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Das große Schweigen

09. Dezember 2014

  • Erstellt von Elisabeth Hoffmann
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  • A Wissenschaftskommunikation
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Wie gut funktionieren dialogische Formate in der Wissenschaftskommunikation? Welche Ziele sind für den Dialog in der Wissenschaft angemessen, welche sind unredlich? Thomas Windmann vom Karlsruher Institut für Technologie moderiert die Diskussion über das Gelingen und Scheitern von Dialogveranstaltungen.

Dialoge sind nicht kuschelig

Marc Scheloske hat sich vorgenommen, den „Dialog vom Kopf auf die Füße zu stellen“. Oft stellen wir uns den Dialog als einen sonnigen, warmen Strand mit einladenden Stühlen unter Sonnenschirmen vor. Dabei kann es durchaus auch mal stürmisch werden. Für Muskelspiele, bei denen die eigene Exzellenz zur Schau gestellt wird, sind zum Beispiel Dialogformate denkbar ungeeignet. Sie können dann, und auch aus anderen Gründen, schnell an unterschiedlichen Erwartungen scheitern. Dialog kann man, so Marc Scheloske, auch nicht verordnen, weder kann man Wissenschaftler dazu zwingen noch die Bürgerinnen und Bürger. Voraussetzung für eine gelungene Kommunikation sei es, sich auf die Interaktionsgruppe einzustellen. Und Authentizität: „Wer vom eigenen Thema begeistert ist, kann andere begeistern.“

Über Tierversuche diskutieren

Hannes Schlender von scienceRELATIONS erläutert das Diskursprojekt Tierversuche, das er gemeinsam mit Dirk Hans vor zehn Jahren an der damaligen Gesellschaft für Biotechnologische Forschung in Braunschweig (heute Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung) umgesetzt hat. Ich kann mich noch gut daran erinnern und bin noch heute beeindruckt: Entstanden ist ein Leitfaden mit Infos für die selbstständige Recherche und die Diskussion mit Schülerinnen und Schülern. Die würden, meint Hannes, das Thema in aller Regel nicht von sich aus diskutieren wollen, seien aber in zwei Unterrichtsstunden durchaus ins Gespräch zu bringen. Das Forum Tierversuche fördert den –auch kontroversen - Dialog unter Fachleuten.

Brot und Spiele

Einen nüchternen Blick wirft Regina Link vom KIT auf Dialogformate in der internen Kommunikation. Sie stellt klar, dass Feedback kein Selbstläufer ist, sondern richtig Arbeit machen kann, und betrachtet unterschiedliche Formate von Facebook bis hin zu diversen Dialogangeboten im internen Newsletter. Die funktionieren nur, wenn das Thema unmittelbare Relevanz für die Menschen („Brot“) hat, oder spielerische Elemente mitbringt. Viele Mitarbeiter möchten vielleicht gar nicht ihre Meinung einbringen, schon gar nicht öffentlich.

Haben wir die Formel für den Erfolg?

Um das vorweg zu nehmen: Mein Eindruck ist, dass wir ziemlich viele wichtige Aspekt rund um das Gelingen von Dialogformaten herausgearbeitet haben. Thomas Windmann meint abschließend scherzhaft, er habe nunmehr die Formel schon im Kopf, werde sie aber auf jeden Fall für sich behalten. Hier deshalb leider nur einige Zutaten für das Erfolgsrezept:

Warum ist es so schwer, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Beteiligung z.B. an Leitbildprozessen zu bewegen? Liegt das vielleicht daran, dass ein ehrlicher Dialog in den meisten Einrichtungen gar nicht wirklich gewollt ist und dies natürlich spürbar wird? Mit dieser Frage steigen wir in die Diskussion ein. Oder haben wir einfach schon den Sättigungsgrad erreicht, und die Menschen sind der Formate einfach überdrüssig? Sind vielleicht die Dialogformate insgesamt kein besonders geeignetes Mittel mehr, um die interne oder externe Öffentlichkeit zu erreichen?

Fakten, Werte, Interessen

Philipp Schroegel stellt klar, dass es in allen relevanten Bereichen der Wissenschaft bei weitem nicht nur um Fakten geht, wie es die Wissenschaftler selbst gern meinen. Tatsächlich geht es immer auch um Werte und Interessen. Im Gegensatz zu Marc Scheloske ist er der Meinung, dass Dialoge zu manchen Themen durchaus auch erzwungen werden sollten. Die Synthetische Biologie, eines seiner Beispiele, ist ja tatsächlich so ein Thema, das auf wenig Interesse in der Bevölkerung stößt, über das wir aber unbedingt kontrovers diskutieren müssten. Mich persönlich treibt das seit der fantastischen Reportage „Unser kleines Genlabor“ von Hanno Charisius, Richard Friebe und Sascha Karberg (nachzulesen auf Spektrum.de) sehr um, und an unserer Universität nehmen studentische Teams jährlich an der IGEM, dem Wettbewerb des MIT um synthetische Mikroorganismen, teil. Unsere Diskussionsveranstaltung dazu im Haus der Wissenschaft hatte nur etwa 50 Teilnehmer, und die meisten hatten vorher keine Ahnung gehabt, worum es hier geht.

Mulmigkeit als Erfolgsindikator?

Ohne Emotionen läuft gar nichts, erläutert Rainer Korbmann. Da ist ihm durchaus zuzustimmen. Ich würde sogar so weit gehen, dass man genau dann eine kontroverse und wichtige Dialogveranstaltung hinbekäme, wenn uns das Thema richtig mulmig wird. Als Kommunikatoren haben wir eigentlich ein gutes Gespür für die mulmigen Aspekte auf dem Campus bzw. im Wissenschaftsbetrieb, wenn es also am Himmel über Marc Scheloskes Strand schon aus der Ferne bedrohlich blitzt und donnert. Aber sind Wissenschaftler und viel mehr noch wissenschaftliche Institutionen eigentlich in der Lage, emotionale Diskussionen auszuhalten? Margarete Pauls vom Alfred Wegner Institut meldet da Zweifel an.

Thomas stellt die spannende Frage nach der Evaluierung der Formate. An welchen Zielen wollen wir sie messen? Sind Lieschen Müller oder die viel beschworene Mitte der Gesellschaft wirklich die richtige Zielgruppe? Und noch eine gute Frage: Sind die Kommunikatoren in den Einrichtungen eigentlich die Richtigen, um echte Dialoge zu organisieren? Wie weit können sie gehen? Damit führt uns die Diskussion wieder zur Auftaktdiskussion von heute um die Befangenheit von Wissenschafts-PR-Verantwortlichen.


1 Kommentare

  1. Philipp Schrögel am 10.12.2014

    Nachdem ich mich im Nachgang zur Session noch mit Marc Scheloske ausgetauscht habe, möchte ich meinen Widerspruch einschränken. Er hat durchaus Recht, dass ich den Dialog nicht im blanken Wortsinne "erzwingen" kann, dann sitze ich vor einem leeren Raum oder einem vollen schweigenden Raum erzwungener Teilnehmenden. Vielmehr muss es darum gehen, für diesen Dialog zu motivieren, werben, aktivieren - aber das durchaus mit sanftem Druck zur Förderung der Auseinandersetzung mit dem Thema und der Positionierung des Themas an den verschiedensten Stellen. Also die Leute zumindest zwingen, es zur Kenntnis zu nehmen.

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