünen-Mitglied im Banken-Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses, Barbara Oesterheld, findet den jetzt beginnenden Prozess dennoch richtig. „Kleinvieh macht auch Mist.” Den Verantwortlichen des Bankenskandals juristisch beizukommen, sei ohnehin schwierig genug. Wenn man etwas in der Hand habe, müsse man das auch nutzen. „Einen großen Prozess zu Aubis oder der Bankgesellschaft wird es ohnehin nicht geben.”
(die tageszeitung, 01.03.2004, S. 22, Ressort: Berliner Thema; Kleinvieh macht auch Mist)

Vereinzelt gibt es diese Redewendung auch ohne das Wort Mist in derselben Bedeutung, wobei in diesen Fällen die Kenntnis der vollständigen Wendung beim Leser/Hörer quasi stillschweigend vorausgesetzt wird. Andere variieren die Wendung, indem z.B. mit der Doppeldeutigkeit des Wortes Mist oder mit dem Gegensatz Kleinvieh-Großvieh gespielt wird. Diese stilistischen Techniken sind ein beliebtes journalistisches Mittel zur Variation von Formulierungen. 

Beispiel: Der Staat soll sich nicht auf das moralische Niveau derer begeben, die er als Straftäter verfolgt. Das klingt edel. Kann sich der Fiskus das noch leisten?
Ja, denn bei den privaten Tips geht es doch vor allem um Kleinvieh. Wenn wir dafür künftig bezahlen würden, wären unsere Kapazitäten schnell verstopft und wir kämen gar nicht mehr dazu, die großen Fälle zu bearbeiten.
(die tageszeitung, 08.01.1998, S. 2, Ressort: Aktuelles; "Private Tips bringen vor allem Kleinvieh")

• Großvieh macht auch Mist
DÜSSELDORF, 18. Mai. Aus Mist kann man doch Gold machen: Bei richtiger Vermarktung könnten auch Pferde zu "Geldeseln" werden, berichtete der Rheinische Landwirtschaftsverband am Montag in Bonn. Der Verband rechnete: Alle zwei bis drei Stunden läßt ein Pferd Äpfel fallen - insgesamt rund 80 Äpfel pro Tag. Zusammengenommen seien das jeden Tag 23 Kilo Frischmist, knapp neun Tonnen jährlich.
(Frankfurter Rundschau, 19.05.1998, S. 35, Ressort: AUS ALLER WELT; Großvieh macht auch Mist)

 

Quellen 
DEREKO – Korpora geschriebener Gegenwartssprache des IDS (Zugang über COSMAS II)
Duden11 = Duden. Bd.11:  Redewendungen. 2., neu bearbeitete und aktualisierte Auflage. Mannheim, 2002.
Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hg.) (1870). Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Ein Hausschatz für das deutsche Volk. 5 Bde. Zweiter Band: Gott bis Lehren. Leipzig: Brockhaus, S. 1392

Die Frage wurde beantwortet von Dr. Kathrin Steyer, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Deutsche Sprache in Mannheim (IDS) und Leiterin des Projektes "Usuelle Wortverbindungen".