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Blindes Vertrauen in die Wissenschaft oder gesunde Skepsis gegenüber Forschung?

20. Oktober 2016

  • Erstellt von Markus Weißkopf
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Das Wissenschaftsbarometer 2016: Was Bürgerinnen und Bürger über Wissenschaft und Forschung denken. Foto: WiD Array

Das Wissenschaftsbarometer 2016: Was Bürgerinnen und Bürger über Wissenschaft und Forschung denken. Foto: WiD

In der letzten Ausgabe der Helmholtz Perspektiven ist ein Kommentar von Annette Leßmöllmann erschienen, der sich kritisch mit der Erfassung des Konzepts „Vertrauen in die Wissenschaft“ im Wissenschaftsbarometer auseinandersetzt. Dazu möchte ich hier in aller Kürze einige Dinge erwidern und ergänzen.

Annette setzt sich insbesondere mit dem Satz „Die Menschen vertrauen zu sehr der Wissenschaft und nicht genug ihren Gefühlen und dem Glauben.“ auseinander, zu welchem die Befragten im Wissenschaftsbarometer ihre Zustimmung oder Ablehnung angeben sollen. Dabei kritisiert sie, dass seitens der Befragten weder verstanden werden kann, wer „die Menschen” sind,  noch was „vertrauen“ bedeutet und um welche Arten von Entscheidungen es geht, bei denen Wissenschaft eine Rolle spielen kann und soll. Es sei schwierig, aus einer derart schwammigen Fragestellung Rückschlüsse zu ziehen.

Nun, ich denke, dass diese Frage durchaus ihre Berechtigung besitzt. Spannend wird die Aussage nämlich gerade dadurch, dass sie eben nicht als schlichte Frage ein einseitiges Vertrauen in die Wissenschaft abfragt, sondern ein Spannungsverhältnis aufmacht, dass es so ja auch in der Realität geben kann – nämlich zwischen den Erkenntnissen wissenschaftlicher Forschung und konkurrierenden Blickweisen auf die Welt.

Dies zeigt sich beispielsweise, wenn man die Ergebnisse über die Zeit oder zwischen verschiedenen Ländern vergleicht – und das ist auch schon der nächste Grund, der für die Aufnahme dieses Items ins Wissenschaftsbarometer sprach: Dieses Item wird schon seit langem (für Deutschland beispielsweise im Eurobarometer 31 von 1989) und in vielen verschiedenen Surveys (u. a. Eurobarometer, World Value Survey oder International Social Survey Programme) genutzt. Und so können eben spannende Vergleiche, besonders auch auf europäischer Ebene, gezogen werden: In eher religiös geprägten Ländern wie Italien, Spanien oder auch in osteuropäischen Ländern sind dabei die Zustimmungsraten höher als in Nord- und Westeuropa und auch in Deutschland lässt sich im Wissenschaftsbarometer noch immer ein Unterschied zwischen „West“ und „Ost“ sehen.

Ein ähnliches Spannungsverhältnis wie für dieses Item zeigt sich auch bei der Bewertung der Risiken neuer Technologien im Wissenschaftsbarometer (siehe ebenfalls Grafik oben) – nämlich zwischen dem Hoffen auf einen Nutzen und der gleichzeitigen Nichtausschließbarkeit von Risiken und den damit einhergehenden ambivalenten Meinungen der Befragten.

Einen wichtigen Punkt spricht Annette an, wenn sie schreibt, dass letztendlich ein interessiertes und skeptisch-hinterfragendes Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger das ist, was ein positives Verhältnis zwischen der Wissenschaft und der Öffentlichkeit ausmacht. Dafür brauchen wir mehr und vielleicht auch bessere Items und Fragestellungen, um dieses erfassen zu können.

Einige Surveys (beispielsweise im schwedischen VA barometer oder im 2016 erstmals erschienen Schweizer Wissenschaftsbarometer) haben – um zumindest annähernd zu erfassen, welches Bild und welche Vorstellungen die Befragten von Wissenschaft haben – beispielsweise neuerdings offene Fragen nach freien Assoziationen zu Begriffen wie  „Wissenschaft“ und „Forschung“ aufgenommen. Die Ergebnisse sind dann häufig Begriffe wie „Fortschritt“, „Wissen“, „Medizin“ und „Neuheiten“, aber auch Begriffe wie „Universitäten“, „Labore“ oder „weiße Kittel“. Im Wissenschaftsbarometer wird den Befragten vorab zumindest gesagt, dass die dann folgenden Fragen von Wissenschaft und Forschung handeln und nicht nur die Naturwissenschaft und Technik, sondern auch die Sozial- und Geisteswissenschaften einschließen. Das bedeutet zumindest eine Annäherung an ein gemeinsames Konzept. 

Zusätzlich ist es natürlich spannend, Vertrauen nicht nur entlang verschiedener Themen (im Wissenschaftsbarometer wird neben dem oben diskutierten Item auch noch das Vertrauen in die Aussagen von Wissenschaftlern zu Klimawandel, Grüner Gentechnik, Erneuerbaren Energien und der Entstehung des Universums abgefragt), sondern auch in Bezug auf verschiedene Akteure zu erfassen: für Wissenschaftler an Universitäten, für Wissenschaftler an öffentlichen Forschungsinstituten, für Wissenschaftler in privaten Laboren/in Unternehmen und für Akteure aus dem übergeordneten Wissenschaftssystem bzw. der Wissenschaftspolitik – und dann am besten noch dafür kontrollieren, was die jeweils Befragten eigentlich über Forschungsprozesse und das Wissenschaftssystem wissen.

An Ideen und Ansätzen für neue Fragestellungen mangelt es also nicht, aber auch der Fragebogen des Wissenschaftsbarometers hat natürlich eine Begrenzung und konnte bisher schon allein aus Budgetgründen nicht länger sein. Es ist somit immer ein Abwägen zwischen „alten Fragen“, die Vergleiche ermöglichen, und spannenden, neu hinzugekommenen Fragestellungen. Letztlich muss man auch sagen, dass wir es hier bisher mit einer Befragung/Meinungsumfrage und nicht mit einer wissenschaftlichen Studie zu tun haben. Dies wird von uns auch transparent und offen kommuniziert.

Für zukünftige Erhebungswellen hoffen wir, dass – auch durch die Zusammenarbeit mit den Kollegen weiterer Wissenschaftssurveys in Europa sowie durch die Unterstützung von Förderern – das Instrument weiter ausgebaut werden kann. Dann wird sicherlich auch die Erfassung verschiedener Dimensionen von Vertrauen in die Wissenschaft eine zentrale Rolle spielen. Darüber hinaus sollten wir auch in unseren Kreisen stärker darüber nachdenken und diskutieren, wie z. B. Vertrauen mit anderen Einstellungen und Verhaltensweisen gegenüber Wissenschaft zusammenhängt. Nicht zuletzt sollten wir uns darüber auszutauschen, ob es eigentlich in der Wissenschaft bzw. Wissenschaftskommunikation unser Ziel sein sollte, „Vertrauen in die Wissenschaft“ herzustellen, oder es eher darum gehen sollte, ein vertrauenswürdiger Partner der Gesellschaft zu sein.


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