Logo Wissenschaft im Dialog Wissenschaft im Dialog

Zurück zu „Blog“ Qrss

Die Augen und Ohren der Archäologie

15. März 2017

  • Erstellt von Artur Krutsch
  • 0
  • A Wissenschaftskommunikation
Expanding Horizons. Österreichische Citizen Science Konferenz, Foto: AGES Array

Expanding Horizons. Österreichische Citizen Science Konferenz, Foto: AGES

Abenteuerlustige Lords, passionierte Münzsammler oder der Kaufmann Heinrich Schliemann: Zu Beginn der Altertumsforschung waren es oft Bürger, die antike Stätten ausgruben und erforschten. Erst die Akademisierung der Wissenschaft führte zu einer Trennung von studierten WissenschaftlerInnen und „Hobby“-Forschenden. Wie Citizen Science das gegenseitige Misstrauen abbauen und in den verschiedenen Stadien der Forschung sinnvoll eingesetzt werden kann, habe ich in der von Carmen Löw organisierten Session „Citizen Science in den Altertumswissenschaften“ am ersten Tag der Österreichischen Citizen Science Konferenz gesehen.

SondengängerInnen, Heimatforschende, Freiwillige

Sogenannte „Sondengänger“ scheinen das größte Feindbild der Archäologie zu sein. Denn wer mit einem Metalldetektor gefundene Objekte unkontrolliert und undokumentiert ausgräbt, schadet der archäologischen Forschung erheblich und handelt sich je nach Land und Bundesland eine kräftige Strafe ein. Viele der SondengängerInnen und Heimatforschenden bringen jedoch großes Fachwissen, Interesse und Engagement mit, die sie auch bei Ausgrabungen einsetzen würden – wenn man sie denn ließe. Deshalb plädiert Michael Bader vom Netzwerk Geschichte Österreich diese aktiv miteinzubeziehen. Von der Planung einer Ausgrabung, über die Durchführung bis zur Auswertung.

In den Niederlanden klappt die Zusammenarbeit zwischen Freiwilligen und Berufsarchäologen schon ganz gut, zeigt Tonnie van de Rijdt - van de Ven, Präsidentin des Niederländischen Vereins für Freiwillige in der Archäologie AWN. Seit 1951 existiert dieser Verein, der bis zur Einführung der Malta-Konvention sogar die meisten archäologischen Ausgrabungen in dem dicht besiedelten Land durchgeführt hat. Bis heute hat der Verein die Erlaubnis, selber Ausgrabungen durchzuführen. Auch wenn sich die Rolle der Freiwilligen und Amateur-Archäologen seitdem geändert hat und Fachleute die meisten Ausgrabungen durchführen, legt die niederländische Regierung weiterhin großen Wert darauf, dass die Gemeinden den Verein und seine Freiwilligen bei allen archäologischen Projekten einbeziehen. „Sie sind die Augen und Ohren der Archäologie“ sagt van de Rijdt - van de Ven. Auch als in den Niederlanden an einem neuen Gesetz für Kulturelles Erbe gearbeitet wurde, war der Verein ein wichtiger Ansprechpartner. Ich finde, das Beispiel zeigt sehr schön, wie Citizen Science dabei helfen kann, dass Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Politik gemeinsam an wissenschaftlichen Projekten arbeiten.

„Woher weiß ich, dass die das auch können?“

Eine Frage, die viele professionelle ArchäologInnen davon abhält mit BürgerInnen zu arbeiten, lautet: Woher weiß ich, dass die das auch können? Raimund Karl ist Archäologe und Professor an der University of Wales, wo er seit vielen Jahren Ausgrabungen gemeinsam mit BürgerInnen durchführt. Karl kennt „seine“ Citizen Scientists gut. Er weiß, wer was kann oder noch nicht kann. Er kann sie entsprechend ihrer Fähigkeiten bei einer Ausgrabung einsetzen. Doch woher weiß der oder die nächste GrabungsleiterIn, was die einzelnen Freiwilligen können? Im Vereinigten Königreich, wo Bürgerbeteiligung in der Feldforschung eine lange Tradition hat, ist man das Problem angegangen. So hat die Organisation British Archaeological Jobs and Resources BAJR einen „Archeology Skills Passport“ entwickelt, mit dem ArchäologInnen, egal ob sie studiert haben oder nicht, ihre praktischen Kompetenzen nachweisen können.
Eine gute Idee, die bestimmt auch auf andere Disziplinen übertragbar ist. Ich könnte mir sogar einen fachübergreifenden, europäischen „Citizen Science Skill Passport“ vorstellen.

Der Tiger in Action :-) Raimund Karl spricht auf der #oecsk2017 darüber, wie man die Fähigkeiten von #CitizenScientists dokumentieren kann. pic.twitter.com/5Av8zIxGQu

— Carmen Löw (@CarmenLoew) 2. März 2017 <
Foto: James De Mers, Pixabay
Foto: James De Mers, Pixabay
Foto: James De Mers, Pixabay
Foto: James De Mers, Pixabay

Auf dem Feld oder in der Bibliothek?

Citizen Scientists findet man nicht nur in den Ausgrabungsstätten, sondern auch in den Bibliotheken. Dr. Peter Scherrer, Professor für klassische und römische Archäologie an der Uni Graz, stellt uns die Zeitschrift Römisches Österreich vor, welche die Österreichische Gesellschaft für Archäologie seit 1972 herausgibt. Von Anfang an war der Verein offen für forschende „Laien“ und seit der ersten Ausgabe der Zeitschrift haben diese gemeinsam mit universitären Forschern wissenschaftliche Artikel veröffentlicht. Römisches Österreich hat sich zu einer international anerkannten Fachzeitschrift entwickelt. Ein Paradebeispiel für Citizen Science in den Altertumswissenschaften, findet Scherrer, auch wenn er den Begriff in den 1970ern noch gar nicht kannte.

Die Altertumswissenschaften gelten als Orchideenfächer, die stets um Akzeptanz in Gesellschaft und Politik kämpfen müssen. Gleichzeitig sehe ich, dass es eine große Anzahl an Menschen gibt, die einfach Spaß an Geschichte und Archäologie haben und dem mit großem Engagement und Fachwissen nachgehen. Egal, ob sie lieber in der Erde Scherben ausgraben oder wissenschaftliche Artikel über die Geschichte ihres Heimatdorfes schreiben. Klar, die Kommunikation, Koordination und Zusammenarbeit mit Freiwilligen kann sehr aufwändig sein. Doch wenn man ihnen vorurteilsfrei und auf Augenhöhe begegnet, und sie auch als Botschafter des eigenen Fachs sieht, kann die gemeinsame Leidenschaft, die Altertumswissenschaft, langfristig und nachhaltig in der Gesellschaft verankert werden.


0 Kommentare

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben